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Rechtsprechung aktuell
Hilfsmittelabgabe durch Apotheken als zugelassene Leistungserbringer von Hilfsmi
Die rechtliche Zulässigkeit, Mittel der Krankenpflege in Apotheken anzubieten, wie etwa Kompressionsstrümpfe, ist in jüngerer Vergangenheit mehrfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesen. Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 21.9.2000 – AZ Nr. 45/2000, S. 1) hatte dabei entschieden, dass der Vertrieb von Kompressions-strümpfen in der Apotheke weder gegen die Apothekenbetriebsordnung noch gegen das Wettbewerbsrecht verstößt.
Demgegenüber war bisher nicht eindeutig geklärt, ob Apotheken einen krankenversicherungsrechtlichen Anspruch auf Zulassung zur Hilfsmittelabgabe nach § 126 des Fünften Teils des Sozialgesetzbuchs (SGB V) haben. Dies hat das Bundessozialgericht in einer aktuellen Entscheidung bestätigt.
Der Bundesinnungsverband für Orthopädietechnik hatte vor dem Bundessozialgericht gegen die Ersatzkassenverbände geklagt, weil diese einen Hilfsmittellieferungsvertrag mit dem Deutschen Apothekerverband abgeschlossen hatten. Nach dem Hilfsmittel-lieferungsvertrag waren Apotheken auch zur Abgabe von Hilfsmitteln berechtigt, die behinderten- und therapiegerecht zugerichtet werden, wie etwa medizinische Bandagen, Ernährungspumpen, Geh- und Stützgestelle und Kompressionsstrümpfe.
Vielfalt der Leistungsanbieter
Dieser Hilfsmittellieferungsvertrag ist nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts rechtlich nicht zu beanstanden. Auch Apotheken dürfen derartige Hilfsmittel anbieten, soweit die erforderliche Qualität gewährleistet ist. Eine Verletzung der Vertragskompetenz der Verbände der Orthopädietechniker liegt nicht vor. Denn diese haben kein Monopol zum Abschluss von Rahmenverträgen über die Versorgung mit orthopädischen Hilfsmitteln. Dies gilt grundsätzlich auch für andere Hilfsmittelbereiche.
Auch wenn in dem SGB V systematisch eine Trennung der einzelnen Gruppen und Bereiche der Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte, Leistungserbringer von Heilmitteln und Hilfsmitteln, Apotheken und pharmazeutischen Unternehmen, sonstige Leistungserbringer) besteht, darf daraus nicht geschlossen werden, jede im Gesetz aufgeführte Gruppe dürfe nur in dem ihr zugewiesenen Bereich Verträge abschließen und dort tätig werden.
Vielmehr spricht das Gebot zur Beachtung der Vielfalt der Leistungsanbieter (§ 2 Abs. 3 SGB V) und der Umstand, dass im Gegensatz zur Arzneimittelversorgung (Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V und ergänzende Apothekenlieferungsverträge nach § 129 Abs. 5 SGB V) der Kreis der Vertragspartner für Hilfsmittel nach § 126 SGB V (ebenso wie der für Heilmittel nach § 124 SGB V) gesetzlich nicht festgelegt worden ist, dafür, dass keine Exklusivität der Vertragsbeziehungen zu einzelnen Gruppen von Leistungserbringern besteht.
Alle geeigneten Leistungserbringer haben deshalb unabhängig von ihrer Berufsgruppe bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen einen bedarfsunabhängigen ("zuzulassen ist") Rechtsanspruch auf Zulassung zur Versorgung der Versicherten. Dies gilt auch für den Apotheker.
Grundrechte sind zu beachten
Eine Auslegung unter Einschränkung des Wortlautes des § 126 SGB V, jede im Gesetz aufgeführte Gruppe von Leistungserbringern dürfe nur in dem ihr traditionell zugewiesenen Bereich Verträge abschließen und tätig werden, würde zudem gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit der Apotheker gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen.
Da Heil- und Hilfsmittel nach den §§ 124, 126 SGB V nur von zugelassenen Leistungserbringern abgegeben werden dürfen, hat die Zulassung hier eine ähnliche wirtschaftliche Bedeutung wie eine Zulassung für die Vertragsärzte.
Die Verweigerung einer Zulassung stellt deshalb eine Begrenzung der Berufsfreiheit auf der Stufe der Berufsausübung dar, die in ihrer Wirkung einer Beschränkung der Berufswahl im Sinne des Art 12 Abs. 1 GG nahe kommen kann. Apotheker werden zwar bei der Zulassung zur Hilfsmittelerbringung nur in einen Randbereich ihrer beruflichen Betätigung betroffen. Aber auch insoweit ist die Einschränkung der Berufsfreiheit nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig.
Es ist zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter wie der Gesundheit der Versicherten nicht geboten, alleine der Berufsgruppe der Orthopädietechniker die Versorgung mit Hilfsmitteln zu übertragen. Entscheidend ist nicht, wer die Versorgung durchführt, sondern wie die Versorgung durchführt wird.
Die Krankenkassen haben im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrages (vgl. § 70 SGB V) dafür zu sorgen, dass die Versorgung in der fachlich gebotenen Qualität und wirtschaftlich erfolgt. Die Gewährleistung der erforderlichen Qualität ist vor der Zulassung zu prüfen (§ 126 Abs. 1 S. 2 SBG V).
Das Bundessozialgericht hat dahinstehen lassen, ob die zwischen den Krankenkassenverbänden und dem Deutschen Apothekerverband abgeschlossenen Verträge über die Lieferung von Hilfsmitteln geeignet sind, die gebotene Qualität in allen Fällen zu gewährleisten. Denn dies stellt die grundsätzliche Berechtigung der Krankenkassen, derartige Verträge mit anderen Leistungserbringern als den Orthopädietechnikern abzuschließen, nicht in Frage.
Ein wesentliches Instrument zur Erreichung größtmöglicher Wirtschaftlichkeit in der Versorgung der Versicherten ist gerade der Wettbewerb unter verschiedenen Leistungserbringern. Die Zuerkennung einer Monopolstellung für eine bestimmte Berufsgruppe läuft dem zuwider; sie bedarf deshalb einer besonderen Rechtfertigung.
Für Apotheken hat der Gesetzgeber dagegen eine Monopolstellung bei der Arzneimittelabgabe in § 129 SGB V ausdrücklich vorgesehen. Es lässt sich aus dieser Monopolstellung, die den Apothekern bei der Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V zukommt, jedoch umgekehrt gerade nicht ableiten, dass auch für andere Leistungserbringer in ihrem traditionellen Berufsfeld ein Betätigungsmonopol und damit eine ausschließliche Vertragskompetenz besteht.
Bei der Regelung in § 129 SGB V handelt es sich um eine Sonderregelung, da der Gesetzgeber der Arzneimittelsicherheit und der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung einen besonders hohen Rang einräumt (vgl. auch § 1 Abs. 1 ApoG).
Hilfsmittel als Mittel zur Krankenpflege
Die Berechtigung der Apotheker auch zur Abgabe sonstiger apothekenüblicher Waren, insbesondere zur Abgabe von Mitteln zur Krankenpflege, ergibt sich aus § 25 ApBetrO. Bei der Beurteilung der Frage, welche sonstigen apothekenüblichen Waren von den Apotheken angeboten werden dürfen, sind die gesetzlichen Einschränkungen der Handwerksordnung zu berücksichtigen, denn das Leistungserbringerrecht hat den Vorrang des Berufs- und Gewerberechts zu wahren.
Ob ein Verstoß gegen das Handwerksrecht durch die Abgabe von Hilfsmitteln der Gruppe 2 tatsächlich vorlag, hat das Bundessozialgericht aus formalen Gründen offengelassen, weil es nicht Aufgabe der Kläger als Zusammenschlüsse selbständiger Handwerks-betriebe ist, etwaige Verstöße der Krankenkassen und anderer Leistungserbringer zu beanstanden.
Allerdings hatte diese Frage der BGH bereits mit dem Hinweis darauf verneint, dass es sich bei diesen Hilfsmitteln um "Mittel zur Krankenpflege" nach § 25 Nr. 2 ApBetrO handelt, die von der Apotheke auch in der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden können.
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