Arzneimittel und Therapie

Hepatitis C: Neue Behandlungsoption: pegyliertes Interferon-alfa-2a

Die Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit Hepatitis C sind unverändert limitiert, wobei der Hepatitis-C-Virus-Genotyp für die Prognose ebenso eine Rolle spielt wie die Erkrankungsdauer und die damit einhergehenden fibrotischen oder bereits zirrhotischen Veränderungen der Leber. Welche Patienten für eine medikamentöse Behandlung infrage kommen, muss sehr sorgfältig abgewogen werden, da die langdauernde Therapie aufgrund erheblicher Nebenwirkungen belastend ist. Ein bedeutender Fortschritt zeichnet sich mit dem pegylierten Interferon-alfa-2a ab, das mit einem verzweigten Polyethylengykolrest verknüpft ist und über eine längere Halbwertszeit verfügt.

Das durch Blut und Blutprodukte übertragene Hepatitis-C-Virus (HCV) wurde erst 1987 entdeckt – als entsprechende molekularbiologische Nachweisverfahren verfügbar waren. Damit hatte man den Erreger der Mehrzahl aller bisher als Non-A-Non-B-Hepatitiden bezeichneten chronischen Leberentzündungen identifizieren und eine routinemäßige Testung von Blutprodukten in die Wege leiten können.

Hohe Dunkelziffer

In Deutschland haben mehr als 3 Millionen Menschen eine Lebererkrankung, wobei diese am häufigsten durch eine Infektion mit dem Hepatitis-B- und -C-Virus verursacht wird. Bei 300 000 Patienten liegt bereits eine Leberzirrhose vor, an der pro Jahr 30 000 Menschen sterben; 5000 Todesfälle jährlich stehen im Zusammenhang mit einem Leberzellkarzinom. Aufgrund epidemiologischer Daten muss man davon ausgehen, dass mehr als 500 000 Personen in Deutschland eine chronische Hepatitis C haben. Doch nur etwa 30% dieser Infektionen sind diagnostiziert und weniger als 10% adäquat behandelt.

Von der akuten zur chronischen Hepatitis C

Die so hohe Dunkelziffer beruht in erster Linie darauf, dass die akute Hepatitis C bei der Mehrzahl der Betroffenen uncharakteristisch verläuft, weshalb klärende diagnostische Untersuchungen unterbleiben. Nach Infektionsbeginn gelingt es dem Immunsystem in weniger als 30% der Fälle, das Virus zu eliminieren, und es kommt zur Chronifizierung.

Auch bei Patienten mit chronischer Hepatitis C sind die am häufigsten angegebenen Beschwerden wie verstärkte Müdigkeit, verminderte Leistungsfähigkeit und rechtsseitiger Druck im Oberbauch recht unspezifisch und bieten somit keinen Anlass für eine Arztkonsultation. Und selbst wenn Patienten solche alltäglichen Befindlichkeitsstörungen dem Arzt gegenüber erwähnen, wird häufig keine gezielte Diagnostik veranlasst – selbst dann nicht, wenn die Leberwerte leicht erhöht sind. Erhöhte Leberwerte werden ohnehin immer noch als (alkoholbedingtes) Kavaliersdelikt abgetan, man spricht nicht groß darüber, lässt den Befund unter den Tisch fallen. Dabei kann die Verdachtsdiagnose "Hepatitis C" heute durch eine einfache Blutuntersuchung überprüft werden.

Die chronische Hepatitis C schreitet nur sehr langsam fort; nach 10 bis 30 Jahren hat sich bei 20 bis 30% der HCV-Infizierten eine Leberzirrhose entwickelt und nach 20 bis 40 Jahren wird bei 5 bis 15% ein Leberzellkarzinom diagnostiziert. Es ist also keineswegs ungewöhnlich, dass sich die Betroffenen über Jahre hinweg völlig gesund fühlen – und dann plötzlich mit der Diagnose eines massiven Leberschadens konfrontiert werden.

Risikokollektive für eine Hepatitis C

Zur Gruppe mit dem höchsten Risiko für eine Hepatitis-C-Infektion gehören i.v. Drogenabhängige sowie Personen, die vor 1992 Bluttransfusionen erhalten haben. Bei Dialysepatienten, Hämophilen und Homosexuellen besteht ebenfalls ein erhöhtes Risiko. Weiterhin kann es beim Tätowieren, beim Piercing und bei der Akupunktur zu einer Übertragung des HCV kommen, wenn diese nicht professionell durchgeführt werden; aber auch beispielsweise der Zahnbürsten- und Nassrasierertausch wird heute als Risikofaktor angesehen.

Die therapeutischen Möglichkeiten

Die Monotherapie mit Standard-Interferon, in die man anfänglich große Hoffnungen gesetzt hatte, enttäuschte hinsichtlich der Langzeitresultate, da die Rate langanhaltender Remissionen kaum 20% erreichte. Und diese beschränkte Wirksamkeit musste darüber hinaus mit schwerwiegenden Nebenwirkungen erkauft werden.

Ein weiteres Problem resultierte aus der nur kurzen Wirkdauer dieser Interferon-Präparate, die keinen anhaltenden antiviralen Effekt gewährleisten. Daher waren drei wöchentliche Injektionen erforderlich, welche die Compliance über 48 Wochen auf eine harte Probe stellten.

Erst durch die Kombination von Standard-Interferon mit Ribavirin konnten die Resultate verbessert werden: Doch unverändert war die Behandlung mit erheblichen Nebenwirkungen belastet – und ein anhaltendes Ansprechen war nicht einmal bei der Hälfte der Behandelten zu erzielen.

Verlängerte Wirkdauer durch Pegylierung

Die Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit Hepatitis C haben sich inzwischen jedoch deutlich verbessert, nachdem es gelungen war, die Verweildauer des Interferons nach der Injektion zu verlängern. Durch die Pegylierung, die Verknüpfung eines Interferonmoleküls mit einer linearen Polyethylenglykolkette (Peg-IFN-alfa-2b), konnte erstmals ein Retardeffekt erzielt werden. Diese verlängerte Wirkdauer war gleichbedeutend mit einer verbesserten antiviralen Aktivität.

Ein weiterer Fortschritt wurde mit der Entwicklung des pegylierten IFN-alfa-2a (vorgesehener Handelsname: Pegasys®) erzielt, das mit einem verzweigten Polyethylengykolrest verknüpft ist und über eine noch längere Halbwertszeit verfügt. In Studien war die Kombinationstherapie aus Peg-IFN-alfa-2a plus Ribavirin bei höherer Wirksamkeit besser verträglich als eine Standard-Kombinationstherapie.

Ein Vergleich der Serumkonzentrationen von Standard-alfa-IFN und Peg-IFN zeigt, dass anstelle schwankender Wirkstoffkonzentrationen nun konstante Wirkspiegel im therapeutischen Bereich vorliegen – und das mit nur einer Injektion pro Woche. Die europaweite Zulassung für Pegasys® wird gegen Ende des 2. Quartals 2002 erwartet.

Wann ist bei wem eine antivirale Therapie indiziert?

Da die Ansprechraten auf die Interferon-Therapie von Anfang an eine große Streubreite zeigten, war es naheliegend, dass verschiedene Prognosefaktoren das Outcome mitbestimmen. Vor allem der Genotyp des Hepatitis-C-Virus hat einen wesentlichen Einfluss auf das Therapieergebnis. Während Infektionen mit dem HCV-Genotyp 1 am schlechtesten ansprechen, profitieren die mit den Genotypen 2 und 3 Infizierten wesentlich rascher von der antiviralen Therapie, und bei einem beachtlich hohen Prozentsatz (80 bis 90%) der Patienten werden anhaltende Remissionen erzielt. Aber auch die Viruslast ist prognostisch bedeutsam: Ein Abfall der Viruslast um zwei Logarithmusstufen innerhalb der ersten vier Therapiewochen stellt einen unabhängigen positiven prädiktiven Faktor dar.

Ziel der Hepatitis-C-Diagnostik sollte es sein, jene Patienten zu identifizieren, die ein hohes Risiko für Komplikationen der chronischen Hepatitis C (Leberzirrhose und hepatozelluläres Karzinom) aufweisen. Eine individuelle Prognose hinsichtlich des Verlaufs lässt sich nur bei bekannter Infektionsdauer erstellen, wenn ein histologischer Leberbefund – mit Bestimmung von Aktivitätsgrad (momentane Entzündungsaktivität) und Fibrosestadium – vorliegt.

Behandlungsbedürftig sind also vor allem jüngere Patienten < 45 Jahre, die ein erhebliches Risiko haben, unbehandelt eine Zirrhose zu entwickeln; dasselbe gilt für jene Infizierten, die bereits fibrotische/zirrhotische Veränderungen aufweisen. Bei älteren Patienten ohne deutliche Entzündung und Fibrose in der Leberbiopsie wird man bei der Indikationsstellung für eine Therapie eher zurückhaltend sein, insbesondere wenn Begleiterkrankungen vorliegen.

Katentext: Vorteile durch Pegylierung

Mit "Pegylierung" wird die kovalente Bindung von Polyethylenglykol (PEG) an ein therapeutisches Protein bezeichnet. Weil Polyethylenglykole chemisch weitgehend inert sind und kaum eigene pharmakodynamische Eigenschaften besitzen, werden sie bereits seit langem z.B. als Antidot bei topischen Vergiftungen oder als Darmreinigungsmittel vor Koloskopien eingesetzt.

Seit Mitte der Achtzigerjahre spielen Polyethylenglykole eine zunehmende Rolle bei der galenischen Entwicklung neuer Arzneiformen zur Applikation therapeutischer Proteine oder schwer löslicher und schwer dosierbarer, stark wirksamer Arzneistoffe. Die Kopplung des rekombinanten Interferon-alfa-2a-Moleküls an Polyethylenglykol mit einem Molekulargewicht von 40 kD sorgt für länger anhaltende und ausgeglichenere therapeutische IFN-Plasmaspiegel.

PEG schützt das rekombinante Interferon-alfa-2a vor Proteolyse und verlängert so seine Plasmahalbwertszeit um das 10fache. Bis zur vollständigen Clearance von pegyliertem Interferon-alfa-2a aus dem Kreislauf vergeht mehr als eine Woche, sodass die Substanz nur einmal wöchentlich verabreicht werden muss.

Die Pegylierung lässt weitere Fortschritte insbesondere für Arzneimittel erwarten, deren wirksames Agens Proteine sind, die schnell durch Proteolyse im Körper abgebaut werden. Derzeit werden neue pegylierte Arzneistoffe aus den Enzymen Streptokinase, Asparaginase, Superoxid-Dismutase, aber auch aus Hämoglobin oder Tumornekrosefaktor gewonnen und therapeutisch erprobt.

Quelle

Dr. H. Hinrichsen, Kiel, Prof. Dr. C. Niederau, Oberhausen, Priv.-Doz. Dr. H. Weidenbach, Ulm, Journalistenworkshop "Heilungschancen für mehr Patienten – Fortschritte in der Hepatitis-C-Therapie", Basel, 11. April 2002, veranstaltet von der Firma Hoffmann-La Roche AG.

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