Arzneimittel und Therapie

Erektile Dysfunktion: Apomorphin als Therapieoption

Zur Behandlung der erektilen Dysfunktion (ED), früher als Impotenz bezeichnet, stehen heute effektive Medikamente zur Verfügung. Dennoch lässt sich feststellen, dass die erektile Dysfunktion immer noch ein unterdiagnostiziertes und unterbehandeltes Krankheitsbild ist. Welche Ursachen es dafür gibt und welche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse knapp ein Jahr nach der Einführung von Apomorphin in die Therapie vorliegen, war Thema eines Pressegesprächs in Berlin.

Daten zur Prävalenz

Die erektile Dysfunktion ist definiert als die Unfähigkeit des Mannes, eine für den befriedigenden Geschlechtsverkehr erforderliche Erektion zu erreichen oder aufrecht zu erhalten. Es handelt sich um eine Störung des komplizierten Zusammenspiels von Stimmungen, Nerven, Gefäßen und erektilem Gewebe mit unterschiedlichen Ursachen. Abzugrenzen ist die ED von Antriebsarmut als Folge eines Hormonmangels und den Ejakulationsstörungen.

Zahlreiche internationale Studien belegen, dass die Prävalenz der erektilen Dysfunktion zunimmt. Weltweit schätzt man die Zahl der an leichter oder mittelgradiger ED leidenden Männer auf 150 Millionen, in Europa sind es annähernd 30 Millionen, in Deutschland immerhin 1,22 Millionen Betroffene, wobei eine hohe Dunkelziffer vermutet wird. Erwartungsgemäß steigt die ED-Prävalenz mit dem Lebensalter an. In der "Massachussetts Male Aging Study" (MMAS, 1994) wurde nach Untersuchung von 1290 Männern im Alter zwischen 40 und 70 Jahren festgestellt, dass insgesamt 38% der 40-jährigen, jedoch 67% der 70-jährigen Männer eine Potenzstörung hatten.

In der Praxis zeigt sich außerdem, dass Erektionsstörungen häufig mit weiteren Erkrankungen wie Diabetes oder koronare Herzkrankheit vergesellschaftet sind. Nach den bisherigen Erfahrungen haben etwa 15% der Patienten mit erektiler Dysfunktion außerdem eine undiagnostizierte koronare Herzkrankheit, 40% der Erstdiagnose-Patienten weisen bereits Gefäßverschlüsse auf.

Sex beginnt im Kopf

Nach den bisherigen Erkenntnissen beginnt eine Erektion natürlicherweise im Hypothalamus, und zwar im Areal des Nucleus paraventricularis (NPV) und in Bereichen des medialen präoptischen Areals (MPOA). An deren Zustandekommen ist vor allem der Neurotransmitter Dopamin beteiligt, indem er erektogene Stimuli an diese Erektionszentren weiterleitet.

Im komplizierten Prozess der Entstehung einer Erektion können mild, moderat oder schwer ausgeprägte Störungen auftreten. Der Anteil der schweren Ausprägung, bei der die Erektionsfähigkeit praktisch vollständig erloschen ist, liegt bei weniger als einem Drittel. In ihren Auswirkungen auf das Wohlbefinden des Mannes unterscheiden sich die milden oder moderaten Störungen jedoch praktisch nicht von den schweren Formen. Man unterscheidet psychische, organische oder gemischte Ursachen der erektilen Dysfunktion.

Nach den Erfahrungen in der Praxis ist es für die Betroffenen oftmals belastender, wenn der Arzt nach ausführlicher Diagnostik eine psychogene Potenzstörung feststellt, weil es aus Sicht der Patienten keine "handfesten" Ursachen für ihr Problem gibt. Die psychogene Störung muss aber genauso ernst genommen werden wie die rein organogene oder die gemischte. Die Erfahrung zeigt auch, dass psychische Komponenten bei Potenzstörungen praktisch immer eine Rolle spielen. Dabei unterscheidet man zwischen den verursachenden und den reaktiven psychischen Faktoren. Letztere treten in Zusammenhang mit der Entstehung der erektilen Dysfunktion auf, können dann ein "Eigenleben" führen und daher auch nach Einsatz einer effektiven medikamentösen Behandlung nicht sofort wieder verschwinden.

Neue Therapieoption

Komplexe Erkrankungen wie die erektile Dysfunktion erfordern verschiedenartige Therapiemöglichkeiten. Eine neue Option besteht seit der Zulassung des Dopaminagonisten Apomorphin im Mai 2001. Die Substanz wird in der First-line-Therapie leichter bis mittelgradiger erektiler Dysfunktion eingesetzt. Apomorphin stimuliert als Dopamin-D2-Agonist die für das Zustandekommen der Erektion verantwortlichen Regionen im ZNS und steigert damit die Reaktion auf erektogene Stimuli. Nach Ablauf einer Reaktionskaskade, in der Stickstoffmonoxid (NO) und zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP) eine wichtige Rolle spielen, kommt es im Ergebnis zu einer Erschlaffung glatter Muskelzellen in den Corpora cavernosa und damit zu einer vermehrten Blutfüllung und Größenzunahme des Penis.

Umgehung des First-pass-Effekts

Apomorphin ist unter den Handelsnamen Uprima® und Ixense® als Sublingualtablette erhältlich. Diese Applikationsart hat den Vorteil, dass kein First-pass-Metabolismus stattfindet und auch eine gleichzeitige Nahrungsaufnahme nicht interagiert. Wichtig für die Anwendung ist aber zu wissen, dass der Patient die Sublingualtablette etwa 10 Minuten lang unter der Zunge zergehen lassen muss. Günstig ist, den Mund vorher mit einem kleinen Schluck Wasser etwas anzufeuchten. In der Apotheke sollte bei der Abgabe ausdrücklich darauf verwiesen werden, dass die Tablette absolut unwirksam ist, wenn sie gekaut oder gelutscht wird.

Der Wirkungseintritt erfolgt sehr schnell, bei den bisherigen Untersuchungen mit Apomorphin hatte sich durchschnittlich nach 18 bis 19 Minuten eine Erektion ausgebildet. Die Wirkdauer lag zwischen zwei und drei Stunden. Dieses relativ große Wirkfenster ermöglicht es, die natürliche sexuelle Spontaneität zu erhalten. So hat das Paar vor dem Geschlechtsverkehr beispielsweise noch Zeit für ein stimmungsvolles Essen. Der Patient muss ebenfalls wissen, dass Apomorphin kein Aphrodisiakum ist. Für die Wirkung ist unbedingt eine sexuelle Stimulation notwendig, sei es durch die Vorstellungskraft, durch audiovisuelle, taktile oder olfaktorische Reize.

Größere Effektivität nach wiederholter Einnahme

Bei Erektionsproblemen, die möglicherweise schon über Monate oder gar Jahre andauern, sollte der Patient nicht erwarten, dass nach Einnahme einer Apomorphin-Sublingualtablette all seine Probleme schlagartig gelöst sind. In der Apomorphin-Therapie hat sich gezeigt, dass der Behandlungserfolg einer sogenannten "Lernkurve" folgt. Das bedeutet, dass die Erfolgsrate mit der Anzahl der Therapieversuche zunimmt.

Eine plazebokontrollierte Cross-over-Studie an 310 Patienten hat gezeigt, dass nach der ersten Einnahme von 3 mg Apomorphin etwa jeder zweite Patient erfolgreich einen Geschlechtsverkehr durchführen konnte, nach der vierten knapp 70%, ab der sechsten Tabletteneinnahme war dies 73% der Patienten möglich. Das heißt für die Praxis, dass die Patienten mindestens vier Versuche einer sublingualen Einnahme mit gleichzeitiger sexueller Stimulation vornehmen sollten, ehe ein Urteil über die Wirksamkeit gefällt wird. Wichtig ist auch eine ausreichende Dosierung. Patienten, die auf eine 2-mg-Dosierung nicht genügend ansprachen, kamen oft mit 3 mg Apomorphin problemlos zum Erfolg. Von großer Bedeutung für den Erfolg der Therapie der erektilen Dysfunktion ist die Einbeziehung der Partnerin in die Aufklärung und Therapiebegleitung des Patienten.

Gute Verträglichkeit

Apomorphin zeichnet sich durch eine gute Verträglichkeit aus. In den bisherigen klinischen Studien waren keine Todesfälle oder Herzattacken als Nebenwirkung festgestellt worden. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählten Übelkeit, Kopfschmerzen und Schwindelgefühl, die aber moderat verliefen und mit der Anzahl der Anwendungen abnahmen.

Ein weiterer Vorzug von Apomorphin besteht darin, dass die Substanz auch von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen eingenommen werden kann. Eine gleichzeitige Einnahme von nitrathaltigen Medikamenten oder Antihypertensiva ist keine Kontraindikation. Gegenanzeigen sind lediglich schwere instabile Angina pectoris, kürzlicher Myokardinfarkt, schwere Herzinsuffizienz, Hypotonie sowie Erkrankungen, die eine sexuelle Aktivität nicht ratsam erscheinen lassen. Eine Langzeittherapie führt nach bisherigen Erkenntnissen nicht zu einem Wirksamkeitsverlust. Man hat festgestellt, dass auch nach 18-monatiger Apomorphin-Therapie die Wirkung unvermindert anhält.

Potenzstörungen – noch immer ein Tabu?

Trotz der Fortschritte in der medikamentösen Therapie der erektilen Dysfunktion wird die Erkrankung nach Ansicht von Experten noch nicht adäquat behandelt. Die Hauptursache liegt in einer großen Sprachlosigkeit aller Beteiligten – der betroffenen Männer, ihren Partnerinnen, den Ärzten und Psychologen. Dazu kommt, dass sexuelle Störungen gesellschaftlich noch nicht in ausreichendem Maße als legitime Gesundheitsprobleme anerkannt sind. Es ist daher auch dringend geboten, noch vorhandene alte Mythen abzubauen. Obwohl die Patienten durch die Berichterstattung in den Medien über neue Therapiemöglichkeiten mutiger geworden sind, trauen sich nur 20 bis 30%, ihren Arzt daraufhin anzusprechen. Auch bei den Ärzten besteht anscheinend eine große Hemmschwelle, denn nur 20 bis 30% von ihnen sprechen ihre Patienten – selbst bei Vorliegen von Risikofaktoren – auf dieses Thema hin an.

Es bleibt zu hoffen, dass diese Sprachlosigkeit bald überwunden wird, da eine befriedigende Sexualität nicht nur zum Wohlbefinden des Mannes und seiner Partnerin beiträgt, sondern unbehandelte sexuelle Störungen zu zahlreichen Folgeerkrankungen, wie beispielsweise psychosomatischen Beschwerden und Depressionen, sowie beruflichen und sozialen Problemen führen können.

Kastentext: Häufigste Ursachen der erektilen Dysfunktion

organogen

  • Durchblutungsstörungen, z.B. bei Diabetes mellitus oder Arteriosklerose
  • KHK oder Herzinsuffizienz
  • Nervenschädigungen, z.B. nach Operationen im kleinen Becken, als Folge eines Unfalls oder bei erhöhtem Alkoholkonsum
  • Fehlbildungen oder Verletzungen des Penis
  • Hormonstörungen, z.B. Testosteronmangel

psychogen

  • Angst
  • Stress
  • Depression

Quelle

Dr. med. Alexander von Keitz, Marburg, Prof. Dr. Jeremy Heaton, Kingston, Kanada, Prof. Dr. Uwe Hartmann, Hannover, Pressegespräch "Potenzstörungen - vom Kopf gesteuert", Berlin, 9. April 2002, veranstaltet von der Abbott GmbH.

Komplexe Erkrankungen wie die erektile Dysfunktion erfordern verschiedenartige Therapiemöglichkeiten. Seit der Zulassung des Dopamin-D2-Agonisten Apomorphin im Mai 2001 steht eine weitere Option zur Verfügung. Die Substanz wird in der First-line-Therapie einer leichten bis mittelgradigen erektilen Dysfunktion eingesetzt. Die Applikationsart Sublingualtablette hat den Vorteil, dass kein First-pass-Metabolismus stattfindet und auch eine gleichzeitige Nahrungsaufnahme nicht interagiert. 

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