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Versandhandel mit Arzneimitteln: Überzogene Erwartungen, Gefahr von Fälschunge
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Herr Dr. Kluthe, die Rechtslage ist eindeutig. Der § 43 des Arzneimittelgesetzes (AMG) verbietet den Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Dennoch versuchen interessierte Kreise, dieses Gesetz aufzuweichen. Wie ist die Position des Unternehmens, in dem Sie tätig sind?
Kluthe:
Ganz klar: Bayer sagt Nein zum Versandhandel. Denn aus unserer Sicht bedeutet Versandhandel schlichtweg "Rosinenpickerei". Der Versender beschränkt sich auf die lukrativsten 300 bis 500 Präparate. Der "normale" Apotheker hingegen hat alle 42 000 Medikamente vorrätig, unterhält ein Labor, fertigt Rezepturen nach ärztlichen Vorschriften an und muss regelmäßig Nacht- und Notdienst leisten. Das entfällt für DocMorris und Co. Mit fairem Wettbewerb hat das nichts zu tun.
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Angeblich, so die Bundesregierung, sind Internetbestellungen für viele Patienten verlockend wegen des geringen Zeitaufwands und der Zustellung nach Hause. Wie stellt sich dies aus Ihrer Sicht dar?
Kluthe:
Da sind wir voll auf der Apothekerlinie. Die Patienten können schon heute über das Internet jedes Arzneimittel bestellen – zum Abholen am gleichen Tag in ihrer Apotheke um die Ecke. Beim Versandhandel wissen sie nicht: Kommt das Präparat heute, morgen oder erst nächste Woche und sie haben das Risiko der Falschlieferung.
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Was können Sie dem Argument entgegenhalten, durch Internetversand Milliarden Einsparungen zu erzielen?
Kluthe:
Die Erwartungen sind weit überzogen. Ich rechne mit Einsparungen von zwei bis drei Prozent bei Arzneimitteln – das heißt mit 0,2 bis 0,3 Prozent Einsparungen im Gesundheitswesen. Dafür lohnt es sich nicht einen Großteil der 135 000 Arbeitsplätze in Deutschlands Apotheken aufs Spiel zu setzen, inklusive deren Wertschöpfung und Steueraufkommen. Außerdem ist es Tatsache, dass die deutschen Arzneimittelpreise innerhalb der 15 EU-Länder erst an 11. Stelle stehen.
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Sie sprachen das Risiko einer Falschlieferung an. Und wie sehen Sie aus Sicht der Industrie das Risiko von Fälschungen?
Kluthe:
Solche Risiken sind natürlich nicht auszuschließen. Ich selbst habe bei einem Testkauf im Internet ein angebliches Bayer-Präparat, in diesem Fall Lefax, bestellt. Geliefert wurde eine finnische Kautablette mit holländischem Kurzbeipackzettel und in falscher Dosierung. Hierzu kam noch ein scheußlicher Geschmack – ich konnte die Tablette nicht schlucken.
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Wie sieht eigentlich die Frage der Haftung aus? Wer haftet für Falschlieferungen und Fälschungen?
Kluthe:
Natürlich der Versender. Aber versuchen Sie mal den zu belangen – vor allem wenn er im Ausland sitzt.
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Die Firma Bayer hat bekanntlich schon gerichtliche Schritte gegen die niederländische Versandapotheke unternommen. Wie ist das Verfahren ausgegangen?
Kluthe:
Ja wir sind aktiv gewesen und haben sowohl beim Landgericht Frankfurt als auch beim OLG erwirkt, dass DocMorris in Deutschland keine Medikamente der Fa. Bayer Vital GmbH anbieten und vertreiben darf. Da sich der Versender hieran nicht gehalten hat, hat das LG Frankfurt DocMorris mit einem Ordnungsgeld von 50 000 Euro belegt.
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Unternehmen Sie weitere Schritte?
Kluthe:
Rechtlich haben wir alle Mittel ausgeschöpft und es ist zu unseren Gunsten entschieden worden. Bis zu einer anderslautenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs und der entsprechenden Umsetzung ins deutsche Recht werden wir uns weiterhin aus den von mir genannten Gründen gegen den Versandhandel aussprechen. Wie der EuGH entscheiden wird, weiß übrigens keiner.
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Vielen Dank für das Gespräch!
Nachdem es anfangs so aussah, als ob hinter der Empfehlung des Runden Tisches, den Versandhandel in Deutschland einzuführen, auch die Pharmaindustrie stehe, scheint die "Front" nun zu bröckeln. Pharmaverbände und auch einzelne Firmen distanzieren sich mehr und mehr von der Vorstellung, ein Versandhandel mit Arzneimitteln könnte in Deutschland irgendwelche positiven Effekte haben. Wir sprachen mit Dr. Klaus Kluthe Geschäftsbereichsleiter Consumer Care der Bayer Vital GmbH.
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