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Aktuelle Stunde im Bundestag: Wahlkampfthema Zweiklassenmedizin
Die von der SPD und den Grünen einberufene aktuelle Stunde fiel auf den 13. Juni, den Geburtstag Ulla Schmidts – so mangelte es zu Beginn der jeweiligen Reden nicht an Glückwünschen für die Ministerin. Ebenso fanden fast alle Redner wohlwollende Worte für den in die aktive Politik zurückgekehrten Seehofer – wenngleich er nicht im Bundestag zugegen war.
Doch nach sanfter Einleitung folgten harte Anschuldigungen. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium Gudrun Schaich-Walch (SPD) warf der Union vor, durch die Einführung von Wahltarifen und Selbstbehalten, die "Axt im Walde" anzulegen. Nur junge und gesunde Versicherte ohne Kinder würden sich für Selbstbehalttarife entscheiden und Leistungen abwählen – die Folge, so Schaich-Walch: "Den Krankenversicherungen werden circa 6 Milliarden Euro fehlen, mit denen Sie bisher chronisch Kranke, Alte und Familien versorgen konnten."
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Regina Schmidt-Zadel fügte hinzu, die Union leite mit ihrem Wahlprogramm den "Einstieg in den Ausstieg aus dem Solidarsystem ein", Beschwörungen auf das Solidarprinzip seien lediglich "Lippenbekenntnisse". Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses Klaus Kirschner, ebenfalls SPD, erklärte Selbstbehalte und Wahltarife gar als "Sargnägel für die solidarische Krankenversicherung".
Billigmedizin nur für Kassenpatienten
Wolf Bauer von der CDU/CSU-Fraktion erklärte im Gegenzug, der Regierung fehle "nicht mehr viel, bis zum Erreichen einer Zweiklassenmedizin". So sei es ein "Unding, dass die Billigmedikamentpflicht nur für Kassenpatienten gelten soll". Zudem hielt er Schmidt vor, den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kürzen zu wollen, indem sie besondere Leistungen wie Mutterschaftsgeld, Kosten der künstlichen Befruchtung oder Kranken- und Sterbegeld ausgliedern wolle.
Auch Bauers Fraktionskollege Ulf Fink sieht die Zweiklassenmedizin kommen. Im Arzneimittelbereich sei sie bereits Realität, Beispiel: der Einsatz moderner Neuroleptika bei an Schizophrenie Erkrankten. Dieser mache in Spanien 20 Prozent aus, in Italien 40 Prozent, in den USA 60 Prozent und in Deutschland bei den gesetzlich Krankenversicherten lediglich 10 Prozent.
Irmgard Schwaetzer (FDP) griff zudem die von der Regierung in die Wege geleiteten Disease-Management-Programme an: Zwar sei es richtig, die Versorgung chronisch Kranker zu verbessern, doch der von SPD und Grünen gewählte Ansatz sei verfehlt, da er zu viel Bürokratie verursachen werde.
Kennzeichen der gegenwärtigen Gesundheitspolitik sei, dass sie nicht die Selbstverantwortung der Menschen stärke, sondern immer neue Institutionen mit mehr Bürokratie aufbaue, erklärte Schwaetzer. Auch die Budgetierungspolitik sei ein Irrweg, wenn Patienten letztlich Leistungen vorenthalten würden, weil die Budgets ausgeschöpft sind.
Die Gesundheitsexpertin der PDS-Fraktion, Ruth Fuchs, sparte zwar ebenfalls nicht an Kritik an der Regierung – doch die Ideen der Union und der FDP stoßen bei ihr auf noch weniger Gegenliebe: den Versicherten "mehr Gestaltungsspielraum geben" höre sich zwar "verführerisch" an – in Wahrheit bedeute dies jedoch erneut steigende Zuzahlungen und die Einführung von Selbstbehalten.
Was sich die Parteien auch vorhielten: Beide Seiten zeigten sich siegessicher, dass die Wählerinnen und Wähler sich an die verfehlte Politik des jeweils anderen erinnern werden. Es ist offenkundig: Die heiße Phase des Wahlkampfsommers hat begonnen.
Kaum hatte Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) in der vergangenen Woche Horst Seehofer (CSU) in sein Kompetenzteam einberufen, waren die ersten Äußerungen des Ex-Gesundheitsministers zum Umbau der Sozialversicherungssysteme und der Gesundheitsversorgung Gegenstand einer aktuellen Stunde im Bundestag. Regierung und Opposition warfen sich gegenseitig vor, eine Zweiklassenmedizin etablieren zu wollen. Die Regierungsparteien erklärten Seehofers ehemalige Gesundheitspolitik für gescheitert – das gleiche hielten CDU/CSU und FDP Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt vor.
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