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- DAZ 27/2002
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Die Seite 3
Post von der Ministerin! Ulla Schmidt höchstpersönlich ließ zum Stift greifen und den sehr geehrten Apothekerinnen und Apothekern einen Brief schreiben. Sie schickte ihn zeitgerecht – noch bevor sie Post von uns bekommt: nämlich rund 4 Millionen Unterschriften besorgter Bürgerinnen und Bürger, die sich die Apotheke auch weiterhin so wünschen wie sie ist, ohne Arzneiversandhandel, ohne Apothekenketten und mit der direkten Ansprache einer Apothekerin oder eines Apothekers.
Nach dem Lesen der ersten Zeilen des Briefes konnte man einen Hauch Hoffnung spüren: Hat die Ministerin noch einmal über alles nachgedacht und sieht sie vielleicht sogar ein, dass Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland nichts bringt, weil sie unsere Sorgen ernst nimmt, wie sie schrieb? Doch diese Hoffnungen werden beim Weiterlesen jäh zerstört. Mit kalter Ignoranz und Überheblichkeit schiebt sie unsere Argumente und Sorgen beiseite: unsere Beunruhigung bestehe ja nur auf fehlenden bzw. unzureichenden Informationen. Und die richtigen Infos liefert sie dann gleich mit: Der Arzneiversandhandel sei in weiten Teilen Europas geltende Praxis – leider falsch, Frau Ministerin. Weiter: deutsche "Sonderregelungen" beim Arzneivertriebsweg würden in der EU nicht mehr aufrecht zu erhalten sein – auch das ist falsch, Frau Ministerin.
Die im Anschluss daran folgenden Hinweise zu den Empfehlungen des Runden Tisches, auf die sie so stolz ist, bringen uns da nicht weiter, denn sie bauen auf einer falschen Ausgangslage auf. Vielleicht merkte sie, dass diese Argumente nicht sonderlich ziehen, weshalb sie ihre Ministerkarte zog: "Ich beabsichtige, in der kommenden Legislaturperiode diese Rahmenbedingungen für eine behutsame Einführung des elektronischen Handels einschließlich Versandhandels mit Arzneimitteln umzusetzen."
Bravo, Frau Ministerin – nur, Sie haben da einen kleinen Zusatz vergessen, nämlich: wenn Ihre Partei wieder regieren darf und wenn der nächste Kanzler Sie wieder zur Gesundheitsministerin macht. Und da schau'n mer mal.
Fast wie Hohn wirkt das Verständnis, das die Ministerin unseren angeblichen Ängsten gegenüber der modernen Technik entgegen bringt. Ich denke, da können wir Frau Schmidt beruhigen. Allein die Umsetzung ihrer sinnlosen Aut-idem-Regelung verlangte mehr Verständnis für die Software und Technik als es ein Versandhandel jemals fordern könnte. Nicht zuletzt diese Unkenntnis der Anforderungen an einen modernen Apothekenbetrieb trägt dazu bei, dass das Vertrauen in das Ministerium dahin ist, und erst recht, seit Krankenkassen wie BKK oder GEK ungehindert das Recht brechen dürfen.
Wenn Ulla Schmidt in ihrem Brief schreibt, dass gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Apotheken gelten sollen, dass keine Rosinenpickerei von Versandapotheken stattfinden dürfe, dass Kassen nur erstatten dürfen, wenn die Versandapotheken Qualitätsanforderungen erfüllen und dass der Patient von der Kasse nicht beeinflusst werden darf, bei Versandapotheken zu bestellen – dann liest sich das schön, aber glauben kann ich es nicht. Zumal Verstöße nur schwer überprüfbar wären und die Kassen sowieso tun und lassen, was sie wollen. Nein, Frau Schmidt, dieser Brief ist unpassend und Sie hätten ihn besser nie schreiben lassen – es wäre ehrlicher gewesen.
Unpassend erscheint mir aber auch ein anderer Brief, den unsere liebe Berufsvertretung an die Pharmaindustrie verschickte. Bestückt mit einem Fragebogen mit drei einfachen Ja/Nein-Antworten soll die Industrie Farbe bekennen, ob sie für oder gegen den Versandhandel ist. Die Ergebnisse wolle man dann allen interessierten Apothekerinnen und Apothekern, so die ABDA in diesem Brief, in einem nur der Fachöffentlichkeit zugänglichen Teil des Aponets zur Verfügung stellen. Wie pfiffig ausgedacht: die Industrie solle sich doch bitte in gute oder schlechte Unternehmen einteilen und sich gegebenenfalls selbst an den Pranger stellen ..., damit man weiß, mit wem man zusammenarbeiten kann und mit wem nicht.
Von diesem Brief bekam – unpassender Weise – auch der Spiegel Wind. Er interpretierte das Interesse der Apotheker zu wissen, welches Pharmaunternehmen die Apotheker im Kampf gegen den Versandhandel unterstützt, dahingehend, dass dies auch als Drohung verstanden werden könnte – womit das Magazin wohl nicht ganz unrecht hat.
Apropos Spiegel: Wie vorher gesagt, spießte das Magazin unter der Überschrift "Lauschiger Abend" auch den Fortbildungskongress der Bundesapothekerkammer in Palma de Mallorca auf, bei dem die Funktionäre den Teilnehmern versprechen, sich "auf einen lauschigen Spätsommerabend auf Mallorca" freuen zu dürfen. Den "Luxustrip" auf die Insel verknüpft der Spiegel mit dem "satten Plus", den die Umsätze vom vergangenen Jahr den Apothekern bescheren – trotz Sparpaket von Ulla Schmidt und der verordneten Aut-idem-Regelung. Und genau diese Regelung ist es, so meint der Spiegel, die die Pharmaindustrie veranlasst, die Apotheker zu umgarnen, um mit abenteuerlichen Rabatten ihre Produkte in die Regale zu drücken. Es folgen Beispiele von Naturalrabatten wie 3 + 1 oder 2 + 1, eine Rabattschlacht, so der Spiegel, die zeige, wie viel Luft im System sei, nämlich rund 400 Mio. Euro, wie die Krankenkassen schätzen. Wir werden uns noch auf einige Angriffe einstellen müssen.
Peter Ditzel
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