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Disease-Management-Programme: Chronikerprogramme können starten
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt verspricht sich von den strukturierten Behandlungsprogrammen "den Durchbruch zu mehr Qualität in der gesundheitlichen Versorgung". Die seit dieser Woche geltende Risikostruktur-Ausgleichsverordnung regelt die Anforderungen, die DMP erfüllen müssen, um durch das Bundesversicherungsamt (BVA) zugelassen zu werden.
Ab sofort können die einzelnen Kassen ihre DMP-Pläne einreichen. Werden diese vom BVA zertifiziert, kann in die Verhandlungen mit den Ärzten eingetreten werden. So werde sichergestellt, dass nur qualitativ hochwertige Programme angeboten werden können, erklärte Schmidt. Die Teilnahme sei freiwillig und der Datenschutz gewährleistet. Die Ministerin betonte, die Weitergabe von Daten an die Krankenkassen hänge von der jeweiligen Zustimmung der Patienten ab. Im Vorfeld scheiterten die Verhandlungen zwischen KBV und Krankenkassen, in denen für die Datenfrage nach einer bundeseinheitliche Lösung gesucht wurde. Nun wird das Problem auf die regionale Ebene verlagert: Die Kassen und Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder bzw. Ärztenetze müssen ihre Verträge einzeln aushandeln.
Schmidt: Versorgungsdefizite werden abgebaut
Für Schmidt sind die DMP ein entscheidender Schritt in Richtung sektorübergreifende Versorgung: Mit dem "Hausarzt als Lotsen" könne die Behandlung nun koordiniert zwischen ambulanter, stationärer und ggf. rehabilitativer Versorgung erfolgen. "Die jahrelang beklagten Defizite in der Diabetikerversorgung und bei der Behandlung von Brustkrebs werden nun endlich der Vergangenheit angehören", erklärte die Ministerin. Im Laufe des Jahres sollen die Empfehlungen für Diabetes mellitus Typ 1, koronare Herzkrankheiten und chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen folgen.
Die Therapiegrundsätze beruhen auf Empfehlungen des Koordinierungsausschusses, einer Arbeitsgemeinschaft der Spitzenorganisationen der Ärzte, Krankenkassen und Krankenhäuser. Aus dem Bundesministerium für Gesundheit heißt es, diese Empfehlungen stellten den aktuellen Stand des Fachwissens dar und würden laufend aktualisiert. Sie seien als Orientierungshilfen für Ärzte zu verstehen und sollten nicht die individuelle Entscheidung des behandelnden Arztes im Einzelfall ersetzen.
Union: veraltete Therapie-Empfehlungen
Das sieht so mancher Kritiker anders: Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Wolfgang Lohmann ist der Auffassung, die Versorgungsqualität Diabetes- und Brustkrebskranker werde sich verschlechtern statt verbessern, weil bereits erreichte Behandlungsstandards gefährdet seien. Der Koordinierungsausschuss habe sich bei seinen Empfehlungen auf Studien vor allem aus den siebziger Jahren gestützt, die in den Neunzigern veröffentlich wurden – moderne Arzneimittel und Therapien seien fast nicht untersucht und in die Leitlinien einbezogen worden, so Lohmann.
Darüber hinaus missfällt der Union die Kopplung der DMP an den Risikostrukturausgleich (RSA): Dies werde die Kassen dazu verleiten, möglichst viele chronisch Kranke in die Versorgungsprogramme aufzunehmen, dabei wenig Geld für sie auszugeben und im Gegenzug viel Geld aus dem Finanzausgleich abzuschöpfen.
VFA: "Ministerin geht auf Qualitätsbremse"
Auch Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), hält die Programme "noch für erheblich überarbeitungsbedürftig". Sie fürchtet, Leitlinienmedizin im Rahmen der DMP könne zu einer Innovationsbremse werden: bei einer engen Auslegung der Kriterien evidenzbasierter Medizin, gelte für die Verordnungsfähigkeit von Medikamenten ein Nutzennachweis in Langzeitstudien. "Dies führt zu einem systematischen Ausschluss innovativer Arzneimittel aus dem Therapiespektrum von DMP", so Yzer.
AOK weist Kritik zurück
Unterstützung erhält Schmidt seitens einiger Krankenkassen, etwa der AOK. Sie spricht vom 1. Juli gar als "historischem Datum für die Entwicklung der medizinischen Versorgung". Sie steht hinter den Therapieempfehlungen und kritisierte die "durchsichtigen Versuche von Teilen der Pharmaindustrie und ihr nahestehender Organisationen und Einzelpersonen gegen die neuen Behandlungsprogramme Front zu machen". Auch das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt sei durch die Erhebung von Daten nicht gefährdet.
Doch nicht alle Kassen teilen die Begeisterung für die DMP – und das sind nicht nur die Betriebskrankenkassen. Auch die Techniker Krankenkasse hat ihre Bedenken. Zwar zweifelt man nicht daran, dass Chronikern bessere Therapien zukommen müssen – doch die Verknüpfung mit dem RSA sieht man auch hier als unheilvoll.
Die rechtlichen Voraussetzungen für den Start der Disease-Management-Programme (DMP) für Diabetes mellitus Typ 2 und Brustkrebs sind erfüllt: Die hierzu nötige Verordnung ist am 1. Juli in Kraft getreten. Krankenkassen und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) wurden sich allerdings bis zum Schluss nicht einig, welche Patientendaten den Kassen zur Verfügung gestellt werden. Auch seitens der Opposition und der Pharmaindustrie stießen die Chroniker-Programme auf Kritik.
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