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Berichte
Anwendungsbeobachtungen untermauern Phytotherapie bei Kindern
Eltern kranker Kinder wünschen häufig pflanzliche Präparate
Mehr als drei Viertel der Klientel einer durchschnittlichen Kinderarztpraxis kommt wegen Symptomen wie Schnupfen, Husten oder Hals- und Ohrenschmerzen, die eine Folge banaler Infekte – etwa akuter Atemwegsinfekte – sind. Gegen diese meist durch Viren verursachten Erkrankungen steht keine kausale Therapie zur Verfügung.
Unspezifische Beschwerden des Magen-Darm-Traktes und psychovegetative Beschwerden, die sich beim Ess- und Schlafverhalten bemerkbar machen, sind ein weiterer großer Anteil der zu behandelnder Beschwerden. Gerade für solche Fälle genießen in der Kinderpraxis Phytotherapeutika als wirksame, verträgliche und weitgehend unschädliche Arzneimittel ein besonders hohes Vertrauen – oft werden sie ausdrücklich gewünscht. Dies schlägt sich natürlich in der Akzeptanz der Therapie und der Compliance positiv nieder. Sollte ihre Anwendung auf Grund der Arzneimittel-Richtlinien aus dem Jahre 1994 in Zukunft in Frage gestellt sein?
Langjährige Erfahrungswerte oft vorhanden
Von einigen Phytopharmaka für die in der kinderärztlichen Praxis gängigen Indikationen wie
- Erkältungskrankheiten,
- fieberhafte Infekte,
- Bronchitis,
- dyspeptische Beschwerden bei funktionellen und motilitätsbedingten Magen-Darm-Störungen,
- Einschlafstörungen und
- depressive und psychovegetative Störungen
liegen jetzt neue ausgiebige Anwendungsbeobachtungen an einer großen Zahl von Kindern unterschiedlicher Altersstufen (bis 3 Monate, bis 1 Jahr, 1 bis 3 Jahre, 3 bis 6 Jahre, 6 bis 12 Jahre) vor.
Da aus ethischen Gründen keine klinischen Studien an Kindern erlaubt sind und da es sich bei den fraglichen pflanzlichen Medikamenten um traditionell angewendete Mittel handelt, akzeptiert das BfArM für deren Zulassung bei Kindern Anwendungsbeobachtungen. (Die von Dorsch, Schilcher et al. seinerzeit für 110 Drogen auf das Körpergewicht und die Körperoberfläche von Kindern verschiedener Altersstufen umgerechneten "Kinderdosierungen", die in Modellstudien und Anwendungsbeobachtungen bei 110 niedergelassenen Pädiatern auch großteils bestätigt werden konnten, wurden jedoch vom Gesetzgeber nicht akzeptiert.)
Pflanzliche Broncholytika und Immunmodulatoren erfolgreich
Eine Kombination von Auszügen aus Primelwurzel und Thymian (Phytobronchin) wurde in unterschiedlichen Darreichungsformen (Saft, Tropfen, Lutsch- und Filmtabletten) an insgesamt 3963 Kindern mit Erkältungskrankheiten der oberen Luftwege geprüft. Der Therapieerfolg wurde überwiegend als sehr gut bis gut bewertet, die Medikation erwies sich als sehr gut verträglich. Lediglich bei der Einnahme der Filmtabletten wurde bei 1% der Studienteilnehmer Übelkeit beobachtet.
Mehr als 1000 Kinder unter 12 Jahren mit akuter Bronchitis wurden mit einer Kombination aus Thymian- und Efeublätterextrakt (Bronchipret) behandelt; dabei war der Behandlungserfolg gegenüber Vergleichsgruppen, die chemisch-synthetische Expektoranzien wie Acetylcystein, Ambroxol oder Bromhexol erhielten, praktisch gleichwertig und war außerdem nicht von Nebenwirkungen begleitet. Die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit einer solchen Therapie wurde somit belegt.
Eine sehr große Studie wurde mit dem Komplex-Arzneimittel Contramutan durchgeführt. An 3751 Kindern in drei Altersklassen (Säuglinge bis 12 Monaten, Kleinkinder von 1 bis 6 Jahren, Kinder von 6 bis 12 Jahren) mit fieberhaften grippalen Infekten wurde der Erfolg einer 7-tägigen Behandlungsdauer dokumentiert. Es kam zu einer schnellen Rückbildung der Symptome Halsschmerzen, Schnupfen und Fieber. Bei gleichzeitiger Gabe von Paracetamol war die Fieber-Senkung nicht eklatant deutlicher. Die gute Verträglichkeit konnte auch an diesem Kollektiv gezeigt werden.
Anwendungsbeobachtung über 22 Jahre
Eine sehr umfangreiche Dokumentation wurde zur Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Iberogast (Auszüge aus Iberis amara, Kamille, Kümmel, Pfefferminze, Süßholz u. a.) bei Kindern mit dyspeptischen Beschwerden (funktionell und Motilitäts-bedingt) vorgelegt. Über 22 Jahre lang (von 1975 bis 1997) wurden die Behandlungsergebnisse an 41 000 Kindern in vier Altersgruppen beobachtet, nach vorgegebenen Wirksamkeitskriterien beurteilt und unerwünschte Arzneimittelwirkungen erfasst. Bei 42% der Kinder wurde die Wirksamkeit von den behandelnden Ärzten als sehr gut beurteilt, bei 45% als gut. Es gab keine Berichte von unerwünschten Arzneimittelwirkungen.
Sedierung und Stimmungsaufhellung
Die klassischen pflanzlichen Präparate auf dem Psychosektor mit Baldrian-, Melissen- oder Johanniskrautauszügen spielen eine erhebliche und gut akzeptierte Rolle in der Haus- und Kinderarztpraxis. Sie können für leichtere Störungen im Kindes- und Jugendlichenalter, die sich als Verhaltensauffälligkeiten, Unruhezustände und Schlafstörungen äußern, unbedenklich angewendet werden, wie 3 Anwendungsbeobachtungen über 4 bis 6 Wochen mit Sedonium an 91 Kindern, Euvegal forte (918 Kinder) und Jarsin an 101 Kindern bestätigen konnten. In nur einem Fall wurde mit Sedonium eine Morgenmüdigkeit als Nebenwirkung beobachtet, die sich bei Reduzierung der Dosis normalisierte.
Erste Johanniskrautstudie an Kindern
Die Studie mit einem Johanniskrautpräparat (Jarsin) war die erste Anwendungsbeobachtung an Kindern mit milden bis moderaten Depressionssymptomen. Für Kinder sind die für Erwachsene üblichen Depressionsbeurteilungsskalen nicht gültig. Es wurden daher Symptome wie Konzentrationsstörungen – bei 90% der Probanden häufigstes, aber auch behandlungsresistentestes Symptom –, Antriebslosigkeit (bei 44%), Niedergeschlagenheit (61%), Nervosität (82%), Schlafstörungen (75%), Irritierbarkeit (72%), Erschöpfungszustände (59%) oder Lust- bzw. Teilnahmslosigkeit (64%) von Ärzten und Eltern separat beurteilt. Die durchschnittlich verabreichte Dosis lag bei 300 mg Trockenextrakt pro Tag, die maximale Dosis in Einzelfällen bei 900 mg/d.
Nach 2, 4 und 6 Wochen wurde ein "guter" bzw. "hervorragender" Behandlungserfolg von 72% bzw. 97% bzw. 100% der Ärzte angegeben, die Elternbeurteilung fiel sehr ähnlich aus. Die Verträglichkeit war durchwegs gut, Nebenwirkungen wurden nicht notiert. Die Autoren betonen jedoch ausdrücklich, dass bei Kindern, die mit Johanniskrautextrakt behandelt werden, besonders auf Begleiterscheinungen wie gastrisches Unwohlsein, Appetitverlust, Benommenheit oder allergische Reaktionen geachtet werden sollte, wie sie bei Versuchen an Erwachsenen beobachtet wurden.
Die Ergebnisse weiterer Studien – nicht alle werden publiziert, sondern direkt dem BfArM vorgelegt – konnten die unbedenkliche und sinnvolle Anwendung von weiteren pflanzlichen Arzneimitteln bei Kindern eindeutig bestätigten.
Literatur Hübner WD, Kirste T (2001) Experience with St. John's Wort (Hypericum perforatum) in children under 12 years with symptoms of depression and psychovegetative disturbances. Phytother. Res.15: 367 – 370. Hintelmann C (1999) Einschlafstörungen bei Kindern: Hochdosierter Baldrian, sicher und gut verträglich. Kinderärztliche Praxis 7 (Suppl.). Dorsch W, Loew D, Meyer-Buchta E, Schilcher H (1998) Kinderdosierung von Phytopharmaka, 2. überarbeitete Auflage, Kooperation Phytopharmaka GbR, Postfach 200848, Bonn.
Quelle: Pressekonferenz des Komitee Forschung Naturmedizin e.V. (KFN) am 5. Dezember 2001 in München unter Teilnahme von Prof. Dr. H. Winterhoff, Münster, Prof. Dr. Th. Dingermann, Frankfurt, und Dr. D. Schulz, Kinderarzt in Wolfratshausen.
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