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Anhörung zum Vorschaltgesetz: Einsparungen sind nicht durch Hau-ruck-Sparmaßna
In einem Punkt war sich die Mehrzahl der Sachverständigen einig: die von der Regierung kalkulierten Einsparungen in Höhe von rund 3,4 Mrd. Euro seien durch die Hau-Ruck-Sparmaßnahme kaum zu realisieren. Dafür gebe es zu viele Schlupflöcher.
Ein vernichtendes Urteil fällte die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) über den Entwurf des Beitragssicherungsgesetzes in der GKV. Die Auswirkungen wären für die Apotheken schlicht "katastrophal" erläuterte ABDA-Präsident Hans-Günter Friese. Durch erhöhte Apothekenrabatte und neue Großhandels- und Herstellerrabatte an die gesetzlichen Krankenversicherungen soll der Arzneimittelbereich einen Einsparbetrag von insgesamt rd. 1,4 Mrd. Euro leisten.
Die Lastenverteilung innerhalb der Leistungserbringer im Arzneimittelbereich führe aber dazu, dass sich die zu versteuernden Einkommen der Apotheken um insgesamt 1,2 Mrd. Euro effektiv reduzieren würde, weil der Großhandel seine GKV-Rabatte durch Verschlechterung der Einkaufskonditionen auf die Apotheken abwälzen werde. Die Auswirkungen wären für die Apotheken ein Desaster: Beim Vorsteuereinkommen wäre durchschnittlich mit einem Rückgang in Höhe von ca. 50 Prozent zu rechnen. Bereits kurzfristig bedeute dies einen Abbau von 20 000 Apotheken-Arbeitsplätzen.
Arzneimittelabrechnung kollabiert
"Die Absicht, den Apotheken das Inkasso der neuen Hersteller- und Großhandelsrabatte aufzuerlegen, ist ungerechtfertigt und auch verfahrenstechnisch so komplex, dass bereits im Januar 2003 die Arzneimittelabrechnung kollabieren würde", prophezeite Friese. Er appellierte an die Abgeordneten, sie möchten sich doch einmal vorstellen, wie das Prozedere in der Praxis durchzuführen wäre. "Das Werkstor geht auf und die Medikamente rollen vom Hof. Jetzt weiß aber noch niemand, ob eine Packung zur GKV, zur PKV oder zur Selbstmedikation gezählt werden kann. Wir müssen das im Nachhinein mit einem Riesenaufwand nachhalten." Tatsächlich sei dies kaum zu bewerkstelligen, erst recht nicht ab Januar 2003.
Ebenso kritisch sieht der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO) die Pläne der Regierung. Die erneute Erhöhung des Apothekenabschlags und die Kumulierung der Apotheken- und Großhandelsabschläge auf Apothekenebene übersteige die Belastbarkeit der öffentlichen Apotheken bei weitem, belaste den pharmazeutischen Großhandel durch den Bonitätsverlust seiner Abnehmer und führe zu einem Kahlschlag bei der flächendeckenden Arzneimittelversorgung der Bevölkerung.
Der PHAGRO hält Teile des Gesetzentwurfs auch für verfassungsrechtlich unhaltbar. So bürde die Einbeziehung des pharmazeutischen Großhandels in die Abrechnung der Rabatte der pharmazeutischen Unternehmen dem Großhandel hohe Kosten für Inkassotätigkeit in fremdem Interesse auf, die sozialrechtliche Regelung stehe im Konflikt mit der Arzneimittelpreisverordnung.
Mehr Rabatte als Naturalrabatte
Für die Mitglieder des Gesundheitsausschusses in der Anhörung immer wieder von Interesse: das Thema Rabatte. "Die Natural- und monetären Rabatte und Skonti, die die Apotheken von ihren Lieferanten erhalten, bewegten sich 2001 in einer Größenordnung von 1,1 Mrd. Euro. Zugleich gewährten die Apotheken der GKV Rabatte in einem Umfang von 1,5 Mrd. Euro. Die Kassen kommen also in den Genuss wesentlich höherer Vorteile", versuchte Friese falsche Vorstellungen zu korrigieren.
Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die Meinungen der Verbraucher- und Patientenverbände. Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) begrüßt insbesondere, dass der Rabatt der Apotheken an die Krankenkassen nach Arzneimittelpreisen gestaffelt wird. Beifall findet beim vzbv auch das Vorhaben, für Arzneimittel, die zu GKV-Lasten abgegeben werden, Rabatte des pharmazeutischen Großhandels und der pharmazeutischen Unternehmen zu entrichten.
Diese Regelung könne dazu dienen, die Ausgaben im Arzneimittelbereich insgesamt zu senken. Außerdem setze sie Anreize, teure Medikamente gegen billigere auszutauschen. Aus Verbrauchersicht könne nicht länger hingenommen werden, dass aus Beiträgen der Versicherten zweistellige Gewinnmargen der Pharmaindustrie während des Patentschutzes zweifelhafter "Pseudoinnovationen" finanziert würden.
Die Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP) kritisiert dagegen vor allem die alleinige Fokussierung des Gesetzentwurfs auf die Ausgabenseite. Auch wenn durch die geplante Einbeziehung von Analogpräparaten in die Festbetragsregelung 10 Prozent des entsprechenden Umsatzvolumens einzusparen wären, hält der Verband diese Regelung für problematisch. Sie führe nicht zu einer qualitativ besseren und wirtschaftlichen Arzneimittelversorgung, die dringend erforderlich wäre.
Apotheken nicht als Inkassostellen missbrauchen
Nach Auffassung von ABDA-Präsident Friese sind vor allem folgende Änderungen im Entwurf dringend notwendig: Den Apotheken sollte nicht das Inkasso von GKV-Rabatten Dritter auferlegt werden. Hiermit sollte der Adressat GKV selbst befasst werden. Anstelle der vorgesehenen Erhöhung der Apothekenrabatte sowie der Großhandelsrabatte an die GKV müsse die Arzneimittelpreisverordnung umgestaltet werden. Einen Vorschlag dazu haben ABDA und PHAGRO vorgelegt.
Nach der Anhörung machten viele Sachverständige gemeinsam mit tausenden Apothekern, Ärzten, Zahnärzten, Vertretern von Krankenhauspersonal und anderen Heilberuflern ihrem Ärger auf einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor Luft. Die im "Bündnis Gesundheit 2000" zusammengeschlossenen 38 Verbände und Organisationen der Gesundheitsberufe hatten zu diesem Protest aufgerufen. Über 15 000 Menschen waren aus dem gesamten Bundesgebiet angereist.
Parallel dazu hatte die ABDA die Aktion "Licht aus in den Apotheken" initiiert. Aus Solidarität mit den Teilnehmern der Großkundgebung sollte deshalb in den deutschen Apotheken um 12 Uhr für fünf Minuten das Licht gelöscht werden.
Zum gesundheitspolitischen Großkampftag hatten die Akteure im Gesundheitswesen ihre erste Garde nach Berlin geschickt. Auf der Tagesordnung: die Anhörung zu den geplanten Kürzungen im Gesundheitssektor und anschließend die Demonstration am Brandenburger Tor. Die Führungsköpfe der Leistungserbringer ließen es sich nicht nehmen, zur öffentlichen Anhörung im Bundestagsausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung als Sachverständige persönlich zu erscheinen. Sie sparten nicht mit Kritik an dem zustimmungsfreien "Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung" (Beitragssatzsicherungsgesetz) und dem Regierungsentwurf des "Zwölften Gesetzes zur Änderung des Fünften Sozialgesetzbuches" (Zwölftes SGB V-Änderungsgesetz).
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