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Noweda eG: Freude über die Zahlen – Sorge um die Politik

ESSEN (tmb). Für das zurückliegende Geschäftsjahr weist die Noweda-Gruppe wieder steigende Zahlen bei Umsatz, Gewinn und Mitgliedschaften aus. Der genossenschaftliche Großhändler wuchs erneut stärker als der Markt, wie der Vorstandsvorsitzende Dr. Dietrich L. Meyer bei der Generalversammlung der Noweda eG am 27. November in Essen erläuterte. Seinen Geschäftsbericht nutzte er traditionsgemäß zu einer kritischen Analyse der Gesundheitspolitik. In der Diskussion mit ABDA-Präsident Hans-Günter Friese ging es zudem um die Außendarstellung der Apothekerschaft.

Der Umsatz der Noweda-Gruppe stieg im Geschäftsjahr 2001/2002 gegenüber dem Vorjahr um etwa 9,6% auf fast 1434 Mio. Euro. Der Bruttoumsatz sei um 3,4 Prozentpunkte stärker als der Gesamtmarkt des pharmazeutischen Großhandels im Liefergebiet der Noweda angewachsen, erklärte Meyer. Damit war erneut eine gestiegene Mitgliederzahl verbunden. Am Stichtag 1. Juli 2002 zählte die Noweda 5570 Mitglieder, nach 5402 im Vorjahr.

Durch den Degressionseffekt der Preisspannenverordnung, den gestiegenen Anteil verschreibungspflichtiger Arzneimittel und weitere Skontokürzungen durch die Industrie erhöhte sich der Rohertrag unterproportional zum Umsatz um fast 6,4% auf 113,4 Mio. Euro. Der Jahresüberschuss stieg dagegen überproportional um etwa 11% auf 7,551 Mio. Euro.

Erhöhte Produktivität

Dies konnte insbesondere durch eine erhöhte Produktivität der Mitarbeiter und geringere Sachkosten erreicht werden. Das Umsatzwachstum wurde mit nur 2% mehr Mitarbeitern erwirtschaftet. Am Stichtag waren 1798 Mitarbeiter bei der Noweda beschäftigt.

Außerdem seien die Investitionen angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Aussichten im Gesundheitswesen weitgehend auf Ersatzinvestitionen beschränkt worden. Als größere Investition wurde nur der Ausbau der Niederlassung in Erfurt/Neudietendorf beschlossen, für den inzwischen eine Baugenehmigung vorliegt. Das Projekt soll voraussichtlich im März 2003 beendet sein.

Im zurückliegenden Geschäftsjahr wurde die Alterssicherung der Mitarbeiter in der neu gegründeten Noweda-Pensionskasse zusammengeführt, die auch für nachfolgende Generationen tragfähig sei. Dazu wurden die bisherigen Versorgungswerke aufgelöst. Für die Mitarbeiter in Taucha und Neudietendorf zahlte die Noweda einen einmaligen Betrag als Versorgungssockel ein, so dass diese Mitarbeiter nun den Kollegen aus den anderen Häusern gleichgestellt sind. Dies erklärt den einmaligen Anstieg der Sozialabgaben und Beiträge zur Altersversorgung um 90% gegenüber dem Vorjahr. Dagegen verbesserte sich das Finanzergebnis durch erhöhte Beteiligungserträge und niedrigere Zinsaufwendungen um 1,8 Mio. Euro.

Solides Wachstum

Meyer hob hervor, dass das Wachstum der Noweda weiterhin solide finanziert sei. Das Eigenkapital beträgt 100,2 Mio Euro, die Eigenkapitalquote liegt unverändert bei 24,6%. Damit erfülle die Noweda bereits jetzt die Bonitätskriterien für die Kreditvergabe, wie sie nach den "Basel II"-Bedingungen ab 2006 gelten werden.

Aufgrund dieser guten wirtschaftlichen Daten beschloss die Generalversammlung wieder die seit dem Geschäftsjahr 1989/90 unveränderte Dividende von 11% auf die ersten vier Anteile und 13,2% auf die weiteren freiwilligen Anteile. Durch das neue Halbeinkünfteverfahren enthalten diese Beträge keine Körperschaftsteuergutschrift mehr. Den Vorteil aus der geminderten Körperschaftsteuer gibt die Genossenschaft an die Mitglieder weiter. In der Bruttodividende ist daher in diesem Jahr eine erhöhte Bardividende von 8,25% bzw. 9,9% auf die Geschäftsanteile enthalten. Die Dividende soll am 15. Dezember ausgeschüttet werden.

Die Generalversammlung wählte die turnusgemäß ausgeschiedenen Aufsichtsratsmitglieder Rudolf Strunk und Bernd Roder mit großer Mehrheit wieder. Als Ersatzmitglieder für den Aufsichtsrat wurden Peter Barleben und Jürgen Blume bestätigt.

Politische Fehleinschätzung oder bewusste Strategie?

Wie schon in früheren Jahren nahmen die Gesundheitspolitik und die Erwartungen an die künftige Entwicklung des Arzneimittelmarktes breiten Raum in der Noweda-Generalversammlung ein. Dr. Klaus G. Brauer, der als Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenschaft die Versammlung leitete, fragte nach den Gründen für die derzeitige Politik. Es sei zu klären, ob die Schäden durch die Politik "nur" Ausdruck von Fehleinschätzungen und Folge von Unkenntnis seien oder ob eine absichtsvolle Strategie dahinterstecke, ob diese vielleicht ein Teil einer Politik gegen freie Berufe sei, die sich der kollektiven und gewerkschaftlichen Fürsorge entzögen.

Über die aktuelle Diskussion dürfe auch die geplante "große" Gesundheitsreform nicht vergessen werden. Die dort vorgesehene "Liberalisierung" der Arzneimittelversorgung und der stärkere Wettbewerb seien "ein Etikettenschwindel, ein Missbrauch positiv besetzter Begriffe". Denn unter den Bedingungen des Arzneimittelmarktes führten die geplanten Maßnahmen zur Oligopolisierung und damit zu weniger Wettbewerb.

Unverständliche Politik

In seinem Geschäftsbericht kritisierte Meyer die überproportionalen Einsparungen, die das Beitragssatzsicherungsgesetz im Arzneimittelbereich vorsieht. Die Begründung des Gesetzes könne "nur Leuten einfallen, die in unternehmerischen und wirtschaftlichen Belangen nicht sehr kundig sind oder nicht zu Ende gedacht haben." Denn Rationalisierungserfolge seien das Ergebnis von Anstrengungen der Unternehmer und Mitarbeiter. Sie sollten als Erfolge zu buchen sein und Arbeitsplätze sicherer machen, dürften dann aber nicht von anderen "abgeschöpft" werden.

Zudem bestehe kein Anlass für ein kurzfristig wirksames Vorschaltgesetz, da der Finanzierungsengpass langfristig absehbar gewesen und keineswegs unerwartet entstanden sei. Viele Probleme seien gerade durch die rot-grüne Regierung in ihrer ersten Amtszeit verschärft worden. So wurde die GKV 2001 durch "Verschiebebahnhöfe" in Höhe von 3,8 Mrd. Euro belastet, im Jahr 2002 werde dieser Betrag auf etwa 4,5 Mrd. Euro steigen.

Wenn die GKV-Mittel nur für die Krankheitsfälle der Beitragszahler und nicht für sozialpolitische Maßnahmen, die aus Steuern finanziert werden sollten, verwendet würden, hätte die GKV derzeit einen Finanzierungsüberschuss von über einer Milliarde Euro.

Doch bestünden noch juristische Bedenken gegen das Gesetz. Nach verschiedenen Gutachten sei es als im Bundesrat zustimmungspflichtig anzusehen. Hierzu verwies Meyer insbesondere auf ein Gutachten von Prof. Dr. Karl Heinrich Friauf, Köln. Außerdem reihe sich das Vorschaltgesetz in eine Kette weiterer unverständlicher und widersprüchlicher Maßnahmen in der Regierungspolitik ein, beispielsweise in der Renten- und Steuerpolitik. Meyer sei gespannt, wann dies wählerrelevant werde.

Die Rolle der Apothekerschaft ...

Im Rückblick auf die zurückliegenden Jahrzehnte sei bemerkenswert, dass die Apotheker bei allen Sparrunden im Gesundheitswesen mit immer größeren Einschnitten beteiligt gewesen seien. Daher sollten die Apotheker über ihr Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit nachdenken, wie dies Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf vom Lehrstuhl für Theologie und Ethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München in seinem Festvortrag beim diesjährigen Deutschen Apothekertag angeregt habe. Die Apotheker müssten ihr Leistungsprofil bedenken, definieren, formulieren und dann auch in die Öffentlichkeit transportieren.

... in der Theorie ...

Dies sei insbesondere im Hinblick auf die geplante "große" Reform des Gesundheitswesens erforderlich, weil es dabei um die grundsätzliche Rollenverteilung gehen werde. Die Apotheker müssten heraus aus der Abwehrposition um Themen wie Versandhandel, Fremd- und Mehrbesitzverbot oder Positivliste. Stattdessen müsse der Gesellschaft verdeutlicht werden, warum die Offizinapotheke unverzichtbar sei.

Die Apotheker müssten von sich aus Themen wie Arzneimittelzwischenfälle und Arzneimittelfälschungen aufgreifen und in die öffentliche Diskussion bringen. Sie sollten auch die Grenze zwischen Kaufmann und Heilberufler thematisieren und den Zusammenhang zwischen Beratung und wirtschaftlicher Selbstständigkeit verdeutlichen. Über solche Fragen sei in der Öffentlichkeit zu wenig bekannt.

Meyer machte den Apothekern aber auch Mut und erinnerte an die Äußerung von Prof. Dr. Theo Dingermann: "Die zukünftige Geschichte der Medizin wird vom Arzneimittel geschrieben." Als Unterstützung für die Apotheken bei ihrer künftigen Arbeit bot Meyer die Leistungen der Noweda an. Gerade in schwierigen Zeiten könne die Genossenschaft für den Einzelnen umso mehr tun, je mehr sie von den Mitgliedern gestärkt werde.

Die Frage nach der künftigen Rabattpolitik der Noweda gegenüber den Mitgliedern beantwortete Meyer allerdings nicht. Er verwies auf die möglichen Änderungen des Gesetzes im Bundesrat und die nötige Vertraulichkeit gegenüber Wettbewerbsunternehmen, die in einer öffentlichen Veranstaltung nicht gegeben sei.

... und in der ABDA-Politik

In der Folge entwickelte sich eine Grundsatzdebatte zur Gesundheitsreform und zu den möglichen Reaktionen der Apothekerschaft. ABDA-Präsident Hans-Günter Friese hob hervor, dass das Gesundheitsministerium inzwischen die Zahlen der ABDA übernommen habe und durch die jüngste Änderung der geplanten Rabattstaffel eine Belastung von 150 Mio. Euro pro Jahr abgewendet worden sei. Doch sei es angesichts der "nie dagewesenen Dominanz der Krankenkassen" bei den Abgeordneten schwer, die Position der Apotheker in der Politik zu vertreten.

Mit Blick auf die weitere Reform des Gesundheitswesens beklagte er, dass Prof. Dr. Bert Rürup als Vorsitzender der dafür neu bestellten Kommission nur die ökonomische, aber nicht die politische Seite sehe. Ökonomen würden den Fürsorgecharakter des Gesundheitswesens nicht verstehen und nicht einsehen, dass sich Patienten nicht als normale Marktpartner verhalten könnten.

Auf die Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit der ABDA entgegnete Friese, die beste Öffentlichkeitsarbeit sei die Leistung, die jede einzelne Apotheke erbringe. Darum sollten die Apotheken ihr gutes Image bei den Bürgern nicht durch Abwehrmaßnahmen auf dem Rücken der Bürger verspielen. Die Gesundheitsministerin habe zudem bereits angedroht, im Falle eines Apothekenstreiks die Krankenhausapotheken zur Notfallversorgung einzusetzen.

Die Apotheker sollten auch ihre Verhandlungsposition für die "große" Gesundheitsreform im Auge behalten. Für das Vorschaltgesetz hoffe er noch auf eine Änderung, bei der sich die Sparmaßnahmen am jeweiligen Wertschöpfungsanteil der Handelsstufen orientieren. Auf jeden Fall sollten die Apotheker Geschlossenheit zeigen. Wenn es der Politik gelinge, die Apotheker zu entsolidarisieren, hätten sie verloren.

Kastentext

"Wenn am Beginn der zweiten Amtsperiode der rot-grünen Bundesregierung irgendein Zauber wahrzunehmen ist, dann allenfalls ein fauler." Dr. Dietrich L. Meyer

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