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Berichte
Hamburger Apothekerverein: Perspektiven in schwerer Zeit
Alternative für das BSSichG
Graue kritisierte, dass die Apotheker durch die verschiedenen Rabatte gleich dreifach zur Kasse gebeten werden, und beklagte die zahlreichen Umsetzungsprobleme der vorgesehenen Regelungen. Das Beitragssatzsicherungsgesetz und das Änderungsgesetz zu den Festbeträgen seien zunächst schiere Notstandsgesetze, um sich Luft bis zur nächsten Reform zu verschaffen. Eine weitere Gesundheitsreform werde schon deshalb notwendig, um das Chaos zu ordnen, das aufgrund der neuen Gesetze zu entstehen drohe.
Dass die Arzneimittelbranche so massiv zur Kasse gebeten werde, liege nicht zuletzt an der diesbezüglichen Stimmungsmache der Krankenkassen, derzufolge Apotheken und Arzneimittelhersteller in den beiden zurückliegenden Jahren "klotzig" verdient hätten. Es werde auch immer wieder auf die angeblich zu große Zahl der Apotheken verwiesen. Tatsächlich sei die Apothekenzahl für die GKV aber kostenneutral, und der Umsatzanstieg beruhe ausschließlich auf dem größeren Anteil teurer Innovationen.
Doch zeigte Graue einen möglichen Ausweg auf. In enger Zusammenarbeit mit den Kollegen in Hannover sei eine Alternativregelung entworfen worden (siehe Rubrik DAZ aktuell in dieser Ausgabe). Dieses Konzept sei insbesondere mit dem früheren Hamburger Bürgermeister Ortwin Runde, SPD, ausführlich besprochen und auch Vertretern der CDU vorgestellt worden. Die Hamburger Behörde für Gesundheit und Soziales habe zugesagt, dies im Vermittlungsausschuss als Änderungsantrag einzubringen.
Preisverordnung und aut idem
Für eine längerfristige Reform könnte die Arzneimittelpreisverordnung so geändert werden, dass bei hochpreisigen Arzneimitteln die Zuschläge geringer werden. Dies sei für internationale Vergleiche und für die Versandhandelsdiskussion besser als die Preise zu belassen und Rabatte zu gewähren. Solche Vorschläge durchzusetzen sei jedoch problematisch, weil die Aut-idem-Regelung die Ärzte und die Pharmaindustrie zu Gegnern der Apotheker gemacht habe.
Die derzeitige Aut-idem-Regelung sei ein "Rohrkrepierer". Durch das Aut-idem-Verbot bei preisgünstigen Verordnungen sei die Regelung "vollends absurd". Für die angestrebte fachliche Flexibilität gebe es keinen Spielraum, oder wie Graue es ausdrückte: "Wir sitzen in einem Auto ohne Räder und dürfen ein wenig am Lenkrad drehen."
Disease Management ermöglicht Pharmazeutische Betreuung
Eine bessere Zukunftsperspektive böten die Disease-Management-Programme (DMP), an denen sich auch Apotheken als Leistungserbringer beteiligen könnten. So könnte die Pharmazeutische Betreuung auch in Verträgen mit Krankenkassen etabliert werden, um die einseitige Sichtweise des "Belieferns" durch ein umfassendes "Versorgen" der Patienten zu ersetzen, das einen neuen Schwerpunkt der Tätigkeit nach der Arzneimittelabgabe schafft.
Dies sei aus Sicht der Apotheker nicht neu, doch böten die DMP eine Gelegenheit, die Pharmazeutische Betreuung stärker in die Diskussion zu bringen und einen Einstieg in die Honorierung pharmazeutischer Leistungen zu finden. Hierfür biete sich auch der Begriff des Hausapothekers an, da das Wort "Haus" durch die Parallele zum Hausarzt positiv besetzt und gut zu vermitteln sei. Erste erfolgreiche Verhandlungen auf Landesebene sprächen für diesen Weg.
Krise als Chance
Graue ging außerdem auf die angekündigte "große" Gesundheitsreform ein. In den vergangenen zehn Jahren habe sich die Politik von einem Kostendämpfungsgesetz zum nächsten durchgehangelt – ohne Ansätze grundsätzlicher Reformen. Zu lange sei geleugnet worden, dass die GKV ein Einnahmeproblem hat, insbesondere durch die hohe Arbeitslosigkeit. Zudem habe die Politik die GKV durch viele "Verschiebebahnhöfe" in die Schieflage gebracht. Nach Untersuchungen des Kieler Instituts für Gesundheits-System-Forschung hätten diese der GKV in den zurückliegenden acht Jahren etwa 30 Mrd. Euro entzogen.
Die Arbeit der Rürup-Kommission halte neues Ungemach für die Apotheken bereit, doch liege in der Krise auch eine Chance. Wenn den Apothekern unter eigenem Zutun eine Reform gelänge, während die Gesamtwirtschaft im Reformstau verharre, kämen die Apotheken in eine günstigere Position. Gerade in schweren Zeiten existiere für gute Produkte immer auch ein Markt.
Aus der Arbeit des Vereins
Geschäftsführer Peter Brinkmann betonte, welche mühsame Überzeugungsarbeit nötig gewesen sei, um das Alternativmodell für das Beitragssatzsicherungsgesetz bei Entscheidungsträgern in Regierung und Opposition ins Gespräch zu bringen. Gerade angesichts der zuvor so abweisenden Haltung der Regierung könne dies nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Brinkmann berichtete über einige herausragende Aspekte der Arbeit des Hamburger Apothekervereins im zurückliegenden Jahr, insbesondere über die Gerichtsverfahren gegen Krankenkassen wegen ihrer Werbung für den Arzneimittelversandhandel. In einem zehnmonatigen "Eilverfahren" vor dem Hamburger Sozialgericht habe der Verein gegen die BKK Hamburg Recht bekommen. Auch gegen die BKK Philips Medizintechnik habe Graue in einer langwierigen Verhandlung eine einstweilige Anordnung erstritten.
Von der Apotheke des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf habe der Apothekerverein eine Unterlassungserklärung erhalten. Die Krankenhausapotheke hätte ophthalmologische Arzneimittel unter Umgehung der öffentlichen Apotheken an ambulante Patienten abgegeben.
Pieck – die Perspektive eines "Ehemaligen"
Das Grundsatzreferat zum Thema "Das Apothekenwesen im Umbruch – Das Ende des freiberuflichen Apothekers?" hielt Dr. Johannes Pieck, Ehrenmitglied des Hamburger Apothekervereins und ehemaliger Sprecher der ABDA-Geschäftsführung. Auch er lobte Graue für seine einfühlsame politische Vermittlung.
In seiner langen Tätigkeit habe er keine vergleichbare Situation wie derzeit erlebt. Besonders problematisch sei die unheilige Allianz zwischen Gesundheitsministerium und Krankenkassen. Pieck habe Verständnis für die Betroffenheit vieler Apotheker angesichts der politischen Situation, doch seien die einseitigen Schuldzuweisungen gegenüber der ABDA nicht angebracht. Gerade in einer so schwierigen Situation müsse die Einheit des Standes gewahrt werden. Die hessische "Zwei-Säulen-Theorie" könne er nicht nachvollziehen.
Doch äußerte sich Pieck auch kritisch über seinen ehemaligen Arbeitgeber ABDA. Er beklagte den Trend der ABDA zur Innensicht. Außerdem seien formelhafte Begriffe wie "Arzneimittelfachmann" für viele Politiker "nur Geräusch".
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