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Rürup-Kommission: Experten uneins über Kassendefizite
In einem Focus-Interview (erschienen am 19. April) erklärte Rürup, er sei optimistisch, dass viele Ideen der Kommission umgesetzt werden – "wenn auch nicht eins zu eins". Der Bundeskanzler und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement hätten erkannt, dass Deutschland die Arbeitslosigkeit nur durch eine Senkung der Lohnnebenkosten in den Griff bekomme.
Auch Lauterbach teilt die Einschätzung, dass die Lohnnebenkosten kurzfristig unter 40 Prozent sinken müssen und die GKV-Beiträge im Schnitt nicht über 13 Prozent liegen dürfen. Ebenso sehe es Schmidt – selbst wenn sie die Idee einer generellen Praxis-Eintrittsgebühr von 15 Euro und eine höhere Zuzahlung zu zahnmedizinischen Leistungen ablehne.
Finanzierungs-Reform noch nicht im Mai
Doch was die Ideen der Kommission zur nachhaltigen Finanzierung des Gesundheitswesens betrifft, wird die Zeit kaum reichen, sie noch in den Gesetzentwurf einzuarbeiten, den Schmidt im Mai in den Bundestag einbringen will. Noch ist die nötige Blaupause nicht erstellt. Denn dass auch unter Sozialdemokraten die Auffassungen über Sozialreformen divergieren können, demonstriert derzeit nicht nur die SPD.
Rürup und Lauterbach machen es im Kleinen nach. Der zwischen den beiden Experten bestehende Dissens, ob eine Erwerbstätigenversicherung oder ein Gesundheitsprämienkonzept künftig die Finanzierungsgrundlage der GKV bilden sollte, könne als Spiegelbild der Diskussion in der SPD herhalten, räumt Rürup im Focus ein.
Allerdings hat die Kommission den Vorteil, keine Entscheidung treffen zu müssen. Dies überlässt sie der Politik. Lauterbach gegenüber dem Focus: "Je länger man diese Werteentscheidung aufschiebt, desto weniger wird von der GKV in der heutigen Form übrig bleiben. Denn wenn man nicht umbaut, muss man abbauen."
Der Süddeutschen Zeitung (Ausgabe vom 19. April) sagte der Gesundheitsökonom allerdings, dass die Kommission noch Zeit für eine Blaupause benötige - "Schnellschüsse" führten in die falsche Richtung. Ausreichend sei es, wenn im Laufe des Jahres die Grundsatzentscheidung über die Finanzierungsfragen getroffen werde.
Steigende Beiträge: Panikmache oder Realismus?
Im Focus warnte Rürup zudem vor einer zu starken Beschneidung des Kommissions-Sparpakets: Seines Erachtens könnten die Kassenbeiträge zum Jahresende durchschnittlich bei 15 Prozent liegen – um unter die angekündigten 13 Prozent zu kommen, seien Einsparungen von 20 bis 25 Milliarden Euro nötig. "Bislang sieht es noch eher so aus, dass die Politik Schwierigkeiten hat, nur unter einen durchschnittlichen Krankenkassenbeitrag von 14 Prozent im nächsten Jahr zu kommen", wird Rürup im Focus zitiert.
Auch der Chef der Techniker Krankenkasse, Norbert Klusen, hatte in der vergangenen Woche Beitragssatzsteigerungen bis auf über 15 Prozent prognostiziert. Wie die Financial Times Deutschland am 22. April berichtete, warnte Lauterbach nach den Äußerungen von Rürup und Klusen vor "Panikmache und Horrormeldungen".
Auch wenn einige Kassen ihre Beiträge im Laufe des Jahres erhöhen müssten, drohe kein durchschnittlicher Beitrag von 15 Prozent. Allerdings räumte auch Lauterbach ein, dass die bei den einzelnen Kassen aufgelaufenen Schulden ebenso einen Einfluss auf die Beiträge haben werden wie das kommende Defizit. Beides könne er jedoch nicht seriös beziffern.
Wenngleich Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt einige Vorschläge der Rürup-Kommission zur kurzfristigen Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) umgehend verworfen hat, glauben Bert Rürup und Karl Lauterbach, dass ihre Ideen Einfluss auf die anstehenden Reformen haben werden – fraglich ist allerdings der Zeitpunkt. Gleichzeitig vertreten die beiden sozialdemokratischen Wissenschaftler derzeit höchst unterschiedliche Prognosen zur Beitragssatzentwicklung in der GKV.
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