- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 33/2003
- Gesundheitsreform: Der ...
DAZ aktuell
Gesundheitsreform: Der Gesetzentwurf zum Reformkonsens entsteht
Der 1. Arbeitsentwurf, der der DAZ vorliegt, ist auf den 11. August datiert und versteht sich als Formulierungshilfe für den Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform – einen Namen trägt das Gesetzeswerk noch nicht. Inhaltlich bietet der Arbeitsentwurf für Apotheker keine großen Überraschungen: Die Ankündigungen aus den Konsens-Eckpunkten wurden umgesetzt.
Erstattungsausschluss für OTCs
Teilweise sind die Änderungen gegenüber den Regelungen im Entwurf zum Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz (GMG) eher gering. So etwa bei der grundsätzlichen Streichung rezeptfreier Arzneimittel aus der Erstattungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Allerdings sollen im Gegensatz zum GMG keine Ausnahmen für homöopathische und anthroposophische Arzneimittel ohne zugelassenes Anwendungsgebiet gelten. Ausnahmsweise können OTC-Präparate zu Lasten der GKV verordnet werden, wenn dies zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung medizinisch notwendig ist und die Arzneimittel-Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen dies vorsehen.
Der Bundesausschuss hat bis zum 31. März 2004 eine entsprechende indikationsbezogene Wirkstoffliste zu erstellen. In der Begründung zum Arbeitsentwurf heißt es, dass hierbei auch Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen Berücksichtigung finden sollen. Auf eine Begrenzung auf zehn bis zwölf Indikationen, wie noch in den Eckpunkten zum Konsens vorgesehen, findet sich in der Begründung kein Hinweis.
Bis zum In-Kraft-Treten der Liste entscheidet allein der Arzt im Einzelfall. Von der Erstattung ausgenommen sollen künftig auch Arzneimittel sein, bei denen "eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht". So etwa Medikamente, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, zur Raucherentwöhnung, zur Appetitzügelung oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen.
Versandhandel: "faire Wettbewerbsbedingungen"
Auch bei der Zulassung des Versandhandels mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln sind die Abweichungen zum GMG nur gering. Dieser soll kommen, da Apotheken bereits ohnehin in zunehmendem Maße Arzneimittel an Patienten per Versand oder Boten zustellten, heißt es in der Begründung zum Arbeitsentwurf. Durch die gefundenen Regelungen würden "Arzneimittelsicherheit und Verbraucherschutz gegenüber der geübten Praxis noch weiter erhöht".
Die entsprechenden Vorschriften finden sich im Apothekengesetz (ApoG) und ergänzend in der Apothekenbetriebsordnung. Zusätzlich zu den bereits im GMG genannten Voraussetzungen für den Versand ist nunmehr bestimmt, dass der Besteller eines Arzneimittels zu unterrichten ist, wenn sich beim Versand eine "wesentliche Verzögerung" ergibt, durch die der vorgesehene Therapieplan gefährdet werden könnte. Zudem wird sichergestellt, dass alle bestellten Arzneimittel geliefert werden, soweit sie nach den rechtlichen Vorschriften in den Verkehr gebracht werden dürfen.
Weiterhin muss der versendende Apotheker sicherstellen, dass er über ein Meldesystem verfügt, mit dem er seine Kunden über bekannt gewordene Risiken informieren kann. Sobald eine der Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung zum Versandhandel – der im Übrigen immer nur zusätzlich zum üblichen Apothekenbetrieb erfolgen kann – entfällt, ist die Erlaubnis zu widerrufen.
Durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats kann das Bundesgesundheitsministerium Genaueres zum elektronischen Handel mit Arzneimitteln bestimmen. Dabei können über die GMG-Bestimmungen hinaus Regelungen zur Darbietung und Anwendungssicherheit, zum Bestellformular, einem Fragebogen zur Arzneimitteltherapie aus Gründen der Arzneimittelsicherheit sowie weitere Informationen zur Arzneimittelsicherheit getroffen werden.
Mehrbesitz: Bis zu vier Apotheken in räumlicher Nähe
Was die künftig zulässigen drei "Nebenstellen" betrifft stellt, der Arbeitsentwurf nun klar: Es soll sich um vollwertige "Filialen" handeln – und nicht etwa um Zweigapotheken, wie sie das ApoG schon jetzt für den Fall eines Notstandes in der Arzneimittelversorgung zulässt. Voraussetzung für eine Erlaubnis zum Betrieb von mehreren öffentlichen Apotheken ist, dass der Antragsteller eine "Hauptapotheke" weiterhin persönlich führt und für die Filialapotheken einen Apotheker als Betreiber benennt. Der Sitz des antragstellenden Apothekers und die Nebenstellen müssen innerhalb desselben oder eines benachbarten Kreises liegen.
Die Eingrenzung auf maximal vier Apotheken und auf einen Kreis oder angrenzenden Kreis, so die Begründung des Arbeitsentwurfs, sei notwendig, "um dem Betreiber der Apotheken eine persönliche und damit effektive Kontrolle der Filialapotheken zu ermöglichen". Weiterhin soll die "Beeinflussung durch Dritte verhindert" und "Kettenbildungen mit unter Umständen wettbewerbspolitisch bedenklichen Situationen vorgebeugt" werden. Da mit dem Fremdbesitz öffentlicher Apotheken in einem Gesundheitssystem wie dem deutschen noch keine verlässlichen Erfahrungen vorlägen, müsse dieser im Hinblick auf Verbraucherschutz, Arzneimittel- und Versorgungssicherheit verhindert werden, heißt es weiter in der Begründung.
Vereinfachung der Aut-idem-Regelung
Neues findet sich auch bei der Aut-idem- und der Import-Regelung: Die Regelung zur Bestimmung der oberen Preislinien und des unteren Preisdrittels werden aufgehoben. Die Verpflichtung zur Abgabe eines wirkstoffgleichen preisgünstigen Arzneimittels bleibt jedoch bestehen. Voraussetzungen und Einzelheiten soll die Selbstverwaltung durch einen Rahmenvertrag auf Bundesebene regeln.
Importe müssen dem Arbeitsentwurf zufolge nur noch abgegeben werden, wenn sie mindestens 15 Prozent preiswerter sind als ihr Bezugsarzneimittel. Bei Arzneimitteln, die mehr als 100 Euro kosten muss ein Preisabstand von mindestens 15 Euro bestehen. Im Bundes-Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung können auch abweichende Regelungen getroffen werden, sofern hierdurch zusätzliche Wirtschaftlichkeitspotenziale erschlossen werden.
Neue Preisbildung: Anpassungsmöglichkeit für Festzuschläge
Für die Bildung des Abgabepreises von Arzneimitteln gilt weiterhin grundsätzlich die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Für OTC-Präparate, die auch in Zukunft von der GKV erstattet werden, gilt sie in ihrer bislang gültigen Fassung. Für alle übrigen nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel wird die Preisbindung aufgehoben. Eine Ausnahme von der AMPreisV besteht auch dann, wenn eine Apotheke vertraglich in eine integrierte Versorgungsform eingebunden ist: innerhalb eines solchen Vertrages, der zuvor öffentlich ausgeschrieben werden muss, kann ein abweichender Arzneimittelpreis vereinbart werden. Für weitere "besondere Versorgungsformen" – etwa im Rahmen des Arzneimittelversandhandels – sieht der Arbeitsentwurf im Gegensatz zum GMG keine abweichenden Preisgestaltungsmöglichkeiten vor.
Soweit die AMPreisV einschlägig ist, erhalten Apotheken künftig einen Festzuschlag von 8,10 Euro pro Packung sowie einen dreiprozentigen preisabhängigen Zuschlag auf den Apothekeneinkaufspreis. Entsprechend einer Forderung der Apothekerschaft kann der Festzuschlag mittels einer Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung angepasst werden.
Der Zustimmung des Bundesrats bedarf diese Rechtsverordnung nicht. Statt eines prozentualen Rabattes an die Krankenkassen wird für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel künftig – wie schon im GMG vorgesehen – ein genereller Abschlag von zwei Euro pro Packung fällig. Für andere zu Lasten der GKV abgegebene Arzneimittel gilt ein Abschlag von fünf Prozent. Auch dieser Kassenabschlag ist dynamisch ausgestaltet: Erstmalig können die Vertragspartner des Arzneimittel-Rahmenvertrags mit Wirkung für 2005 den Abschlag in leistungsgerechter Weise anpassen.
Fahrplan für das weitere Gesetzgebungsverfahren
Nun muss noch die politische Leitung des Bundesgesundheitsministeriums den Arbeitsentwurf absegnen. Im Anschluss daran sollen noch in dieser Woche auf der Arbeitsebene der Partner der Konsensverhandlungen Abstimmungen stattfinden – zunächst getrennt. Am 18./19. August soll sodann parteienübergreifend beraten werden. Am 21. August werden nach Auskunft der Ministeriumssprecherin die unionsgeführten Bundesländer in die Gespräche einbezogen. Im Anschluss werden Fraktionen und Parteigremien beraten. Die 1. Lesung im Bundestag ist nun schon für den 9. September vorgesehen. Die 2. und 3. Lesung wird voraussichtlich am 23. September erfolgen. Der Bundesrat soll dem Gesetz am 26. September seine Zustimmung erteilen.
Die Beamten des Bundesgesundheitsministeriums feilen dieser Tage an dem mit Spannung erwarteten Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform. Ein erster Rohentwurf mit 435 Seiten steht bereits – mit der politischen Leitung des Ministeriums war dieser zu Wochenbeginn allerdings noch nicht abgestimmt. Eine Ministeriumssprecherin erklärte am 10. August, dies werde in den nächsten Tagen geschehen. Vorerst werde sich das Ministerium nicht zu den Inhalten des "1. Arbeitsentwurfs" äußern. Einige für Apotheker wichtige Regelungen des Entwurfs haben wir erläutert. Außerdem haben wir den Wortlaut der für Apotheken wichtigen Passagen abgedruckt.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.