Arzneimittel und Therapie

Hormonersatztherapie: Brustkrebsrisiko bei Estrogen-Gestagen-Kombinationen erhö

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat in einem Stufenplanverfahren angeordnet, dass in die Produktinformationen von Arzneimitteln zur Hormonersatztherapie erweiterte Angaben zum Risiko von venösen Thromboembolien, koronarer Herzkrankheit, Schlaganfall, Brustkrebs und Ovarialkarzinom aufgenommen werden. Mehrere kürzlich veröffentlichte Studien, darunter die "Million Women Study", haben diese Risiken gezeigt. Arzneimittel zur Hormonersatztherapie sollten nur noch zur Behandlung ausgeprägter Wechseljahresbeschwerden angewendet werden. Außerdem wird empfohlen, die Behandlung so kurz und so niedrig dosiert wie möglich durchzuführen.

Das BfArM führt damit seine Neubewertung dieser Arzneimittelgruppe fort (DAZ 8/2003) und setzt außerdem mit anderen europäischen Arzneimittelbehörden vereinbarte Maßnahmen um. Für eine Jahre lange Hormonersatztherapie zur Vorbeugung vor Osteoporose hält das BfArM das Nutzen-Risiko-Verhältnis für ungünstig. Es hat bei seinen Partnern in der EU veranlasst, dass auch zu diesem Punkt eine gemeinsame Bewertung erarbeitet wird. Daher ist das Anwendungsgebiet Osteoporose nicht Gegenstand des aktuellen Stufenplanschreibens. Das BfArM behält sich aber nationale Maßnahmen vor.

Studie an über 1 Million Frauen

Anfang August wurden Resultate aus der Million Women Study zum Zusammenhang der Hormontherapie mit dem Brustkrebsrisiko veröfentlicht. Die Million Women Study untersuchte 1 084 110 Frauen im Alter zwischen 50 und 64 Jahren. Die Studienteilnehmerinnen rekrutierten sich aus Frauen, die an einem nationalen Brustkrebs Screening Programm teilnehmen. 70% dieser Frauen haben an der Erhebung teilgenommen. Dieses bedeutet, dass eine von vier Frauen in Großbritannien an der Studie teilnahm. Es handelt sich somit um die weltgrößte Studie dieser Art.

Die Hälfte der Frauen hat eine Hormontherapie angewendet. Es liegen Daten aus den Jahren von 1996 bis 2001 vor. Verschiedene Formen der Hormontherapie waren mit einer unterschiedlich ausgeprägten Risikosteigerung verbunden. In absoluten Zahlen bedeuten die Ergebnisse, dass nach zehnjähriger Anwendung einer Hormonersatztherapie fünf zusätzliche Brustkrebsfälle pro 1000 Anwenderinnen einer Estrogenmonotherapie und 19 zusätzliche Karzinome pro 1000 Frauen bei Anwenderinnen einer Estrogen-Gestagen-Kombination auftreten.

Brustkrebsrisiko erheblich erhöht

Für die nationalen Verhältnisse in Großbritannien bedeutet dies, dass die Hormontherapie bei 50- bis 64-jährigen Frauen in den letzten 10 Jahren zu 20 000 zusätzlichen Brustkrebsfälle geführt hat, wovon 15 000 mit der Estrogen-Gestagen-Anwendung assoziiert waren. Die zusätzlichen Todesfälle können aufgrund der Daten nicht zuverlässig geschätzt werden.

Es besteht eine positive Korrelation zwischen der Anwendungsdauer und dem Anstieg des Brustkrebsrisikos. Die bisherige Annahme, dass die Brustkrebsinzidenz ausschließlich durch eine Kombination aus konjugierten Estrogenen und dem Gestagen Medroxyprogesteronacetat, wie sie in der WHI eingesetzt wurde, erhöht wird, scheint somit nicht zutreffend zu sein.

Die Studie zeigt außerdem, dass Frauen, die Arzneimittel zur Hormonersatztherapie anwenden, auch ein höheres Risiko haben, an Brustkrebs zu sterben, als Nicht-Anwenderinnen und dass das Brustkrebsrisiko schon innerhalb des ersten Behandlungsjahres einer Hormonersatztherapie mit kombinierten Arzneimitteln erhöht ist. Bestätigt wurde aber ebenso, dass das Brustkrebsrisiko nach Absetzen einer Hormonersatztherapie innerhalb weniger Jahre wieder auf das altersentsprechende Grundrisiko zurückgeht.

Hormontherapie nur bei entsprechender Indikation einsetzen

Ob bzw. welche weiteren Maßnahmen auf Grund der Million Women Study und anderer aktueller Publikationen möglicherweise zusätzlich zum jetzigen Stufenplanbescheid erforderlich sind, wird zunächst auf europäischer Ebene beraten.

Für Ärzte und Anwenderinnen gilt vorläufig, dass insbesondere Estrogen-Gestagen-Kombinationen zur Behandlung ausgeprägter Estrogenmangelsymptome nur nach ausführlicher Aufklärung der Patientin über die bereits im ersten Anwendungsjahr zu erwartenden schwerwiegenden Risiken verordnet oder angewendet werden sollten. Dabei ist die individuelle Gesundheitssituation zu berücksichtigen.

Die Behandlung sollte so kurz und so niedrig dosiert wie möglich erfolgen. Bei Frauen ohne Gebärmutter sollten nur Estrogene und nicht Estrogen-Gestagen-Kombinationspräparate angewendet werden.

Literatur

Million women study collaborators. Breast Cancer and hormone-replacement therapy in the million women study. Lancet, 362, 419 – 27 (2003). Pressemitteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 18. August 2003. Hormontherapie und Brustkrebsrisiko - Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe zu den Ergebnissen der One Million Women Study vom 13. August 2003. ck

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.