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Außenansicht: Arzneimittelsicherheit – Führerschein für Medikamente?
Der pharmazeutische Hersteller kommt seiner Informationspflicht mit der Packungsbeilage nach. Damit ist den Vorschriften Genüge getan und Gesetzgeber, Produzent, Ärzte und Apotheker gehen fortan davon aus, dass der Patient die im Beipackzettel gegebenen Ratschläge auch befolgt.
Befolgen kann er sie aber nur, wenn er sie gelesen hat, und das tun sehr viele Patienten nicht. Die einen, weil sie sich durch Arzt oder Apotheker schon genügend aufgeklärt fühlen, die anderen, weil sie sowieso nur negative Details darin zu finden fürchten. So ist der Beipackzettel, der nicht nur Gebrauchsinformation heißt, sondern auch eine sein soll, Anlass zu ständiger Kontroverse.
Und so wie sich pharmazeutische Produkte von anderen Konsumgütern unterscheiden, so tun dies ihre Gebrauchsanweisungen auch. Bei Reinigungsmitteln für den Haushalt beispielsweise erfährt der Konsument, welche Arten von Flecken wie am besten entfernt werden, nicht jedoch wird er darauf hingewiesen, die Reinigungsflüssigkeit nicht zu trinken.
Bislang würde der Chemikalienhersteller im Falle eines solchen Versuchs auch nicht verklagt, etwa mit der Begründung, er habe vor dem Trinken seines Produkts nicht genügend gewarnt. Bislang wie gesagt, denn in den USA gewinnen lebenslange Raucher bereits Prozesse, und zwar mit der Behauptung, sie seien nicht genügend darauf hingewiesen worden, dass Rauchen der Gesundheit abträglich ist.
Und wie ist das bei Arzneimitteln? Hier überwiegen die Hinweise auf Risiken und Nebenwirkungen, neuerdings sogar mit Häufigkeitsangaben, während dem Nutzen, dessentwegen ein Arzneimittel eigentlich angewandt wird, ein nur bescheidener Platz eingeräumt wird.
Erstaunlich ist nur, dass trotz der vielen Warnungen und Hinweise die Arzneimittelzwischenfälle durch Falschanwendung zunehmen, ja sogar deren Hauptursache sind. Dass der pharmazeutische Hersteller im Beipackzettel auf Anwendungsbeschränkungen und Unverträglichkeiten mit anderen Substanzen hingewiesen hat, nützt ihm im Zweifelsfalle nichts, denn in einem Prozess wird man ihm vorwerfen, sich mit seinen Warnungen nicht genügend klar ausgedrückt zu haben.
So wurde in den USA einer Klägerin Recht gegeben, die ein Mittel mit potenzieller Fruchtschädigung angewandt hatte, weil sie glaubhaft machen konnte, dass sie den Begriff "Missbildung" nicht verstanden habe. Der Hersteller hat dies später mit einem dem Medikament beigegebenen Bild deutlich gemacht, was im Einzelfall sicher möglich ist, aber jede im Beipackzettel aufgeführte Nebenwirkung in dieser Form zu verbildlichen, würde das Packungsformat vermutlich sprengen.
Arzneimittel wie auch Automobile sind per se nicht gefährlich, Probleme mit ihnen entstehen meist erst durch ihren fehlerhaften Gebrauch. Damit ein Auto sicher durch den Verkehr geführt werden kann, muss sein Gebrauch erlernt werden, was einem mit dem Führerschein bestätigt wird.
Die gleichen Bedenken wie mit Autos hat der Gesetzgeber bei Arzneimitteln nicht. Obwohl sie hoch wirksame chemische Produkte sind, bei deren Anwendung viele "Verkehrszeichen" zu beachten sind, lässt man Laien völlig unkontrolliert mit ihnen umgehen. Wahrscheinlich geht man davon aus, dass die Fehler beim Autofahren vor allem andere gefährden können, die Fehler bei der Arzneimittelanwendung aber nur den Anwender selbst.
So ganz stimmt dies freilich nicht. Das Auftreten eines Arzneimittelzwischenfalls, der nie dem ihm verursachenden Arzt (durch Falschverordnung) oder Patienten (durch Falschanwendung) angelastet wird, hat nämlich in zunehmendem Maß zur Folge, dass unter medialem und öffentlichem Druck Arzneimittel vom Markt genommen werden, damit sie niemandem mehr schaden können. Nutzen können sie damit auch niemandem mehr, und darin liegt der eigentliche Schaden der Aktion.
Wenn das Fehlverhalten dann auch noch durch Gerichte mit Schadensersatzzahlungen in Millionenhöhe belohnt wird, dann wird es wohl eines Tages kein pharmazeutisches Unternehmen mehr geben, das sich auf ein so langwieriges und riskantes Unternehmen wie die Entwicklung einer Arzneimittelinnovation einlassen will. Unproblematischer und profitabler ist es nämlich, statt Arzneimittel Kosmetika herzustellen.
Das Arzneimittel, um es ganz klar zu sagen, ist eben nicht irgendein Konsumgegenstand, es ist ein Gut öffentlichen Interesses. Dass es vor irrationalen Aktionen geschützt werden muss, liegt nicht nur im Interesse seiner Hersteller, sondern auch in dem seiner Verbraucher, die von ihm einen gesundheitsbewahrenden Nutzen haben.
Den Vorschlag, für den richtigen Umgang mit Arzneimitteln so wie bei Autos einen "Führerschein" einzuführen, werden die meisten wohl eher amüsiert zur Kenntnis nehmen. Nicht gleichgültig lassen sollte uns aber die Erfahrung, dass durch den fehlerhaften und teilweise verantwortungslosen Umgang mit Arzneimitteln und die daraus resultierenden Folgen ein ideeller und materieller Schaden unerhörten Ausmaßes angerichtet wird. Der Mensch erwartet größtmögliche Sicherheit bei der Anwendung von Arzneimitteln. Das Arzneimittel verdient höchstmögliche Sorgfalt im Umgang mit ihm.
Klaus Heilmann
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