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Berichte
Pharmazeutisches Kolleg Leipzig: Fortbildung über Hypertonie
Physiologie und Pathophysiologie
Priv.-Doz. Dr. med. Beate Raßler vom Carl-Ludwig-Institut für Physiologie der Universität Leipzig referierte über die Physiologie und Pathophysiologie der Blutdruckregulation.
Wesentliche Regulationsmechanismen sind der Frank-Starling-Mechanismus, die Windkesselfunktion der Aorta und die Beeinflussung der Gefäßweite und des Blutvolumens durch Pressoreflexe, Hormone des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems sowie den Atrialen Natriuretischen Faktor (ANF), das Antidiuretische Hormon (ADH) und das Natriuretische Hormon.
Es gibt verschiedene Formen der Hypertonie:
- Die primäre (auch essenzielle oder idiopathische) Hypertonie kommt bei 95% aller erwachsenen Hypertonikern vor. Die Ursachen sind nicht geklärt; es wird jedoch eine genetische Disposition diskutiert, die zu einem Defekt bei der Natrium-Ausscheidung führt.
- Die häufigste Form der sekundären bzw. symptomatischen Hypertonie ist die renale Hypertonie, die auf Stenosen, Tumoren oder Zysten der Niere beruhen kann und aufgrund nachfolgender Messfehler im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System zum Hypertonus führt.
- Weitere sekundäre Hypertonieformen sind die endokrine, kardiovaskuläre, neurogene und die iatrogene Hypertonie.
Einsatz von Antihypertonika
Prof. Dr. Karen Nieber vom Leipziger Institut für Pharmazie referierte über den Einsatz von Antihypertonika. Sie erläuterte, dass es das Antihypertensivum nicht gibt, denn von der Hochdruckliga werden nunmehr fünf Wirkstoffklassen empfohlen.
Seit November 2002 gilt ein neues, erweitertes Therapieschema der Deutschen Hochdruckliga: AT-II-Antagonisten sind darin nun eine gleichberechtigte Alternative für die Mono- und Kombinationstherapie neben Diuretika, Betablockern, ACE-Hemmern und Calciumantagonisten. Anlass für die Hochdruckliga, ihr Therapieschema zu erweitern, waren Ergebnisse großer klinischer Studien.
Bei vielen Patienten reicht eine Monotherapie zur angemessenen Blutdruckeinstellung nicht aus, sondern es sind Kombinationstherapien notwendig. Die Differenzialtherapie mit Antihypertensiva sollte sich am Alter und den Begleitkrankheiten orientieren.
- Älteren Patienten sollten keine ACE-Hemmer oder Betablocker verordnet werden. Diuretika und Calciumantagonisten hingegen werden empfohlen.
- Bei obstruktiven Atemwegserkrankungen sind Betablocker kontraindiziert; Diuretika sollen nicht eingesetzt werden, um eine Dehydratation zu vermeiden. Calciumantagonisten, ACE-Hemmer oder AT-II-Antagonisten sind hier vorteilhafter.
- Bei einer Niereninsuffizienz sind ACE-Hemmer kombiniert mit Calciumantagonisten oder Diuretika zu bevorzugen.
- Betablocker sind bei Patienten, die zur Bradykardie neigen, ungeeignet, Diuretika hingegen bei tachykarden Patienten.
- Abweichend von den Therapieempfehlungen der Hochdruckliga erweisen sich nach Meinung von Nieber bei Benigner Prostatahyperplasie (BPH) Alpha-1-Blocker als günstig.
- In der Schwangerschaft sind Betablocker das Mittel der 1. Wahl, denn nur sie verfügen bei dieser Indikation über eine Zulassung. Eher nutzlos wäre eine Kombination von ACE-Hemmern mit AT-II-Antagonisten.
Chemie der Antihypertonika
Ein weiterer Höhepunkt der Vortragsreihe war der Exkurs in die Pharmazeutische Chemie von Professor Kurt Eger. In einem geschichtlichen Abriss stellte er dar, dass alte Arzneistoffe nicht an Aktualität verloren haben, sondern vielmehr eine sehr wichtige Rolle bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe spielen. Sulfonamide wurden zu Diuretika weiterentwickelt.
So trägt Bosentan (Tracleer®), ein neuer Wirkstoff zur Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie, alte Sulfonamid-Strukturanteile (s. Formel). Die chemischen Strukturen der Sartane zeigen ebenfalls starke Ähnlichkeiten.
Eger schlussfolgerte, dass es sehr wichtig ist, die Strukturen neuer Wirkstoffe kritisch zu betrachten, um zu unterscheiden, ob es sich um innovative Neuentwicklungen oder um Scheininnovationen, also me-too-Präparate handelt, die eventuell ein verbessertes Nebenwirkungsspektrum haben.
Hypertonie-Management in der Apotheke
Dr. Ralf Goebel verdeutlichte die Bedeutsamkeit der Pharmazeutischen Betreuung von Hypertonie-Patienten in der Apotheke. Hierzu gehören die Lösung arzneimittel- oder therapiebezogener Probleme und eine Therapieverlaufskontrolle mit einer systematischen Gesundheitsberatung zur Optimierung der Arzneimitteltherapie.
Derartige Pharmaceutical-Care-Studien wurden in Brandenburg und Thüringen über einen Zeitraum von 6 Monaten in Zusammenarbeit mit Arztpraxen und Apotheken durchgeführt. Innerhalb dieser Zeit ist es bei 40% der Patienten gelungen, einen Zielblutdruck von unter 140/90 mm Hg zu erreichen. Außerdem wurde das Patientenwissen über die Behandlung und den Umgang mit ihrer Erkrankung merklich erweitert.
Der Referent forderte, dass Ärzte, Apotheker und Ernährungswissenschaftler eng zusammenarbeiten müssen, um bessere Erfolge bei der Behandlung von Hypertoniepatienten zu erzielen.
Eine wichtige Aufgabe haben Apotheken auch bei der Identifizierung von unerkannten, unbehandelten Hypertonikern durch Blutdruckmessung in der Apotheke.
Weitere Informationen gibt es im Manual zur Pharmazeutischen Betreuung Band 6 "Hypertonie" vom Govi-Verlag oder auf der Internet-Seite der Hochdruckliga (www.hochdruckliga.info).
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