- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 35/2003
- WDA Sommerakademie: ...
Berichte
WDA Sommerakademie: Strukturwandel der Apotheke
GMG - Traum oder Albtraum
Den Auftakt bildete eine gesundheitspolitische Runde. Dr. Gert Schorn, Referatsleiter im BMGS und dort verantwortlich für den Bereich Apothekenwesen und Arzneimittelverkehr, stellte den Teilnehmern die relevanten Passagen des Reformkonzeptes der Bundesregierung vor und verteidigte diese gegen die z. T. vehemente Kritik aus dem Kreis der Teilnehmer.
Unterstützt wurde Schorn durch den langjährigen Gesundheitsexperten der SPD, Horst Schmidbauer, der seine Ausführungen auf die aus seiner Sicht zwingend erforderliche Liberalisierung des Arzneimittelmarktes fokussierte. Nach Auffassung beider Referenten trage insbesondere die Ausgestaltung des Versandhandels zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Apotheker bei, und die Zulassung von Mehrbesitz erhöhe die Wirtschaftlichkeit und sichere somit Arbeitsplätze.
Schmidbauers "Kanada-Beispiele" vermochten die Teilnehmer allerdings nicht recht zu überzeugen.
Eine konsequente Haltung beschrieb Dr. Peter Homann, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes. Er lehnte die Reform strikt ab und präsentierte stattdessen die Vorstellungen der Apothekerschaft für mehr Effizienz und Patientennähe in der Arzneimittelversorgung.
Wer die Grundsätze des üblichen Einzelhandels auf Arzneimittel und Apotheken anwenden will, der verfüge über keinerlei Gespür für die besondere Situation des Patienten und auch nicht über die Finanzierungsmöglichkeiten der GKV. Für die Apotheker stehe fest, dass durch den Versandhandel und Mehrbesitz auch der Fremdbesitz notfalls durch die Hintertür etabliert werde.
Homann kritisierte auch die Herausnahme von wirksamen und risikoarmen OTC-Arzneimitteln aus der Erstattungspflicht der GKV. Hiermit werde weder eine therapeutische Qualitätsverbesserung noch eine vorhersagbare Einsparung erzielt. Homann forcierte das Home-Service- und Hausapotheken-Modell der Apothekerschaft sowie die fachlich kompetenten Einbeziehung der Apotheken in DMP-Programme und die Betreuung chronisch Kranker.
Prof. Oberender würdigte die Reformbemühungen aus gesundheitsökonomischer Sicht. Das geplante Zentrum für Qualität in der Medizin, ein Kernpunkt der Reform, bezeichnete er aus ordnungsökonomischer Sicht als bedenklich. Das gesamte GMG sei in seiner Zielsetzung ambivalent.
Einerseits solle die Qualität und Autonomie des Patienten gestärkt werden, andererseits setze man auf reine Kostendämpfung mit planwirtschaftlichen Elementen. Insoweit sei bereits die Saat für weitere kurzatmige Sparmaßnahmen gelegt.
Durch die zentralistischen Steuerungsprozesse des GMG würden einzelne Anbieter von Gesundheitsleistungen entmündigt, so Oberender. Der Gesetzgeber wäre gut beraten, die Selbstverantwortung der Individuen zu stärken. Den Apothekern empfahl Oberender, die gesundheitspolitische Herausforderung anzunehmen und tragfähige Zukunftskonzepte anzubieten. Im Mittelpunkt müsse dabei die Identität des Patienten und der Apotheke stehen. Der Versandhandel sei dann ein Nebenkriegsschauplatz.
Mehrbesitz und Partnerschaftsgesellschaft
Im Hinblick auf die geplante Möglichkeit des Mehrbesitzes würdigte Prof. Lutz Michalski, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht Universität Bayreuth, ausführlich den Mehr- und Fremdbesitz von Apotheken. So biete der Mehrbetrieb von Apotheken durch die Partnerschaftsgesellschaft gegenüber anderen Gesellschaftsformen, z. B. OHG, erhebliche Vorteile.
Der derzeitige Ausschluss der Apotheken von der Partnerschaftsgesellschaft wirft nach Meinung von Michalski verfassungsrechtliche Bedenken auf. Sein abschließendes Urteil: "Das Verbot des Betriebs einer Gesellschaftsapotheke in Form einer Partnerschaftsgesellschaft berührt den Schutzbereich von Artikel 12 Grundgesetz sowohl hinsichtlich der Rechte des Apothekers als auch der Gesellschaft selbst.
Der Eingriff dient dem legitimen Ziel des Schutzes der Volksgesundheit. Er ist jedoch nicht gerechtfertigt, da er nicht zur Erreichung des Schutzes der Volksgesundheit geeignet ist und es zudem auch an der Notwendigkeit fehlt. § 8 ApoG ist aus diesem Grund unter dem Artikel 12 Abs.1 GG verfassungswidrig."
Krisenmanagement nach BSSichG
Dem Themenbereich Krisenmanagement und Ertragssicherung in der Apotheke waren drei Seminarveranstaltungen gewidmet.
Markus Händeler, Geschäftsführer der Treuhand Hannover, widmete sich den direkten Auswirkungen des BSSichG auf die Ertragslage der Apotheke und stellte den Teilnehmern ein umfangreiches Paket betrieblicher Maßnahmen zur Verfügung, um die Liquidität zu sichern und Ertragspotenziale zu erschließen.
Apotheker Axel Toussaint, Unternehmensberater für Apotheken, widmete sich dem rationellen Einkauf und der optimalen Lagerhaltung in der Apotheke sowie den optimalen Großhandelskonditionen. An zahlreichen praktischen Beispielen zeigte er die Prüfmöglichkeiten der Konditionen auf und gab wertvolle Tipps für Einkaufsverhandlungen.
Dass sich das OTC-Geschäft lohnt, behauptete Carsten Aehlen, Marketingleiter bei Bayer Vital. Nach seiner Meinung ist die Selbstmedikation eine hervorragende Möglichkeit, Erträge und den Unternehmenserfolg der Apotheke direkt zu beeinflussen. Allerdings müsse dem OTC-Bereich mehr Engagement im Rahmen der Unternehmens- und Marketingstrategie der Apotheken entgegengebracht werden. Wie das funktioniert und welche Erfolge man damit erzielt, machte er an vielfältigen Strategien klar.
Apothekenketten und Franchisesysteme
Einen Einblick in die neue Welt von Apothekenketten, Franchisefilialen, Einkaufs- und Verkaufskooperationen gab Dr. Andreas Kaapke, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung, Köln.
In einem sehr anschaulichen und kurzweiligen Referat konfrontierte er die Apotheker mit dem todernsten und harten Geschäft der Handelskooperationen in seinen vielfältigen Formen. "Man schließt sich nicht zusammen, weil man sich gern hat! Wer nicht funktioniert, fliegt auch wieder raus." Damit nahm er den Apothekern schnell die Illusion, dass wer sich zusammenschließt, schon zu den Gewinnern gehört.
Kaapke gab einen kompetenten Überblick über die Vor- und Nachteile verschiedener Kooperationsformen und die organisatorischen Anforderungen an die jeweilige Struktur und die beteiligten Betriebe. Hierbei wurde schnell deutlich, dass Apotheken noch einen erheblichen Nachholbedarf haben, um die knallharten Anforderungen zu erfüllen.
Trotz des dicht gedrängten Programms und der ausgiebigen Diskussion mit den Referenten fanden die Teilnehmer Zeit für einen Ausflug in die Fränkische Schweiz mit einem Orgelkonzert in der Basilika in Gößweinstein und einem Besuch der Sophienhöhle.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.