Berichte

Symposium: Der Apotheker vor neuen Herausforderungen

"Der Apotheker vor neuen Herausforderungen" Ų aktueller hätte das Thema des Vorsymposiums der Fachgruppe Allgemeinpharmazie auf der Jahrestagung der Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft in Würzburg kaum sein können. Vier Referenten beleuchteten die Herausforderungen aus verschiedenen Blickwinkeln und zeigten entsprechende Strategien auf. Sie waren sich darin einig, dass sich die öffentliche Apotheke mit ihrer Fachkompetenz und Nähe zum Kunden auch in einem stärker liberalisierten Gesundheitssystem positionieren und profilieren kann.

Die Vorsitzende der Fachgruppe, Prof. Dr. Marion Schaefer vom Institut für Klinische Pharmakologie der Humboldt-Universität zu Berlin, moderierte das Vorsymposium.

Pharmazeutische Betreuung und Qualitätsmanagement

Marion Schulte van Werde, Arbeitsgruppe Arzneimittelepidemiologie der Humboldt-Universität, zeigte Möglichkeiten und Perspektiven von Pharmazeutischer Betreuung und Qualitätsmanagement in der Apotheke auf. Aus der Forderung des Sachverständigenrates, Patienten- und Ergebnisorientierung in den Mittelpunkt des Qualitätsmanagements im Gesundheitswesen zu stellen, ergebe sich die Bedeutung der Pharmazeutischen Betreuung. Diese müsse folglich auch im Mittelpunkt des Qualitätsmanagements in der Apotheke stehen; es seien konkrete Anforderungen auf der Struktur- und Prozessebene zu definieren und die Ergebnisqualität als Rückkopplungsebene für Verbesserungsprozesse zu nutzen. Dabei sollten die Qualitätsindikatoren möglichst alle Qualitätsdimensionen abdecken. Eine entsprechende Leistungsdokumentation sollte insbesondere die Anzahl erkannter und gelöster arzneimittelbezogener Probleme umfassen.

  • ine qualitätsgesicherte Pharmazeutische Betreuung biete die Grundlage, sich in die neuen Kooperationsverbände (z. B. im Rahmen von Disease Management Programmen) einzubringen. Dem stehe allerdings ein gewisses "Akzeptanzproblem" seitens der Politik und der Kostenträger entgegen, die im Arzneimittel vor allem einen Kostenfaktor sehen. Einen Ansatz zur Integration der Apothekerschaft stelle das Hausapothekenmodell dar, das erstmalig eine gewisse Honorierung von Betreuungsleistungen vorsieht. Als notwendige "Haus"-Aufgaben seitens der Apothekerschaft nannte Schulte van Werde zusammenfassend
  • ūdas Angebot eines definierten und reproduzierbaren Leistungsprofils und
  • ūein konsequentes Bemühen um die Optimierung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen.

Qualitätszirkel

zur Pharmazeutischen Betreuung

Uta Müller, ebenfalls aus der Arbeitsgruppe Arzneimittelepidemiologie der Humboldt-Universität, schilderte eindrucksvoll, welchen Beitrag Qualitätszirkel zur flächendeckenden Implementierung der Pharmazeutischen Betreuung in die Praxis und zugleich zur Sicherung und Verbesserung ihrer Qualität leisten können. Über den kollegialen Erfahrungsaustausch, die Erarbeitung von Standards und die Integration aller Mitarbeiter in die Umsetzung der Betreuung wurden verschiedene unterstützende Maßnahmen in einem Konzept vereinigt. Während es im ärztlichen Bereich derzeit ca. 5000 organisierte Qualitätszirkel gibt, existierten pharmazeutische Qualitätszirkel bisher nur vereinzelt. In Bayern habe man 1999 begonnen, Apotheken in Qualitätszirkeln zusammenzuführen und die dort erarbeiteten Inhalte allen bayerischen Apotheken zukommen zu lassen. Müller veranschaulichte am Qualitätszirkel Pharmazeutische Betreuung in Augsburg den schrittweisen Entwicklungsverlauf des Konzeptes: Auf der Grundlage gemeinsam entwickelter Standards, die über Schulungen allen Apothekenmitarbeitern zugänglich gemacht werden und einer externen Evaluation unterliegen, wurde der Weg bis hin zur vollständigen Umsetzung der Pharmazeutischen Betreuung vollzogen. Diese mündete schließlich in eine Studie zur Pharmazeutischen Betreuung von Diabetikern, deren Ergebnisse Müller im Vergleich zu einer 1997/98 in Baden-Württemberg von Kahmen durchgeführten Studie zur Betreuung von Diabetes-Patienten vorstellte. Es zeigte sich, dass über den qualitätszirkelgestützten Ansatz eine höhere Betreuungsintensität erreicht und mehr arzneimittelbezogene Probleme erkannt wie auch gelöst werden konnten. Bei den Patienten besserten sich auch die Einstellung zum Gesundheitsverhalten, das krankheitsbezogene Wissen, das Selbstmanagement, die Inanspruchnahme ärztlicher Fußuntersuchungen sowie verschiedene Parameter zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Aus dem von Müller vorgestellten Qualitätszirkelkonzept ging auch eine Antibiotika-Beratungsscheibe hervor, die bundesweit bisher bereits mehr als 100 000 Mal nachgefragt wurde.

Krankheits- und Gesundheitsmarkt

Pierre-André Jud, Fachapotheker in Offizinpharmazie und Leiter der Feelgood’s Gesundheitszentrum AG in Zürich, empfahl den Apothekern als zukunftssichernde Strategie, die horizontale Vernetzung in Qualitätszirkeln um eine vertikale Vernetzung zu ergänzen und den Kompetenzbereich vom Arzneimittel auf die Gesundheit insgesamt auszuweiten. Es gelte, die vielschichtigen Trends und Megatrends im Gesundheitswesen zu beachten und angemessen darauf zu reagieren.

  • ach Meinung Juds spaltet sich das Gesundheitswesen in einen Krankheits- und Gesundheitsmarkt mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Bedürfnissen. Während Jud dem Krankheitsmarkt eine immer stärkere staatliche Regulierung und immer weiter sinkende Preise in Richtung "Null-Marge" prophezeite, sieht er im Gesundheitsmarkt einen liberalisierten, globalen und wachsenden Zukunftsmarkt. Durch die "Vergewerblichung der Gesundheitsberufe" werde die Schulmedizin gegenüber Komplementärmedizin und Gesundheitsdienstleistungen in die Defensive geraten. Für das "Gesundheitszentrum Apotheke" sei es wichtig, die kritische Größe zu erreichen und in die vertikale Vernetzung mit anderen Gesundheitsberufen, Home Care Anbietern, Krankenhäusern sowie in die horizontale Vernetzung mit Apotheken, Reformhäusern, Sanitätsgeschäften oder Drogerien zu investieren. Jud stellte drei künftige Apothekenprofile vor:
  • ūApotheken mit Focus auf den Krankheitsmarkt, bei denen ein QMS, die Pharmazeutische Betreuung, eine Netzwerkbildung mit Ärzten und Krankenhäusern sowie ein rigoroses Kostenmanagement unabdinglich seien,
  • ūApotheken mit Focus auf den Gesundheitsmarkt, bei denen die Kundenkommunikation und innovative Dienstleistungen im Vordergrund stehen, und
  • ūApotheken mit einer gemischten Struktur, die dem Bedarf nach einem ganzheitlichen und umfassenden Gesundheitskonzept folgen.

Die Tendenz gehe weg vom reinen Produkt hin zu neuen, kostenpflichtigen Dienstleistungen. Man müsse sich in Zukunft stärker über eine aktive und permanente Kommunikation (auch auf emotionaler Ebene) dem Kunden nähern. Vor diesem Hintergrund wies Jud darauf hin, dass die Firma MediService als bedeutendster Versandhändler in der Schweiz lediglich einen Marktanteil von 1 bis 2% habe und dass der Versandhändler MedicaDirect gerade Konkurs angemeldet habe.

Das Potenzial

besser nutzen

Die Auffassung, dass der Versandhandel in Deutschland eine eher geringe Bedeutung haben werde, während sich die öffentliche Apotheke als bedarfsorientierte Profil- bzw. Serviceapotheke im Markt positionieren könne, vertrat auch Diplom-Volkswirt Thomas Rudolf vom Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre der Universität Bayreuth, der mit seinem Beitrag Herausforderungen an den Apotheker aus aktueller gesundheitspolitischer Sicht beleuchtete. In aller Deutlichkeit stellte Rudolf fest, dass Rationierung im deutschen Gesundheitswesen nicht vermeidbar und aufgrund der ständig wachsenden medizinischen Möglichkeiten aus Kostengründen sogar dringend notwendig sei. Den Risikostrukturausgleich sah der Referent zum Bestandsschutz für die Krankenkassen verkommen, da zwar ein Wettbewerb um die Versicherten, aber kein Wettbewerb der Kassen untereinander resultiere. Diese können aufgrund ihrer Monopolstellung vielmehr eine enorme Macht ausüben.

  • en Apothekern legte Rudolf ans Herz, ihre Außenaktivitäten zu steigern und – unter Beachtung der gesetzlichen Regelungen – die Werbung als das Sprachrohr eines jeden Unternehmens stärker zu nutzen. Für die Zukunft prognostizierte er eine Marktbereinigung:
  • ūEin Drittel der öffentlichen Apotheken, vor allem kleine, nichtarztorientierte Apotheken mit einem Umsatz von ca. 1 Mio. Euro, werde wegfallen.
  • ūDagegen gebe es Wachstumspotenziale bei den Service- und Profilapotheken, die mit einem auf die Kundenbedürfnisse zugeschnittenen Leistungsangebot und Sortiment aufwarten.
  • ūVersandapotheken dürften nach einem kurzfristigen Auftrieb stagnieren. Rudolf rechnet mit einem Marktanteil von 4 bis 4,5% (das Bundesgesundheitsministerium prognostiziert 8%, DocMorris 5 bis 5,5%, Jud nur ca. 2%).
  • ūEs seien viele Franchise-Apotheken, an deren Entwicklung insbesondere der Pharmazeutische Großhandel beteiligt sein dürfte, zu erwarten.

Drogerien und Supermärkte wähnte der Referent nicht per se im Vorteil, wenn sie in der Zukunft mehr Arzneimittel in ihr Programm aufnehmen sollten. Von ihnen könne sich die öffentliche Apotheke durch ihre Funktion als Gesundheitsberater abgrenzen. Rudolf sieht die Stärken der Offizinapotheke in der Qualität und in der Beratung sowie in einem individuellen Profil. Er resümierte, die Apotheke habe Zukunft, wenn sie das vorhandene Potenzial den Bedürfnissen der Menschen und damit dem Markt anpasst. In einer Zeit des Umbruchs im Gesundheitswesen sei es hingegen nicht sinnvoll, beharrlich Bestandsschutz zu üben, denn neue Herausforderungen erfordern neue Konzepte. Flexibles, kreatives Denken sei gefragt. Kooperation statt Konfrontation, bei Wahrung der unternehmerischen Selbstständigkeit und Verantwortung, müsse die Devise sein. Zum Abschluss der Veranstaltung stellte Frau Prof. Schaefer fest, dass die Referenten gleiche Aussagen zur Zukunft der Apotheke gemacht haben. In Zukunft müsse jede Apotheke ihr Versorgungsumfeld analysieren und nachfolgend ein eigenes Profil daraus entwickeln, wobei sie auch geeignete Kooperationspartner suchen müsse. Die Kernkompetenzen der Apotheke seien auszuweiten (z. B. Hausapothekenmodell). Nur die Wandlung der traditionellen Apotheke zu einem Gesundheitsdienstleister mit einem unverwechselbaren Betreuungsangebot werde sie auch weiterhin unverzichtbar machen. Marion Schulte van Werde

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