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Arzneimittel und Therapie
Hemmung der Raf-Kinase: Neuer Wirkstoff zur Behandlung von Nierentumoren
BAY 43-9006 ist ein neues potentes, oral aktives Arzneimittel in der Erprobung. Es hemmt das Enzym Raf-Kinase und damit die Signalübertragung in der Zelle. So wird der Signalübertragungsweg Ras/MEK/ERK blockiert, der die Wucherung der Tumorzellen angeregt. Raf ist auch an der Bildung von Blutgefäßen im Tumor beteiligt (Angiogenese).
Wichtiges Enzym im Ras-Signalweg
Die Raf-Kinase ist ein wichtiges Enzym im Ras-Signalübertragungsweg. Auf diesem Weg werden Signale von der Zelloberfläche in den Zellkern übertragen. Der Weg beginnt mit der Bindung eines Wachstumsfaktors an seinen Rezeptor an der Zelloberfläche. Anschließend wird die Ras-Kinase, die an der Innenseite der Plasmamembran liegt, aktiviert.
Aktiviertes Ras aktiviert dann unterschiediche Signalkaskaden, wobei die Signale wiederum über die Aktivierung verschiedener anderer Kinasen an den Zellkern übertragen werden. Zu diesen Kinasen gehört auch die Raf-Kinase.
Die aktivierte Raf-Kinase phosphoryliert und aktiviert weiter die intrazellulären Kinasen MEK (mitogen-activated ERK kinase) und ERK (extracellular signal-regulated kinase). Phosphoryliertes ERK wandert zum Zellkern und phosphoryliert dort Transkriptionsfaktoren. Diese aktivierten Transkriptionsfaktoren führen zur Expression von Genen, die Wachstum und Differenzierung von Zellen regulieren.
Ras-Mutationen bei vielen Krebsarten
Eine Ras-Überexpression und Mutationen im Ras-Gen spielen bei vielen Krebsarten eine wichtige Rolle. Der Ras-vermittelte Signaltransduktionsweg wird dadurch in vielen Krebszellen übermäßig aktiviert und ist zum Teil für die unkontrollierte Vermehrung dieser Zellen verantwortlich.
Eine Überexpression von Ras kommt bei 50% und Mutationen im Ras-Gen bei 30% aller Krebsarten vor. So sind zum Beispiel bei 90% aller Pankreaskarzinome und bei 50% aller Kolorektalkarzinome Mutationen im Ras-Gen zu finden.
Kann die Raf-Kinase als weiterführendes Signal in Krebszellen gehemmt werden, wird das Wachstumssignal des Ras-Signalwegs und damit die Proliferation der Krebszellen gebremst.
Phase-III-Studie mit 800 Patienten begonnen
Mit einer großen randomisierten, plazebokontrollierten Studie soll die Wirksamkeit von BAY 43-9006 bei Nierenzellkarzinom gezeigt werden. Primärer Endpunkt ist das verlängerte Überleben der Patienten. Außerdem wird die Ansprechrate auf die Behandlung bewertet und der Zeitraum, in dem die Krebserkrankung fortschreitet.
Weitere zu beurteilende Punkte sind die Sicherheit des Arzneimittels, seine pharmakokinetischen Eigenschaften und die Lebensqualität der Patienten.
Über 800 Patienten werden weltweit in die Studie einbezogen. Voraussetzung für die Aufnahme ist eine nicht operierbare bzw. metastasierende Krebserkrankung, die auf eine vorangegangene systemische Therapie nicht angesprochen hat.
Die amerikanische Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme dem Design und der Größe der Studie zugestimmt. Damit ist auch eine Grundlage für einen geplanten Zulassungsantrag gegeben.
Vorläufige Ergebnisse aus Phase II
Vorläufige Ergebnisse einer Phase-II-Studie mit BAY 43-9006 wurden bereits vorgestellt. Die randomisierte Multicenterstudie (fünf Zentren) bestand aus zwei Phasen: einer zwölfwöchigen Einführungsphase und anschließend einer Randomisierungsphase. Während der Einführungsphase erhielten alle Studienteilnehmer als einziges Medikament BAY 43-9006 oral in einer Dosierung von 400 mg zweimal täglich.
Bisher liegen erste analysierte Daten von 41 Patienten mit fortgeschrittenem oder progressivem Nierenzellkarzinom nach einer Behandlungsdauer von zwölf Wochen vor.
- Bei 73 Prozent der Patienten (30) war keine Tumorprogression nach zwölf Wochen zu beobachten.
- Bei 44 Prozent (18 Patienten) verringerte sich die Tumorgröße um mindestens 25 Prozent.
- Bei 29 Prozent (12 Patienten) stabilisierte sich der Krebs innerhalb eines Bereichs von 25 Prozent Tumorabnahme, verglichen mit der Größe vor der Behandlung.
- Die Therapie wurde bei den übrigen 27 Prozent (11 Patienten) wegen eines Fortschreitens der Erkrankung oder wegen unerwünschter Nebenwirkungen abgebrochen.
Diese ersten Resultate müssen noch bestätigt werden; nach Studienabschluss wird eine endgültige unabhängige Bewertung der Ergebnisse veröffentlicht.
Die in dieser Phase-II-Studie behandelten Patienten hatten einen sich weiter ausbreitenden Krebs. Deshalb ist die häufige Verringerung der Tumorgröße und die Stabilisierung der Erkrankung ermutigend.
Bei allen Patienten hatte mindestens eine systemische Therapie nicht angesprochen; bei Einschluss in die Studie wurde eine weiter fortschreitende Krebserkrankung diagnostiziert. Die häufigsten Nebenwirkungen der Medikation waren milde bis mäßige Hautreaktionen an Händen und Füßen, Ausschläge, Durchfall und Bluthochdruck. Die Nebenwirkungen waren behandelbar und bildeten sich zurück.
Die Teilnehmer der Phase-II-Studie gehören zu einer größeren Studie mit insgesamt 342 Patienten mit sich weiter ausbreitenden, therapieresistenten soliden Tumoren. Dazu gehören Patienten mit Nierenzellkarzinomen (73), Melanomen (31), Kolorektalkarzinomen (115) und anderen Tumoren (123) wie solchen der Bauchspeicheldrüse, der Eierstöcke und der Brust.
Zusätzlich zu dieser Studie wird BAY 43-9006 in einer anderen Phase-II-Studie an Patienten mit fortgeschrittenem Leberkrebs geprüft. In weiteren acht Phase-Ib-Studien wird das Medikament in Kombination mit Standard-Chemotherapeutika untersucht. Bis jetzt vorliegende vorläufige Ergebnisse zeigen, dass BAY 43-9006 bei verschiedenen Krebsformen wirkt. Die neuesten Daten liegen derzeit aber für das Nierenzellkarzinom vor.
Häufigste Form von Nierenkrebs
Das Nierenzellkarzinom ist die häufigste Form von Nierenkrebs. Wahrscheinlich sind der Ras-Signalübertragungsweg und die Angiogenese an der Entstehung beteiligt.
Gegenwärtig beträgt die geschätzte mittlere Überlebenszeit von Patienten mit fortgeschrittenem Nierenkrebs acht bis zwölf Monate; die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt bei unter zehn Prozent. Weltweit wird jedes Jahr bei fast 190 000 Personen ein Nierenkrebs diagnostiziert; über 91 000 sterben jährlich daran.
Bei einem lokal auf die Niere beschränkten Tumor wird das Organ operativ entfernt. Ein fortgeschrittenes Karzinom spricht meist auf eine Chemotherapie nicht an. Die Ansprechraten, definiert als 50-prozentige Abnahme der Tumorgröße, liegen bei unter zehn Prozent. Bei einigen Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung werden gegenwärtig Immunmodulatoren wie Interferon alfa und Interleukin-2 (Il-2) eingesetzt.
Die Ansprechraten sind mit zirka 15 Prozent niedrig. Bei wenigen Patienten führt die systemische Therapie zu einer lang andauernden Rückbildung der Erkrankung. Jedoch beschränken die Nebenwirkungen von Interleukin-2 in hoher Dosierung den Einsatz. Il-2 ist bisher das einzige für die Behandlung des fortgeschrittenen Nierenkrebs zugelassene Medikament.
Gemeinsame Entwicklung von Bayer und Onyx
BAY 43-9006 wird zusammen mit Onyx entwickelt. Bayer HealthCare und Onyx tragen je die Hälfte der Entwicklungs- und Marketingkosten für das Medikament. Dafür bekommt Onyx eine 50-prozentige Ergebnisbeteiligung in den Vereinigten Staaten, wo beide Unternehmen das Produkt im Co-Marketing vertreiben können.
In anderen Ländern außer in Japan erhält Onyx weniger als 50 Prozent, da Bayer die exklusiven Marketingrechte hält. In Japan wird Bayer die Kosten für die Produktentwicklung übernehmen, Onyx wird eine Linzenzgebühr erhalten. Mit dem Beginn der Phase-III-Studien bekommt Onyx von Bayer HealthCare eine Meilensteinzahlung in Höhe von 15 Millionen US-Dollar.
Innerhalb der Forschungs- und Entwicklungspipeline von Bayer ist der Raf-Kinase-Hemmer jetzt das am weitesten fortgeschrittene Projekt. Bis das Präparat zur Zulassung angemeldet werden kann, dürften allerdings noch mindestens zwei Jahre vergehen. hel
Bayer HealthCare Pharma und Onyx Pharmaceuticals haben eine internationale Phase-III-Multicenterstudie mit dem oralen Wirkstoff BAY 43-9006 zur Therapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms begonnen. Damit wird die Wirksamkeit und Sicherheit des neuen Arzneimittels getestet. Der Wirkstoff hemmt die Signalübertragung in der Zelle und stoppt damit das Wachstum von Krebszellen.
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