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Deutsche Gesellschaft für Geriatrie: Was brauchen ältere Menschen?
Alte haben keine große Lobby und die, die sich in der Medizin mit den Problemen der Alten beschäftigen, auch nicht. Ein Hauptproblem ist die Multimorbidität – in der Geriatrie wird anstelle des Alters in Jahren auch eher die Bedrohung der Alltagsfähigkeit durch Multimorbidität als Kriterium herangezogen. Die so genannten geriatrischen "Is" charakterisieren die wichtigsten Probleme: Immobilität, Inkontinenz, intellektueller Abbau, Instabilität, Isolation; hinzu kommen Schmerz und Schwindel.
In der Geriatrie gilt, was in nahezu allen medizinischen Sparten zu beklagen ist: die fehlenden Finanzen führen zu immer stärkeren Beschränkungen. Während ein Altersheim für einen niedergelassenen Arzt früher ein Glücksfall war, ist es heute nahezu eine finanzielle Bedrohung. In der Forschung gewonnene hervorragende Ergebnisse können nicht in die tägliche Praxis umgesetzt werden, mit der Folge einer verminderten Lebensqualität.
Auch in der Geriatrie wird die Aus- und Weiterbildung dem Bedarf nicht gerecht. An den Universitäten gibt es kaum eigenständige Bereiche für Geriatrie, keine entsprechende Lehrkapazität. In der neuen Musterweiterbildungsordnung kommt die Geriatrie als Schwerpunkt nicht mehr vor.
Im Übrigen sollte man in der Öffentlichkeit nicht so viel von Anti-Aging sprechen, sondern von Pro-Aging – das Altern akzeptieren, versuchen, gesund alt zu werden. Dabei ist es immer sinnvoll, Bluthochdruck zu behandeln, hingegen hat sich die Hormonersatztherapie inzwischen als sinnlos oder sogar schädlich erwiesen, auch viele Nahrungsergänzungsmittel seien völlig nutzlos. Nützlich hingegen, gerade für Ältere, ist das Screening, beispielsweise auf Brustkrebs – das ausgerechnet für über 75-Jährige nicht mehr bezahlt wird!
Ernährung im Alter
30 – 60 Prozent der alten Menschen sind mangelernährt. Die Ursachen sind multifaktoriell – Kau- und Schluckbeschwerden, Probleme bei der Nahrungsbeschaffung und -zubereitung, insbesondere bei Alleinlebenden, Pflegefehler.
Dieses Thema wird von den Ärzten (ambulant wie klinisch) völlig vernachlässigt, der Ernährungsstatus wird selten erhoben. Alte können den Mangel nicht mehr aufholen, wenn sie akut erkranken, haben sie ein erhöhtes Risiko für Morbidität und Mortalität.
Dabei gibt es gute Möglichkeiten zur Vorbeugung bzw. Therapie in Form von Supplementen in flüssiger Form (Trinknahrung bzw. falls notwendig Sondennahrung, die alle notwendigen Stoffe enthalten, die allerdings zunehmend nicht mehr von den Krankenkassen finanziert werden). Während bei Jüngeren ein Body Mass Index von 18 als Grenze zur Unterernährung gilt, kann bei Älteren schon ein BMI von 20 oder sogar 22 ein Risiko darstellen.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin hat sich entschlossen, eine Leitlinie zur "Enteralen Ernährung in der Geriatrie und der geriatrisch-neurologischen Rehabilitation" zu erarbeiten.
Schmerz
Alte Menschen haben fast ausnahmslos Schmerzen (z. B. haben 80 Prozent der 75-jährigen Arthrose, Osteoporose verursacht starke Schmerzen u. a.). Da Bewegung schmerzt, wird sie zunehmend vermieden, die resultierende Immobilität wirkt in jedem Falle negativ.
Schmerz muss rechtzeitig erkannt und behandelt werden, um einer Immobilisierung und einem damit verbundenen Verlust an Aktivität und Lebensqualität entgegenzuwirken. Bei chronischem Schmerz ist ein möglichst konstanter Wirkspiegel eines Analgetikums anzustreben.
Zu wenig beachtet werden Wechselwirkungen verschiedener Medikamente. Bei multimorbiden Patienten mit einer breiten Dauermedikation (Kardiaka, Antikoagulanzien, psychotrope Substanzen) empfiehlt sich bei starken Schmerzen retardiertes Hydromorphon und retardiertes Oxacodon. Problematisch ist z. B. die Erfassung von Schmerz bei Demenzpatienten.
Schwindel
Bis zu knapp 70 Prozent der Älteren sind vom Symptom Schwindel betroffen, mit höherem Alter noch zunehmend. Die Bezeichnung für dieses weit verbreitete Symptom ist nicht sehr passend. Besser trifft: "nicht gut auf den Beinen, nicht gut beisammen, nicht gut im Raum orientiert". Die Ursachen sind zu 50 Prozent gut zu klären – neurologisch, Hör- und Sehstörungen, Ernährung usw.
50 Prozent sind nicht zu klären, sie werden dann meist "Altersschwindel" genannt. Viele Faktoren können dabei eine Rolle spielen, die nicht im einzelnen identifiziert werden können: Herz-/Kreislauferkrankungen, Innenohr, psychische Komponenten, Gangstörungen, Diabetes, Multimedikation, depressive Symptome u. a.
Schwerwiegende Folge ist die aus der Angst vor Sturz resultierende Isolation. Dabei ist eine Besserung durchaus möglich. Zunächst sollte die Therapie des Grundleidens optimiert werden. Darüber hinaus hat eine Untersuchung gezeigt, dass die Behandlung mit dem "Uraltpräparat" Dimenhydrinat, gefolgt von einem körperlichen und geistigen Alltagstraining, beachtliche anhaltende Erfolge zeitigt.
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