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LAV und BKK-Landesverband Niedersachsen: Hausapotheke – offensiv gegen die
Niedersächsische BKK-Versicherte sollen sich ab 1. April freiwillig für eine Hausapotheke entscheiden können. Bis dahin sollten die Apotheken in Niedersachsen auf das neue Angebot vorbereitet sein. Schon im Vorfeld dürften Nachfragen von interessierten Patienten zu erwarten sein, sobald die Krankenversicherungen das Konzept in der Öffentlichkeit propagieren. Außerdem sollten die Apotheken ihre Leistungen anhand des neuen Konzeptes strukturieren.
Die DAZ recherchierte bei ABDA-Vizepräsident Heinz-Günter Wolf, dem wohl aktivsten Verfechter der Hausapotheke, was unter dem Begriff zu verstehen ist, und bei Dr. Klaus-Martin Prang, Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover, welche wirtschaftlichen Folgen das Konzept haben wird.
Die Voraussetzungen ...
Als Voraussetzung für Apotheken, die sich den BKK-Versicherten als Hausapotheken anbieten wollen, sieht Wolf die Qualifikation für eine kontinuierliche Medikationsbetreuung an. Hierzu solle ein Lehrgang konzipiert und festgeschrieben werden, der sich inhaltlich an den Einstiegsseminaren für die Pharmazeutische Betreuung, z. B. bei Diabetes oder Asthma, orientiert. Außerdem müsse die Apothekensoftware Medikationsprofile erarbeiten können. Die Software solle bald so ausgebaut werden, dass diese Profile auch für den Arzt ausgedruckt werden können, soweit dies bisher noch nicht möglich ist.
... und die Konsequenzen
Dementsprechend qualifizierte Apotheken sollten sich durch ein Logo als BKK-Hausapotheken kennzeichnen können. Damit würde die Werbung der Apotheken aufgreifen, was die Betriebskrankenkassen vermutlich bald beginnen werden. Denn Wolf erwartet, dass diese Kassen ihre Versicherten demnächst offensiv auf die neue Möglichkeit aufmerksam machen werden. Hierzu werde auch gemeinsames Informationsmaterial der Krankenkassen und der Apotheken entwickelt.
So würden künftig die Apotheken vor Ort vom Marketing der Kassen profitieren - und nicht Versandapotheken im Ausland. Außerdem dürfte der Wettbewerb unter den Kassen dafür sorgen, dass sich bald auch andere Krankenkassen im Interesse ihrer Versicherten für das Konzept interessieren und ihre Aufmerksamkeit wieder auf den bewährten Vertriebsweg richten. Die Hausapotheke ist damit für Wolf die logische Antwort auf den Begriff der Versandapotheke, der in jüngster Zeit in den Medien aufgebaut wurde.
Leistungen für die Patienten
Die Rolle als Hausapotheke bedeutet für die Apotheke, das Medikationsprofil des Patienten mit verschriebenen und in der Selbstmedikation erworbenen Arzneimitteln zu erfassen und zu überwachen. Hierfür ist ein Honorar von 5 Euro pro Quartal und Patient vorgesehen. Dem Patienten wird zugesagt, die Arznei- und Hilfsmittel nach Hause zu liefern, sofern dies erforderlich ist.
Wolf machte deutlich, dass hierbei ein Schutz vor Missbrauch vorgesehen ist. Es gehe nicht darum, eine Packung Hustenbonbons zu liefern, sondern Kranke zu versorgen. Außerdem liege es im pharmazeutischen Ermessen des Apothekers, einen Boten mit angemessener Qualifikation auszuwählen. Die Erstverordnung eines Arzneimittels erfordere sicher eine Beratung durch pharmazeutisches Personal, die Lieferung lange bekannter Inkontinenzartikel dagegen nicht.
Die Funktion der Hausapotheke zielt für Wolf außerdem auf eine Dauerversorgung mit Hilfsmitteln. Nach den jüngsten vertraglichen Konzepten soll ein Fax an die Krankenkasse ausreichen, um die Genehmigung für die Versorgung über ein Halbjahr zu erhalten. Alle diese Elemente zusammen sollen Versandapotheken überflüssig machen.
Rechnet sich das?
Darin sehen die Verfechter des Konzeptes einen wesentlichen Vorteil für die Apotheken. Für Dr. Klaus-Martin Prang, Treuhand Hannover, liegt das Hausapothekenmodell zudem genau im derzeitigen politischen Trend. Doch neben den Folgen für die Apotheken insgesamt ist auch zu fragen, was das Hausapothekenmodell für jede einzelne Apotheke betriebswirtschaftlich bedeutet. Auf die Frage, was das neue Engagement eine einzelne Apotheke kostet, hat Prang derzeit noch keine Antwort in Euro und Cent.
Dies hängt - wie alle kostenrechnerischen Aussagen - wesentlich von der Fragestellung ab. So sei beispielsweise zu fragen, ob die Kosten für Schulungen und qualitätssichernde Maßnahmen dem Hausapothekenmodell anzulasten wären. Denn Fortbildung und Qualitätsmanagement sind auch ohne Hausapotheken wichtig, erhalten hier aber eine zusätzliche Bedeutung.
Für aussagefähige Modellrechnungen müssen nach Einschätzung von Prang erst einmal die Handlungsalternativen genauer definiert werden. Hierzu werde eine Evaluierung stattfinden. In den Apotheken müsste zudem geprüft werden, wie die Hausapothekenleistungen organisiert werden sollen. Insbesondere für die Hilfsmittelversorgung biete sich die Zusammenarbeit von Apotheken in der pharmazeutischen Leistungsgemeinschaft an. Möglicherweise sei sogar an externe Gesellschaften zu denken, die für die Apotheken tätig werden könnten. Doch unabhängig von organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Details sei das Konzept wegen seiner Gesamtwirkung auf Krankenkassen und Patienten zu begrüßen. So erwartet Prang, dass die Apotheken künftig in der Öffentlichkeit mit einem ganz neuen Profil wahrgenommen werden.
Immer wieder wird gefragt, wie es mit den Apotheken in Deutschland weitergeht, aber neue konstruktive Vorschläge sind Mangelware. Eine Ausnahme bildet das Konzept der Hausapotheke, das voraussichtlich zum 1. April für Apotheken und BKK-Versicherte in Niedersachsen erstmals Realität wird. Was verbirgt sich hinter dem Begriff Hausapotheke? Ist es nur eine modische Worthülse, bedeutet er neue Belastungen für die Apotheken oder bietet er die erhoffte Zukunftsperspektive für Apotheken und Patienten?
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