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- AZ 21/2004
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Kommentar
Verantwortungsbewusst
Ob grüne Politiker die Folgen ihrer Maßnahmen immer kennen? Zumindest bei dem fragwürdigen Hinauswurf der rezeptfreien Arzneimittel aus der Kassenerstattung scheint das nicht der Fall zu sein. Birgitt Bender, gesundheitspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, lässt z. B. nicht locker und ermuntert die Apotheker, den Wettbewerb doch bitteschön zu nutzen. Im Klartext meint sie: die Preise bei nicht-verschreibungspflichtigen Präparaten nach unten zu schrauben. Doch Preisdumping mit Discount-Preisen bei OTC-Präparaten ist bisher nicht eingetreten, zum Glück. Die Apotheker verhalten sich hier den Patienten gegenüber verantwortungsbewusst, weil Arzneimittel eben nicht wie Bonbons unters Volk gestreut werden. Auch Preiserhöhungen sind nur vereinzelt zu beobachten. Die meisten Kolleginnen und Kollegen halten die Preise einfach stabil.
Das ist für die Patienten eine gute Nachricht, denn eigentlich müssten Preise aus Apothekensicht angehoben werden. Viele rezeptfreie Medikamente sind nämlich so günstig, dass bisher die teuren verschreibungspflichtigen Präparate deren Abgabe subventionierten. Diese Mischkalkulation, wie sie die alte Preisverordnung vorsah, gibt es bekanntlich nicht mehr. Sollten die Apotheker also, wie von den Grünen gewünscht, auf den Wettbewerb setzen, müssten sie wie reine Kaufleute reagieren, also zu Pollenflugzeiten Heuschnupfenpräparate teurer verkaufen oder generell alle rezeptfreien Analgetika ordentlich teuer abgeben, denn der Kopfschmerzpatient verlangt die Mittel, wenn er seine Beschwerden lindern will.
Ob die grüne Politikerin weiß, dass man damit die Notsituation von Kranken ausnützen würde? Bender selbst gibt darauf keine Antwort, für sie ist Wettbewerb per se gut, da macht sie keinen Unterschied zwischen Arzneimitteln und anderen Produkten. Wie gut, dass die meisten Apotheker als Heilberufler handeln und nicht auf Billigheimerstrategien à la Schlecker und Aldi setzen. Ich bin sicher, es zahlt sich für Apothekerinnen und Apotheker auch aus, wenn sie ihre Kunden individuell beraten, sie womöglich vom Weiterführen einer Therapie überzeugen und ihnen hochwertige Arzneimittel zu einem angemessenen Preis anbieten. Derzeit müssen viele Kranke bewährte Therapien, auch wenn sie preisgünstig sind, vollständig aus der eigenen Tasche zahlen. Das hat aber neben anderen Gesundheitspolitikern auch Birgitt Bender zu verantworten, nicht die Apotheker.
Susanne Imhoff-Hasse
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