Kommentar

"Gleich lange Spieße"

Es dürfe keinen Unterschied geben, man wolle faire Wettbewerbsbedingungen, "gleich lange Spieße" für Versender und Präsenzapotheken - das hatte die Ministerin während der Beratungen um das Gesundheitsreformgesetz versprochen. Was sich mittlerweile abzeichnet ist das Gegenteil. Krasses Zeugnis dafür, dass Versandapotheken zu den Lieblingsapotheken des Ministeriums, von Gerichten (und natürlich von Krankenkassen) avancieren, ist der jüngste Urteilsspruch des Oberlandesgerichts Hamm, der eine ausländische Versandapotheke besser stellt als heimische Präsenzapotheken. Diese Internetapotheke (für die schon genug kostenlose Werbung gemacht wurde) darf apothekenpflichtige Arzneimittel, auch verschreibungspflichtige, zu Preisen anbieten, die nicht nach der Arzneimittelpreisverordnung berechnet wurden. Die Preise liegen angeblich etwa 15 % niedriger als die in Deutschland geltenden Festpreise. Außerdem hatte das Gericht nichts dagegen, dass der ausländische Versender auf die bei uns gesetzlich vorgeschriebene Zuzahlung verzichtet.

Sehen so also die gleich langen Spieße aus? Von fairen Wettbewerbsbedingungen ist da nichts mehr übrig, zumal eine deutsche Apotheke gegen das Recht verstoßen würde, wenn sie ihren Kunden ähnliche Konditionen böte. Jetzt soll der Gesetzgeber nur nicht sagen, er habe dies nicht wissen können. Er hat es gewusst, die Problematik war bekannt, zumindest vorhersehbar. Aber: Im GMG hat er keine Regelungen für einen grenzüberschreitenden Warenverkehr mit Arzneimitteln getroffen.

Kaum war die Nachricht bekannt, schob die AOK Rheinland triumphierend nach, dass ihre Versicherten sich ab sofort mit Arzneien von diesem niederländischen Versender versorgen und von den wegfallenden Zuzahlungen profitieren können. Innerhalb zweier Werktage nach Eingang des Rezepts müsse die Versandapotheke liefern, fügte die AOK hinzu. Irrtum - denn diese für deutsche Versender zutreffende Vorschrift gilt wohl kaum für die Niederländer. Der AOK-Patient wird länger auf seine Medikamente warten müssen. Eine Hoffnung auf Gerechtigkeit bleibt: Der Bundesgerichtshof dürfte das Urteil überprüfen. Und der könnte sich an eine Vorschrift im Arzneimittelgesetz erinnern, wonach Arzneimittel aus EU-Mitgliedstaaten nur entsprechend den deutschen Vorschriften an deutsche Endverbraucher geliefert werden dürfen.

Peter Ditzel

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