Arzneimittel und Therapie

Neues Antikoagulans: Ximelagatran schützt bei Vorhofflimmern vor Schlaganfall

In der randomisierten, offenen SPORTIF-III-Studie schützte der orale Thrombin-Hemmer Ximelagatran (Exanta®) Risikopatienten mit Vorhofflimmern mindestens ebenso wirksam vor Schlaganfällen und systemischen embolischen Ereignissen wie eine Warfarin-Standardtherapie. Ximelagatran erfordert zwar keine Gerinnungskontrollen, in den ersten Behandlungsmonaten aber häufige Bestimmungen der Leberenzyme.

Patienten mit einem nicht klappenbedingten Vorhofflimmern haben ein hohes Risiko für einen ischämischen Schlaganfall oder systemische embolische Ereignisse. Warfarin verringert nach den Ergebnissen einer Metaanalyse die Schlaganfallrate gegenüber Plazebo um 62%.

Allerdings erhöht der Vitamin-K-Antagonist die Häufigkeit intrakranieller Blutungen um das 7- bis 8fache. Die Warfarin-Behandlung erfordert aufgrund zahlreicher Wechselwirkungen mit Arzneimitteln und Nahrung eine regelmäßige Gerinnungskontrolle und Dosisanpassungen.

Pharmakokinetische Vorteile

Mit Ximelagatran, dem ersten Vertreter einer neuen Gruppe von Antikoagulanzien, steht möglicherweise eine einfachere und ebenso wirksame Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung. Orales Ximelagatran wird in den aktiven Metaboliten Melagatran umgewandelt, der lösliches und Fibrin-gebundenes Thrombin direkt hemmt. Da der Ximelagatran-Abbau nicht über das Cytochrom-P450-Enzymsystem erfolgt, hat der Arzneistoff nur ein geringes Potenzial für Interaktionen mit anderen Arzneistoffen; Wechselwirkungen mit der Nahrung sind nicht bekannt.

Ximelagatran wird auf den Gebieten der Thrombose-Prophylaxe, Thrombose-Therapie und in der Kardiologie klinisch geprüft. In zwei großen Phase-III-Studien – SPORTIF III und IV – wurde der orale Thrombin-Hemmer bei Patienten mit Vorhofflimmern mit Warfarin verglichen. Die Ergebnisse von SPORTIF III (Stroke prevention using an oral thrombin inhibitor in atrial fibrillation) wurden kürzlich veröffentlicht.

Randomisierte, offene Studie

Die randomisierte, offene Parallelgruppenstudie fand an 259 Zentren in Europa, Asien und Australien statt. Teilnehmen konnten Patienten mit nicht klappenbedingtem Vorhofflimmern mit mindestens einem weiteren Risikofaktor für einen Schlaganfall. Ausgeschlossen wurden unter anderem Patienten mit erhöhter Blutungsneigung, aktiver infektiöser Endokarditis, Niereninsuffizienz, aktiver Lebererkrankung, dauerhafter Erhöhung der Leberenzyme oder Anämie.

Die Patienten bekamen entweder zweimal täglich 36 mg Ximelagatran oder Warfarin mit einem Ziel-INR (International Normalized Ratio) von 2,0 bis 3,0. Acetylsalicylsäure durfte in einer Tagesdosis bis zu 100 mg eingenommen werden. Primärer Endpunkt war das Auftreten eines Schlaganfalls oder eines systemischen embolischen Ereignisses.

Die Nichtunterlegenheit von Ximelagatran gegenüber der Warfarin-Standardtherapie sollte gezeigt werden. 3407 Patienten nahmen teil, 1704 erhielten Ximelagatran und 1703 Warfarin. Die Patienten waren durchschnittlich 70 Jahre alt, über zwei Drittel waren Männer. Fast 70% hatten neben dem Vorhofflimmern mehr als einen Schlaganfall-Risikofaktor.

Primäre Endpunkte ähnlich häufig

Die Patienten wurden im Mittel 17,4 Monate lang beobachtet. 40 Patienten der Ximelagatran-Gruppe und 56 der Warfarin-Gruppe hatten einen primären Endpunkt (Tab. 1). Die jährlichen Inzidenzraten waren mit 1,6% in der Ximelagatran- und mit 2,3% in der Warfarin-Gruppe nicht signifikant unterschiedlich.

In der Ximelagatran-Gruppe starben 78 und in der Warfarin-Gruppe 79 Patienten. Zehn Patienten mit Ximelagatran und neun mit Warfarin erlitten einen tödlichen Schlaganfall, fünf beziehungsweise sieben einen Schlaganfall, der zu Behinderungen führte.

Insgesamt weniger Blutungen

Ein hämorrhagischer (blutungsbedingter) Schlaganfall trat bei vier Patienten der Ximelagatran-Gruppe und neun der Warfarin-Gruppe auf. Andere große Blutungen wurden bei 29 Ximelagatran- und 41 Warfarin-Patienten beobachtet, bei einem Teil von ihnen wurde die Behandlung abgebrochen. Die großen Blutungen traten meist im Gastrointestinaltrakt, als subdurale Hämatome oder als Einblutungen ins Auge auf.

Blutungen im Herzbeutel, hinter dem Bauchfell, in Gelenken oder Wirbelsäule kamen nur unter Warfarin vor. Während große Blutungen in beiden Gruppen ähnlich häufig waren, traten Blutungen insgesamt in der Ximelagatran-Gruppe seltener auf: Betroffen waren pro Jahr 25,8% der Ximelagatran- gegenüber 29,8% der Warfarin-Patienten.

Leberenzym vorübergehend erhöht

Unerwünschte Ereignisse betrafen 87% der Ximelagatran- und 85% der Warfarin-Patienten. Eine asymptomatische Erhö- hung der Leberenzyme (Alanin-Aminotransferase) zeigten 6% der mit Ximelagatran gegenüber 1% der mit Warfarin Behandelten. Die Leberenzyme stiegen meist 2 bis 6 Monate nach Behandlungsbeginn und sanken dann – entweder spontan oder nach Behandlungsabbruch – wieder in den Normbereich.

Eine nachträgliche Analyse ermittelte den Netto-Nutzen der Ximelagatran-Behandlung als kombinierte Rate der Todesfälle, primären Endpunktereignisse und großen Blutungen: 104 dieser Ereignisse traten im Ximelagatran-Arm (4,6% pro Jahr) und 143 im Warfarin-Arm auf (6,1% pro Jahr). Das entspricht einer relativen Risikoreduktion um ein Viertel.

Warfarin- Standardtherapie durch Ximelagatran ersetzen?

Dieser offenen Studie zufolge schützt der orale Thrombin-Hemmer Ximelagatran Risikopatienten mit Vorhofflimmern mindestens ebenso wirksam vor Schlaganfall und systemischer Embolie wie Warfarin. Große Blutungen treten ähnlich häufig auf wie unter der Standardtherapie, insgesamt sind Blutungen etwas seltener.

Eine Nebenwirkung scheint unter Ximelagatran gehäuft vorzukommen: der Anstieg der Alanin-Aminotransferase. Daher ist unter der Ximelagatran-Behandlung zwar keine Gerinnungskontrolle, aber in den ersten Monaten eine häufige Kontrolle der Leberfunktion notwendig.

Die in den USA und Kanada durchgeführte doppelblinde SPORTIF-V-Studie mit 3922 Patienten zeigte eine ähnlich gute Wirksamkeit für Ximelagatran. Auch in SPORTIF V stiegen bei rund 6% der Ximelagatran-Patienten die Leberenzyme. Ob die Warfarin-Standardtherapie bei nicht klappenbedingtem Vorhofflimmern in Zukunft durch Ximelagatran oder durch den ADP-Hemmstoff Clopidogrel ersetzt wird, muss die Zukunft zeigen. Clopidogrel plus Acetylsalicylsäure wird zurzeit in der ACTIVE-Studie bei Patienten mit Vorhofflimmern mit Warfarin verglichen.

INR

International Normalized Ratio, ein Blutgerinnungswert. Ein INR-Wert von 1 entspricht einer normalen Blutgerinnung. Ein INR von 2 bedeutet, dass die Gerinnungszeit verdoppelt ist

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