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Aus Kammern und Verbänden
AK Berlin: Berliner Apothekenumfrage 2004
Ernüchterung auf niedrigem Niveau
Der nüchterne Umgang der Apotheken mit den neuen Rahmenbedingungen nach der Umstellung der Arzneimittelpreisverordnung auf das Kombi-Modell, der Preisfreigabe der OTC-Arzneimittel, der Zulassung von Filialapotheken und des Versandhandels liegt wohl daran, dass die Änderungen nicht überraschend kamen.
Bereits beim Deutschen Apothekertag im September 2003 in Köln war die grobe Linie erkennbar. Die Standesorganisationen vermittelten der Kollegenschaft zeitnah ein realistisches Bild von den anstehenden gesundheitspolitischen Entscheidungen, so auch die Apothekerkammer Berlin in ihrem Informationsdienst "Kammer aktuell".
Besonders deutlich wird die Haltung der Apotheker in den frei formulierten Kommentaren auf den Umfragebogen. Es dominieren handlungsorientierte Aussagen. Ganz anders war dies im vergangenen Jahr nach dem In-Kraft-Treten des Beitragssatzsicherungsgesetzes (BSSichG). Damals wurden von der Mehrheit Existenzängste geäußert, es standen Wut und Verzweiflung im Vordergrund.
Die Änderung der Artikulation darf nicht missgedeutet werden als tatsächliche Verbesserung der Situation nach dem GMG gegenüber dem BSSichG. Die Apothekenleiterinnen und -leiter haben ihre Erwartungen nach dem Tiefschlag des BSSichG offenbar nur auf ein deutlich niedrigeres Niveau eingestellt. Die Talsohle scheint erreicht. Hier und da gibt es erste positive Signale.
Umsatzerwartungen gedämpft
Beim Umsatz überwiegen wie in den Vorjahren ganz deutlich die negativen Zukunftseinschätzungen. Über Dreiviertel aller Berliner Apothekenleiterinnen und -leiter erwarten einen Umsatzrückgang. Der Anteil derjenigen, die von einer neutralen Umsatzentwicklung ausgehen, hat sich weiter verringert. Positive Umsatzerwartungen hegen nur 3 Prozent der Befragten (Abb. 1).
Als Gründe für die negativen Umsatzerwartungen lassen sich die Absenkung der Apothekenabgabepreise durch die neue Arzneimittelpreisverordnung, die Befürchtung eines Preisverfalls bei den OTC-Produkten sowie die Kaufzurückhaltung der Kunden wegen der Belastungen durch die Gesundheitsreform heranziehen.
Stellensituation und Investitionsklima verbessern sich
Auch die Antworten zum Personal unterscheiden sich gegenüber dem Vorjahr. Der Trend zum Abbau von Arbeitsplätzen ist nach wie vor vorhanden, jedoch gedämpfter. Waren 2003 noch 41% bzw. 27% der Apothekenleiterinnen und -leiter der Meinung, sie müssen pharmazeutisches bzw. nicht-pharmazeutisches Personal entlassen, so treffen in der diesjährigen Umfrage lediglich 22% bzw. 14% diese Einschätzung.
Die Reduzierung von Voll- auf Teilzeitstellen haben 31% der Apotheken vor. 2003 waren es noch 50 Prozent. Erste positive Zeichen sind bei der Einstellungsbereitschaft zu erkennen. 6% wollen pharmazeutisches Personal neu einstellen (Vorjahr 2%), und 7% wollen Teilzeit auf Vollzeit aufstocken (Vorjahr 4%). Der Saldo zwischen Einstellungen und Entlassungen hat sich von minus 39% auf minus 16% deutlich verringert (Abb. 2).
Diese Entwicklung ist sicherlich einerseits eine Konsequenz der Personal- und Arbeitszeitreduzierungen im vergangenen Jahr, aber auch das Ergebnis eines nüchternen Vergleichs der Situationen BSSichG und GMG. Hatte das BSSichG neben den realen Einschnitten noch ein gehöriges Verunsicherungspotenzial, wie es in der Zukunft weiter gehen wird, so lässt das GMG zumindest für drei bis vier Jahre eine gewisse Planungssicherheit erkennen.
Ähnliches wie bei der Personalentwicklung gilt auch für die Entwicklung der Investitionen. Nach dem radikalen Absturz aller Investitionsvorhaben im vergangenen Jahr zeigen die Befragungsergebnisse zwar nach wie vor Zurückhaltung bei den Berliner Apotheken, jedoch mit partiellem Mut zum Investieren. Das trifft vor allem auf die EDV zu: 25% der Befragten wollen hier in diesem Jahr investieren; 2003 waren es 15%. Die Modernisierung der Apothekeneinrichtung wollen 11% (Vorjahr 9%) und den Umbau der Räume 6% (Vorjahr 5%) vornehmen.
Risiko Gesundheitspolitik
Als Risiken für die weitere Entwicklung der Apotheken werden mit großem Abstand die Gesundheitspolitik der Bundesregierung, das GMG sowie die realen und in Zukunft befürchteten Folgewirkungen genannt. Hier einige Stichworte aus dem Meinungsspektrum:
- Ein fast 800-jähriger Heilberuf ist von der Politik abgestraft worden,
- Druck der Krankenkassen auf die Apotheken,
- Rückgang der Verordnungen und Packungseinheiten,
- Hohe Zuzahlungen – Patienten verzichten auf Arzneimittel,
- Sinkende Erträge, Preisverfall im OTC-Bereich, Renditeminderung,
- Versandhandel, zunehmende Konkurrenz, "Rabattschlacht",
- Sinkende Kaufkraft.
Chancen durch neue Aktivitäten
Chancen sehen die Berliner Apothekenleiterinnen und -leiter in der Weiterentwicklung des Beratungs- und Kundenservices insbesondere bei der Selbstmedikation, in der Qualifizierung zur Hausapotheke sowie der Profilierung als Kiezapotheke. Auch die permanente Kompetenzerhaltung und Kompetenzsteigerung wird mit Chancen in Verbindung gebracht (s. Kasten).
Daneben werden Werbe- und Marketingmaßnahmen und Spezialisierungen (z. B. Ernährungsberatung, Diabetes, Ausbau des Angebotes an Natur- und alternativen Arzneimitteln) als zukunftsichernd angesehen. Steigendes Gesundheitsbewusstsein und höhere Lebenserwartung der Bevölkerung sind weitere positive Aspekte.
Räumliche Gesichtspunkte, wie die Lage in einem Ärztehaus, der Zuzug neuer Bevölkerung aufgrund des Baus neuer Wohnungen und der Renovierung des Bestandes, werden auch in diesem Jahr als umsatzfördernd bzw. umsatzsichernd genannt. Immer mehr Apotheken rechnen sich Chancen durch die Bildung von Einkaufskooperationen aus. Auch in der Bildung von Filialapotheken werden Potenziale gesehen.
Nicht ganz aufgegeben haben die Apothekerinnen und Apotheker ihre Hoffnung auf eine bessere, insbesondere an den Erfordernissen der Praxis orientierte Gesundheitspolitik, wenngleich die Erwartungen im vergangenen Jahr noch größer waren. Aus Sicht der Apothekerschaft hat die Gesundheitspolitik wohl eher Chancen vertan.
Werbung und Marketingmaßnahmen
In Bezug auf Werbung und Marketingmaßnahmen setzen 68% der Apotheken auch weiterhin auf eine Verstärkung der Selbstmedikation, ein Anstieg um 7% gegenüber dem Vorjahr. Die Ausweitung des (personalintensiven) Dienstleistungsangebotes haben sich 39% zum Ziel genommen, 9% mehr als im Vorjahr. Neue Beratungskonzepte wollen 36% anbieten, ein Plus von 10%. Diese Aussagen korrespondieren mit den Werten zur Personalplanung. Insgesamt also eine leicht positive Entwicklung.
Deutlich weiter nach oben geht der Trend zu Einkaufskooperationen. 56% der befragten Apotheken und damit 10% mehr als im Vorjahr sehen hierin Vorteile und wollen diese nutzen. Den Ausbau des Neben- und Randsortiments wollen 36% der Apotheken voran betreiben, ein Plus von 11 Prozent (Abb. 3).
QMS und Zertifizierte Fortbildung sind gefragt
Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems (QMS) hat im Vergleich zum Vorjahr erheblich an Bedeutung gewonnen. Immerhin 47% (2003 nur 19%) sind dabei oder wollen das Projekt in Angriff nehmen. Die Bedeutung der zertifizierten Qualität ist im Berufsstand fest verankert.
Ein QMS wird als Zukunftssicherung gesehen, um sich im Markt weiter zu entwickeln oder im Markt zu bleiben, zumal wenn Dritte, z. B. Krankenkassen und Pflegeheime, ein QMS-Zertifikat von ihren Lieferanten verlangen. Zugleich wird ein QMS auch als Instrument zur Verbesserung der betrieblichen Abläufe und der Ergebnisqualität angesehen.
Weiter gestiegen ist das Interesse der Apothekerinnen und Apotheker an den Angeboten der Kammer zur Zertifizierten Fortbildung. Für 38% ist Diabetes wichtig (31% im Vorjahr), Asthma nennen 25 Prozent (vs. 14%). Gut angenommen werden auch die von der Kammer im vergangenen Jahr neu angebotenen Zertifizierten Fortbildungen zur Hypertonie und zur Wundversorgung. 25% bzw. 16% der Befragten streben diese Zusatzqualifikationen an.
Als Vorschläge für weitere Angebote (8% der Befragten) wurden u. a. Hauterkrankungen, Geriatrie, Darmerkrankungen und Schmerzen genannt. Derzeit nutzen 43% der Berliner Apothekenteams die Angebote zur Zertifizierten Kompetenzerhaltung, und bei 36% sind derartige Qualifikationen vorgesehen.
Beratung im Focus
Auch an den Ringversuchen der Apothekerkammer Berlin ist das Interesse groß. Beachtlich ist, dass der neue Ringversuch Beratung mit 36% auf Anhieb den höchsten Zuspruch erhielt. Es folgen die Ringversuche Rezeptur (25%) und Blutuntersuchungen (24%). Mit der Entscheidung für die Ringversuche stellen sich die Apothekenteams den neuen Herausforderungen. Das ist als weiteres positives Signal für den Berufsstand zu werten.
Tendenz nach oben
Die Umfrageergebnisse 2004 stehen ganz im Zeichen der praktischen Umsetzung des GMG. Die 2003 artikulierte Ohnmacht gegenüber den Entscheidungen der Politik weicht allmählich der kritischen Reflexion des GMG sowie gezielter Kritik am Handeln der Verantwortlichen. Trotz der für den Berufsstand zweifelsohne immer noch sehr schwierigen Situation sind partiell wieder nach vorn gerichtete Aktivitäten erkennbar.
Die Apotheken setzen auf die dokumentierte Qualität des Betriebes, die Qualität der Produkte und Dienstleistungen, insbesondere der Beratung, und auf die Qualität der Komptenzerhaltung des Personals. Die Apothekerinnen und Apotheker haben die neuen Herausforderungen angenommen und gehen professionell damit um.
Chancen für die Apotheke
- Beratungskompetenz steigern
- Kundenorientierte Beratung
- Homeservice
- Spezialisierung
- Verstärkung der Selbstmedikation
- OTC-Markt
- Monatliche Aktionstage
- Ausbau der sozialen Funktion der Apotheken
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