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Bundesverfassungsgericht billigt Ladenschluss an Samstagen und Sonntagen

KARLSRUHE (ks). Das grundsätzliche Verbot der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) am 9. Juni. Auch die Regelung zum Ladenschluss der Verkaufsstellen am Samstag verstößt dem Urteil zufolge nicht gegen das Grundgesetz. (Urteil des BVerfG vom 9. Juni 2004, Az.: 1 BvR 636/02)

Die Karlsruher Richter haben damit die Verfassungsbeschwerde eines Berliner Warenhauses gegen das gesetzliche Verbot der Öffnung von Verkaufsstellen an Samstagen über die gesetzliche Ladenöffnungszeit hinaus sowie an Sonntagen zurückgewiesen.

Ladenschluss künftig Ländersache?

In seinen Entscheidungsgründen führt der Senat zunächst aus, dass das geltende Ladenschlussgesetz (LSchlG) formell rechtmäßig durch den Bundesgesetzgeber zustande gekommen ist. Der Bund durfte das bestehende Gesetz ändern – allerdings sei er nicht befugt, das Gesetz in Zukunft gänzlich neu zu konzipieren. Das BVerfG befand, dass das LSchlG zwar als bundesgesetzliche Regelung bestehen bleiben kann – ein Bedürfnis für eine bundeseinheitliche Regelung des Ladenschlusses sieht es jedoch nicht. Die Bundesregierung müsse nun prüfen, ob eine bundeseinheitliche Regelung weiterhin sachgemäß ist oder ob sie durch Landesrecht ersetzt werden sollte.

Ladenschluss dient dem Arbeitsschutz

Die Regelung zum Ladenschluss an Samstagen ist nach Auffassung des Ersten Senats zudem mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar: Sie diene dem Gemeinwohlbelang des Arbeitszeitschutzes – und zwar hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit im Tagesablauf. Auf andere Art und Weise, etwa durch das allgemeine Arbeitszeitgesetz, das Betriebsverfassungsgesetz oder Tarifverträge, könne ein verkaufsfreier Abend nicht wirksam gesichert werden.

Angemessene Einschränkung der Berufsausübung

Dem Senat zufolge sind die beanstandeten Regelungen auch angemessen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber Ausnahmeregelungen für einzelne Gewerbe, Örtlichkeiten oder Warengruppen vorgesehen hat. Dazu gehören beispielsweise Arzneimittel, die dringend benötigt werden und deren Bedarf sich für den Nachfragenden unvorhersehbar einstellt. Ausnahmen gibt es ferner für Sonntagszeitungen und frische Backwaren. Zudem darf etwa auf Bahnhöfen und Flughäfen, Tankstellen und Kiosken sowie in Kur- und Erholungsorten über die üblichen Öffnungszeiten hinaus verkauft werden.

Das Gericht vertritt die Auffassung, dass das LSchlG die Berufsausübungsfreiheit trotz dieser Ausnahmeregelungen nicht unangemessen beschränke. Die Ausnahmen stellten die hohe Bedeutung des Arbeitszeitschutzes im Einzelhandel nicht in Frage. Die Richter verwiesen darauf, dass weit über 95 Prozent der Ladenangestellten hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit im Tagesablauf durch das LSchlG geschützt seien. Der Anteil der vom Ladenschluss ausgenommenen Betriebe werde im Einzelhandel auf etwa 6 Prozent geschätzt. Der Erwartung möglicher Umsatzsteigerungen und Gewinne sei jedenfalls verfassungsrechtlich nicht der Vorrang vor dem Arbeitnehmerschutz einzuräumen, betonte der Senat.

Kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz

Auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG, ist die Ladenschlussregelung für den Samstag vereinbar: Für Anbieter von Waren, die nicht unter das Ladenschlussgesetz fallen, und für Gewerbebetriebe dürfen andere Betriebszeiten gelten als für Einzelhandelsgeschäfte, so die Bundesverfassungsrichter. Diese Betriebe unterschieden sich so sehr vom Einzelhandel, dass der Gesetzgeber nicht zu einer für alle einheitlichen Regelung verpflichtet sei.

Grundgesetz schützt Sonn- und Feiertage

Das Verbot der Sonn- und Feiertagsöffnung ist dem BVerfG zufolge gleichfalls mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage sind als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung verfassungsrechtlich geschützt.

Die Art und das Ausmaß dieses Schutzes bedürfen aber einer gesetzlichen Ausgestaltung, so der Senat. Während ein Kernbestand an Sonn- und Feiertagsruhe unantastbar sei, habe der Gesetzgeber im Übrigen Gestaltungsfreiheit. Dem gesteigerten Bedürfnis der Bevölkerung nach Arbeiten an Sonn- und Feiertagen, die ihren Freizeitbedürfnissen zugute kommen, habe der Gesetzgeber durch die Ausnahmeregelungen ausreichend Rechnung getragen.

Keine einstimmige Entscheidung

Die Frage, ob die Ladenschlussregelung für den Samstag eine angemessene Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit für Ladeninhaber ist und mit Art. 3 Abs. 1 GG im Einklang steht, wurde vom entscheidenden Senat übrigens nicht einstimmig beantwortet: Vier der acht Bundesverfassungsrichter vertraten die Ansicht, dass die Beschränkung in den nicht privilegierten Bereichen trotz des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht mehr angemessen sei. Um die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes feststellen zu können, reicht eine Stimmengleichheit im Senat allerdings nicht aus. Deshalb erging die Entscheidung pro Ladenschluss am Samstag, obwohl lediglich die Hälfte der Richterinnen und Richter diese tragen.

Das grundsätzliche Verbot der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts am 9. Juni. Auch die Regelung zum Ladenschluss der Verkaufsstellen am Samstag verstößt dem Urteil zufolge nicht gegen das Grundgesetz. 

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