Arzneimittel und Therapie

Herzinfarkt: Stammzelltransfer verbessert Herzfunktion

Die Herzchirurgie verfolgt einen neuen Therapieansatz: Infarktgeschädigte Herzmuskelzellen sollen mit Hilfe autologer Stammzellen regeneriert werden. Ergebnisse einer randomisierten Studie lassen vermuten, dass adulte Stammzellen die Herzfunktion nach einem Myokardinfarkt verbessern könnten.

Nach einem Herzinfarkt muss das ischämische Gewebe möglichst rasch wieder durchblutet werden, um weitere Myokardnekrosen zu verhindern und die Myokardgröße zu limitieren. Mittel der Wahl ist hierbei die Implantation eines Stents. Auch wenn dieser Eingriff rasch erfolgt, werden Myokardzellen zerstört, da unmittelbar nach dem Gefäßverschluss nekrotische Prozesse einsetzen. Dies führt zu Infarktkomplikationen wie kontraktilen Dysfunktionen und zu einer Ventrikeldilatation. Nachdem experimentelle Studien gezeigt haben, dass durch Stammzellen eine Regeneration des infarktgeschädigten Herzens erzielt werden kann, wurde dieser Therapieansatz erstmalig in der Praxis umgesetzt.

Die BOOST-Studie

In der BOOST-Studie (BOne marrOw transfer to enhance ST-elevation infarct regeneration) wurde die Wirkung einer intrakoronaren Transplantation von Knochenmarkzellen untersucht. An der Studie nahmen 60 Patienten teil, die sich einer erfolgreichen perkutanen koronaren Intervention (Koronarangioplastie und Einführen eines koronaren Stents) unterzogen hatten.

30 Patienten erhielten nach dem Eingriff eine medikamentöse Therapie (ASS, Clopidogrel, ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker, Beta-Blocker und Statine), weitere 30 Patienten zusätzlich fünf Tage nach der Operation über einen Herzkatheter autologe Stammzellen. Diese waren zuvor aus dem Beckenkamm entnommen, aufgearbeitet und über eine intrakoronare Transfusion wieder zugeführt worden. Der primäre Studienendpunkt war die Veränderung der linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) nach sechs Monaten.

Zu Beginn und sechs Monate nach der koronaren Intervention wurde bei allen Patienten die linksventrikuläre Auswurffraktion gemessen. In der Kontrollgruppe war nur eine minimale funktionelle Verbesserung zu verzeichnen (+ 0,7%). In der mit Stammzellen therapierten Gruppe kam es zu einem signifikanten Anstieg von initial 50% auf 56,7% (+ 6,7%). Patienten, bei denen zwischen Beginn der Infarktsymptomatik und der Koronarangioplastie die meiste Zeit vergangen war, schienen besonders von der Stammzellbehandlung zu profitieren. Die Knochenmarktransplantation führte zu keinen unerwünschten Wirkungen; insbesondere waren das Risiko einer Restenose im Stent oder proarrhythmischer Effekte nicht erhöht.

Zukunftsvision: Zellen statt Pillen?

Kommentatoren dieser Ergebnisse weisen darauf hin, dass die BOOST-Studie wichtige Impulse für die Grundlagenforschung setzt. So ist zum Beispiel bislang wenig über die Mechanismen bekannt, die zu einer Verbesserung der Herzfunktion durch autologe Stammzellen führen. Eine Transdifferenzierung der eingesetzten hämatopoetischen Stammzellen in Kardiomyozyten ist unwahrscheinlich; zur Zeit werden eher parakrine Effekte der injizierten Zellen, eine Modulation des Wundgewebes sowie eine verbesserte Gefäßneubildung diskutiert.

Ein genaues Verständnis der zu Grunde liegenden Vorgänge könnte möglicherweise dazu führen, dass eine Injektion von Stammzellen die medikamentöse Therapie ersetzten kann. Ob der neue Therapieansatz Zukunft haben wird, muss in weiteren Studien untersucht werden.

Stammzelltherapie

Unter einer Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation versteht man die intravenöse Infusion hämatopoetischer Stammzellen, die aus Knochenmark, peripherem Blut oder postpartalem Nabelschnurblut gewonnen wurden. Man unterscheidet zwischen autologer Transplantation (Retransfusion patienteneigener Stammzellen) oder allogener Transplantation (Transfusion von Spenderstammzellen). Stammzelltherapien werden bei unterschiedlichen Erkrankungen eingesetzt. Bei einigen Krebsarten gehören sie bereits zum Therapiestandard, bei anderen Erkrankungen werden sie zurzeit noch experimentell durchgeführt. Indikationen

  • Leukämien (chronische und akute myeloische Leukämien, akute lymphatische Leukämie)
  • Lymphome (Non-Hodgkin-Lymphom, Plasmozytom)
  • solide Tumoren (z. B. Brustkrebs)
  • Rheuma
  • Herzinfarkt
  • Parkinson
  • Alzheimer
  • Diabetes
  • Multiple Sklerose

Dr. Petra Jungmayr, Esslingen

Quelle 
Wollert K., et al.: Intracoronary autologous bone-marrow cell transfer after myocardial infarction: the BOOST randomised controlled clinical trial. Lancet 364, 141–148 (2004). 
Hescheler L., et al.: Searching for reputability: first randomised study on bonemarrow transplantation in the heart. Lancet 364, 121 –122 (2004). 

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