- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 43/2004
- Malignes ...
Arzneimittel und Therapie
Malignes Pleuramesotheliom: Antimetabolit gegen Asbesttumor zugelassen
Pemetrexed in Kombination mit Cisplatin ist angezeigt zur Behandlung von chemonaiven Patienten mit inoperablem malignen Pleuramesotheliom (Asbesttumor). Als Monotherapie ist Pemetrexed zugelassen zur Behandlung von Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) nach vorangegangener Chemotherapie. Damit ist es das erste zugelassene Medikament beim so genannten Asbesttumor, eine Erkrankung, deren Häufigkeit in den nächsten Jahren stark zunehmen wird. Grund dafür sind die häufige Asbestverwendung bis in die 1980er Jahre hinein und die lange Zeitdauer von ca. 20 bis 40 Jahren, die zwischen dem Asbest-Kontakt und dem Auftreten des Tumors vergehen kann.
Wirkdauer in malignen Zellen verlängert
Pemetrexed wurde von Eli Lilly and Company in Zusammenarbeit mit der Universität Princeton, New Jersey, USA, entwickelt. Es handelt sich um einen so genannten Multi-Target-Enzym-Inhibitor, der Strukturähnlichkeiten mit Methotrexat aufweist. Pemetrexed ist ein antineoplastisches Antifolat, das seine Wirkung ausübt, indem es wichtige folsäureabhängige metabolische Prozesse unterbricht, die für die Zellreplikation notwendig sind.
In-vitro-Studien zeigten, dass Pemetrexed als Antifolat an mehreren Angriffspunkten wirkt, indem es die Thymidylat-Synthase (TS), Dihydrofolat-Reduktase (DHFR) und Glycinamid-Ribonukleotid-Formyltransferase (GARFT) blockiert, die folatabhängige Schlüsselenzyme der de novo Biosynthese von Thymidin- und Purinnukleotiden sind. Pemetrexed wird sowohl von einem reduzierten Folatcarrier als auch membranständigen folatbindenden Proteintransportsystemen in die Zellen transportiert.
Sobald es sich in der Zelle befindet, wird Pemetrexed schnell und wirksam durch das Enzym Folylpolyglutamatsynthase in Polyglutamatformen überführt. Die Polyglutamatformen werden in den Zellen zurückgehalten und sind noch stärkere Inhibitoren der TS und GARFT. Die Polyglutamatreaktion ist ein zeit- und konzentrationsabhängiger Prozess, der in Tumorzellen stattfindet und - in geringerem Maße - in normalen Zellen. Metaboliten der Polyglutamatreaktion haben eine verlängerte intrazelluläre Halbwertzeit, was zu einer verlängerten Wirkdauer in malignen Zellen führt. Bedingt durch die unterschiedlichen, mehrfachen Angriffspunkte scheint Pemetrexed auch dann noch eine Wirksamkeit zu zeigen, wenn für andere Zytostatika bereits Resistenzmechanismen bestehen.
Bei Asbesttumor Überlebenszeit verlängert
Eine multizentrische, randomisierte, einfach-blinde Phase-III-Studie von Pemetrexed plus Cisplatin gegen Cisplatin bei chemonaiven Patienten mit malignem Pleuramesotheliom zeigte, dass mit Pemetrexed und Cisplatin behandelte Patienten einen klinisch bedeutsamen Vorteil eines um median 2,8 Monate verlängerten Überlebens gegenüber solchen Patienten hatten, die nur mit Cisplatin behandelt wurden.
Eine multizentrische, randomisierte, offene Phase-III-Studie mit Pemetrexed gegen Docetaxel bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasierten NSCLC nach vorheriger Chemotherapie belegte eine mediane Überlebenszeit von 8,3 Monaten bei mit Pemetrexed behandelten Patienten und von 7,9 Monaten bei mit Docetaxel behandelten Patienten. Beide Therapieregime zeigten bei den verschiedenen Wirksamkeitsparametern hier keine signifikanten Unterschiede, wobei sich Pemetrexed jedoch durch eine bessere Verträglichkeit auszeichnete.
Die Patienten, die mit Pemetrexed behandelt wurden, litten deutlich seltener unter Neutropenien, neutropenischem Fieber und Haarausfall. Die bessere Verträglichkeit führte außerdem zu selteneren und kürzeren Krankenhausaufenthalten. Gerade in der palliativen Situation ist es für die Patienten wichtig, dass die Lebensqualität durch die Krebsbehandlung und ihre Nebenwirkungen so wenig wie möglich eingeschränkt wird.
Gefährliche Asbestfasern
Asbest ist eine Sammelbezeichnung natürlich vorkommender faseriger Minerale aus Magnesium, Silikat und Eisen, Magnesium- und Calciumoxid sowie Siliciumoxid. Asbestfasern sind reißfest, spinnbar, hitzebeständig, isolierfähig und chemisch beständig. Aufgrund der hohen Zugfestigkeit, elastischen Struktur und chemisch-physikalischen Eigenschaften wurde Asbest in Unkenntnis gesundheitlicher Risiken zur Wärmedämmung und zum Brandschutz eingesetzt. Der toxische Effekt von Asbest hängt von der kumulativen Dosis und dem Intervall seit Beginn der Exposition ab.
Durch Asbest hervorgerufene Erkrankungen treten typischerweise 15 bis 40 Jahre nach der ersten Exposition auf. Allein in den USA sind seit Anfang des 20. Jahrhunderts über 30 Millionen Tonnen Asbest gefördert, bearbeitet und verwendet worden. Es kommen auch nichtberufliche Asbestexpositionen in Gebäuden, die unter Verwendung dieser Asbestzemente gebaut wurden, vor. Man schätzt, dass die weiter steigende Zahl asbestassoziierter Todesfälle in den USA im Jahr 2030 die Marke von 200.000 überschreiten wird.
Asbest verursacht Lungenfibrosen (Asbestose), pleurale Erkrankungen (Pleuraerguss und Fibrose) und Malignome wie Bronchialkarzinome und Mesotheliome. In vielen Publikationen wurden die physikalischen, biochemischen und pathogenetischen Grundlagen sowie die histopathologischen Besonderheiten asbestverursachter Erkrankungen beschrieben. Dazu gehören
- die chemischen und strukturellen Eigenschaften der Fasern,
- die Belastung der Lunge durch Fasern,
- die Faser-Aufnahme durch pulmonale Epithelzellen,
- die Bildung eisenkatalysierter freier Radikale,
- die DNA-Schädigung,
- die Bedeutung der Zytokin-Wachstumsfaktoren und anderer inflammatorischer Zellprodukte und
- der Einfluss des Zigarettenrauchs.
Kein einzelner Mechanismus konnte bisher für die komplexen biologischen Abnormitäten, die durch Asbest entstehen, allein verantwortlich gemacht werden.
Quelle
Molekulare Grundlagen der Lungenschädigung durch Asbest. Berufsgenossenschaftliches Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin (BGFA).
Folsäure reduziert unerwünschte Wirkungen
Pemetrexed kann die Knochenmarkfunktion unterdrücken. Daher ist die wichtigste Nebenwirkung eine Neutropenie, gefolgt von Thrombozytopenie, Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen und Müdigkeit. Die Knochenmarksuppression ist üblicherweise die dosislimitierende Toxizität. Patienten müssen daher im Hinblick auf die Knochenmarksuppression überwacht werden.
In Phase-III-Studien wurde allgemein eine geringere Toxizität und eine Reduktion der schweren hämatologischen und nicht hämatologischen Toxizität wie Neutropenie oder febrile Neutropenie beobachtet, wenn eine Vorbehandlung mit Folsäure und Vitamin B12 stattgefunden hatte. Daher müssen mit Pemetrexed behandelte Patienten angewiesen werden, Folsäure und Vitamin B12 als prophylaktische Maßnahme zur Reduktion behandlungsbedingter Toxizität anzuwenden.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.