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Bundessozialgericht: Kassen dürfen Festbeträge festsetzen
Die Frage, ob die Festsetzung der Festbeträge durch die Selbstverwaltung rechtmäßig ist, hat die Gerichte nunmehr viele Jahre beschäftigt. Viele Pharmaunternehmen kritisierten die starke Position der Krankenkassen, die gemeinsam mit den Ärzten im Bundesausschuss die Festbetragsgruppen bestimmen und zudem im Anschluss daran alleine die Erstattungsobergrenzen festlegen. Bayer begann den Rechtsstreit um die Festbetragsregelung bereits 1989. Das Unternehmen hält seine Blutdrucksenker "Adalat retard" und "Adalat SL" für zu Unrecht in eine Festbetragsgruppe eingeordnet.
Nachdem die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, ging der Fall vor das Bundessozialgericht. Zwei Mal wurde das Verfahren ausgesetzt. Sowohl das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) wurden in der Sache angerufen. Das BVerfG entschied im Jahr 2002, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die bestehende Selbstverwaltungs-Lösung bestehen. Der EuGH befand 2004, dass auch das europäische Wettbewerbsrecht nicht verletzt ist.
BSG: Gruppenbildung darf Wettbewerb nicht verfälschen
Nun nahm das BSG den Fall wieder auf. Der erkennende Senat zweifelte jetzt nicht mehr an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens zur Festsetzung der Festbeträge. Er bejahte – im Gegensatz zur Vorinstanz – auch die Klagebefugnis der Klägerin. Das Gericht verwies dazu auf die ständige Rechtsprechung des BVerfG: Danach besteht zwar kein grundrechtlich geschützter Anspruch der Marktteilnehmer auf unveränderte – und für alle gleichmäßig geltende – gesetzliche Rahmenbedingungen des Wettbewerbs.
Wohl aber gibt es einen Anspruch auf Einhaltung gleicher Wettbewerbsbedingungen bzw. einen Abwehranspruch gegen staatliche Maßnahmen, die den Wettbewerb der Marktteilnehmer untereinander verfälschen. Und einen solchen Anspruch macht Bayer geltend: Es geht dem Unternehmen darum, festzustellen, dass die Festbetragsfestsetzung den Wettbewerb verfälscht, soweit nicht vergleichbare Arzneimittel in einer Gruppe zusammengefasst sind. Dies sei bei den betroffenen Arzneimitteln Bayers der Fall, weil diese trotz vergleichbarer Wirkstoffe eine andere Bioverfügbarkeit aufwiesen als andere Arzneimittel.
Die besondere Galenik sei sogar patentrechtlich geschützt. Zudem, so die Klägerin, sei gesetzlich vorgeschrieben, dass unterschiedliche Bioverfügbarkeiten wirkstoffgleicher Arzneimittel zu berücksichtigen sind, sofern sie für die Therapie bedeutsam sind. Insbesondere ihr Arzneimittel Adalat SL weise die therapeutisch bedeutsame Besonderheit auf, dass es einen schnell wirkenden und einen verzögert wirkenden Anteil enthalte.
Da sich das BSG nicht mit der Aufklärung von Sachverhaltsfragen befasst, verwies es den Fall an die Vorinstanz zurück. Das LSG wird die Behauptungen der Klägerin nun in erster Linie durch die Einholung von Sachverständigengutachten zu klären haben.
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