Kommentar

Zu früh gefreut

Bei all dem, was wir da am letzten Dienstag und Mittwoch im Handelsblatt, in FAZ und Welt und sonst wo zu lesen bekamen, war offensichtlich der Wunsch der Vater des Gedankens: Anders, als dort durchklang, stellt das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum "Apothekenmonopol" in Schweden keinesfalls europaweit infrage, dass der Vertrieb von Arzneimitteln auch in Zukunft Apotheken vorbehalten bleibt. Im Gegenteil: "Erlaubnissysteme" für den Vertrieb von Arzneimitteln, wie wir sie in Deutschland und fast überall in den entwickelten Ländern kennen, stellen "kein Monopol im wirtschaftlichen Sinn" dar - so schon der Generalanwalt Philippe Léger in seinen Schlussanträgen. Bei ihnen handelt es sich um "offene" Systeme, in denen "jeder Wirtschaftsteilnehmer, der die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen erfüllt, zum Vertrieb eines bestimmten Erzeugnisses berechtigt" ist. Für unser System weiter den Begriff "Apothekenmonopol" zu verwenden, ist also grob irreführend und töricht.

Für Schweden ist er freilich passend. Dort geht es um ein Staatsmonopol. Alle Apotheken des Landes gehören und werden betrieben von der staatlich kontrollierten Gesellschaft Apoteket. Sie hat in Schweden allein und ausschließlich das Recht, Arzneimittel im Einzelhandel zu verkaufen - "ein wirkliches Monopol im wirtschaftlichen Sinne" (so Léger). Dass dort nach schwedischer Gesetzes- und Vertragslage zentralisiert, ohne Ausschreibung und ohne Anfechtungsmöglichkeit eingekauft werden kann, ermöglicht, ausländische Hersteller gegenüber inländischen zu benachteiligen. Schon diese Möglichkeit sei mit dem vom Gemeinschaftsrecht geforderten freien Warenverkehr (Artikel 31) unvereinbar - so der EuGH in seinem Urteil.

Der Gerichtshof bestätigt darin, dass staatliche Monopole nach Gemeinschaftsrecht grundsätzlich zulässig sein können, solange sie jede Diskriminierung zwischen den Angehörigen der Mitgliedstaaten ausschließen. Das schwedische Monopol der staatlichen Apothekenkette erfüllt gegenwärtig diese Voraussetzung nicht. Selbst dieses System lässt sich jedoch so ausgestalten, dass es mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Der EuGH liefert dazu - wie die schwedische Sozialministerin sofort erkannt hat - mit seinem Urteil eine Anleitung.

Dass in Deutschland der Vertrieb der Arzneimittel (mit Ausnahme der freiverkäuflichen) Apotheken vorbehalten ist, wird - anders als von Drogerie- und anderen Handelsketten erhofft - vom EuGH nicht infrage gestellt. Anders als in Schweden gibt es in unserem atomistischen System mit vielen selbstständig agierenden Apotheken keinen zentralisierten Einkauf aller Apotheken, mit dem Hersteller diskriminiert werden könnten. Rossman und sein Freund Schröder haben sich zu früh gefreut.

Klaus G. Brauer

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