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- AZ 36/2005
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ZDF-Sendung stänkert schon wieder: Kosteneinsparung durch Auseinzeln?
Am vergangenen Dienstag, 30. August, war es wieder einmal soweit: Das ZDF-Magazin Frontal 21 hatte sich (mal wieder) die steigenden Arzneimittelkosten vorgenommen. In der Tat - die GKV-Ausgaben für Arzneimittel steigen in 2005 deutlich. Teils aufgrund des Basiseffektes - die ersten Monate 2004 waren sehr schwach - zum guten Teil aber auch aufgrund des weiter galoppierenden Struktureffektes. Innovationen sind teuer. Und die Zahl der Verordnungen sowie Arztbesuche nimmt auch wieder etwas zu. Eine interessante Frage: Wie viel davon ist von den Krankenkassen selbst verschuldet, die die als Steuerungsinstrument so hochgelobte Praxisgebühr durch die Hintertür über ihre Hausapothekenmodelle wieder zum großen Teil aushebeln?
Sei es, wie es sei. Als ein zentraler Kostenverursacher wurde deshalb der Mülleimer identifiziert. Es landen zu viele Arzneimittel im Müll! Das trifft doch jeden ins Mark: Teure Arzneimittel achtlos (oder gezwungenermaßen, wegen zu großer Packungen!) weggeworfen, auf Kosten der Solidargemeinschaft. Womit wir beim ersten Punkt wären. Offensichtlich sind die Selbstbeteiligungen noch nicht so hoch, dass hier in etlichen Fällen eine ausreichende Regulationswirkung eintritt. Oder der Mülleimer darbt doch stärker als dargestellt.
Die vorgeschlagene Lösung: Tabletten und alles Sonstige, was abzählbar ist, demnächst einzeln! Also drei Antibiotika-Tabletten statt bisher zehn (oder sieben) in der N1-Packung. Eine Tablette Sumatriptan beim akuten Migräneanfall. Vielleicht kommt der nächste Anfall ja erst in einem Jahr - oder auch morgen. Dann ist gleich ein neuer Arztbesuch fällig ... Da schimmert doch schon erste Kritik durch! Ist dies nicht eine Eintrittspforte für eine wunderbare Kostenverlagerung - beispielsweise in Richtung Arztpraxis, ohne Böses unterstellen zu wollen?
Doch die Größe der Packungen wird nun nicht nach den Gewinnvorstellungen der Hersteller, sondern durchaus sachgerecht vorgenommen. Die erwähnten drei Antibiotika-Tabletten könnte man vielfach sogar als Kunstfehler werten, wäre da nicht - ja, eben, der baldige Kontrollbesuch. In den USA übrigens, dem traditionellen Vorreiter in Sachen Auseinzeln, für die meisten mit zusätzlichen Kosten aus der eigenen Tasche verbunden. Den Ärzten dort geht es bekanntermaßen nicht schlecht, und das Gesundheitswesen dort ist alles andere als billig ...
Die pharmazeutische Seele in vielen von uns wird Sicherheitsbedenken geltend machen. Die Irrtumswahrscheinlichkeit dürfte tendenziell ansteigen. Rechtliche Bedenken - siehe das Thema Verblisterung für Altenheime - sind nicht einfach vom Tisch zu wischen. Vor allem aber ist die heutige, national vorherrschende Verpackungstechnologie (Blister) inklusive der Begleitdokumentation (Beipackzettel!) auf dieses Auseinzeln nicht eingestellt - im Gegensatz z.B. zu den USA, wo "lose Ware", sprich Arzneimittel in kleineren oder größeren Gläsern, gang und gäbe ist. Viel Freude dann also beim Blister-Schnippeln und Zettelkopieren! Aber nicht daneben schneiden - Stabilitätsprobleme drohen, wenn die Folie beschädigt wird.
Natürlich - man könnte auch hierzulande auf Gläser und Röhrchen umstellen. Bedeutet aber: Beantragung beim BfArM, neue Stabilitätsstudien, andere Verpackungsmaschinen und etliches mehr. Nicht alle Darreichungsformen werden das überhaupt mitmachen - Umformulierungen (mit dem entsprechenden, regulatorischen Aufwand) drohen.
Aber wollen wir nicht so kleinlich sein. Deutschland, das Land der Kleinkrämer und Bedenkenträger! Lassen wir also die oben geschilderten Bedenken beiseite und widmen uns der praktischen, zudem wirtschaftlichen Seite. Lieschen Müller steht in der Apotheke. Soll die erwähnten drei Tabletten Antibiotikum, sagen wir, CefuDoc 250 mg Filmtabletten von Doc-Pharma, und die eine Migränetablette erhalten.
Aber nein, Herr Doktor, so geht das dann leider nicht mehr! Drei Tabletten, und dann noch in der und der Stärke von dieser Firma - das ist logistisch und finanziell nicht drin. Es sei denn, die Krankenkasse bezahlt den Anbruch wie heute bei Rezepturen. Auf den darauf folgenden Fernsehbeitrag bin ich gespannt ... Ansonsten: Wirkstoff und Tagesdosierung - mehr ist nicht drin! Über die Auswirkungen auf die diversen "Vergünstigungen" für die Praxen seitens der Industrie kann man spekulieren - mehr wird's sicher nicht.
Ob das der interviewte Mediziner im Fernsehbeitrag auch schon einmal von dieser Warte aus betrachtet hat? Bisher jedenfalls wurde das Verordnungsmonopol (siehe Aut-idem-Diskussionen) von der Ärzteschaft mit Zähnen und Klauen verteidigt - durchaus mit verständlichen Argumenten (z.B. Haftung).
Nicht zuletzt ist schlicht der Aufwand gegenüber dem Nutzen abzuwägen. Zwar würde die Bedeutung des Apothekers steigen - was insoweit positiv wäre. Doch darum ging es nicht. Kosteneinsparung stand im Vordergrund. Diese steht jedoch auf wackligen Füßen, weil in erster Linie nur Akutfälle oder Patienten in der Therapieein- oder -umstellung infrage kämen. Chroniker - und das sind in summa die teuren Fälle - werden wertmäßig überwiegend im Rahmen einer Dauermedikation versorgt. Deshalb wurde hier ja schon über Jumbo-Packungen über N3 hinaus diskutiert - also das krasse Gegenteil!
Ja, so einfach ist das alles nicht. Fast so wie im Steuersystem. Versteht auch kaum einer. Umso leichter fällt es da, mit Halb- oder Viertelwissen einfach etwas in den Raum zu stellen - Methode Schreckschuss. Doch viele der (oft ja durchaus gut gemeinten) Vorschläge scheitern eben an der Realität. Nicht nur in Wahlkampfzeiten.
Reinhard Herzog, Tübingen
Dr. Reinhard Herzog ist Apotheker, Autor und freier Mitarbeiter der DAZ
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