Koalitionsverhandlungen: Weiter Streit um EU-Tabakwerbeverbot

BERLIN (ks). Die Bundesärztekammer (BÄK) und die Grünen fordern von der neuen Bundesregierung, die EU-Richtlinie zur Tabakwerbung rasch in nationales Recht umzusetzen. Eigentlich sollte dies bereits zum 1. August dieses Jahres geschehen sein. Doch Deutschland hinkt hinterher. Das rot-grüne Bundeskabinett beschloss im vergangenen Mai zwar einen entsprechenden Gesetzentwurf - die unionsregierten Länder lehnten diesen jedoch ab. In einer großen Koalition hat man es offenbar auch nicht eilig, das Gesetzgebungsverfahren zum Abschluss zu bringen.

Wie die "Welt" am 31. Oktober meldete, einigten sich die Unterhändler von Union und SPD im Rahmen der Koalitionsverhandlungen darauf, das Werbeverbot nicht weiter zu verfolgen. Lediglich für den grenzüberschreitenden Bereich (etwa bei großen Sportveranstaltungen) solle die Werbung für Tabakprodukte verboten werden. Während sich Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt bislang stets für das Werbeverbot stark machte, sprechen sich der designierte Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) laut "Welt" gegen ein weitergehendes Verbot in nationaler Verantwortung aus. Anderenfalls drohe bald auch ein Werbeverbot für Bier, befürchtet Seehofer.

Zypries soll argumentiert haben, dass für legale Produkte auch eine legale Werbung zulässig sein müsse. An der Klage der rot-grünen Bundesregierung gegen die Richtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) will eine große Koalition offenbar festhalten. Mit dieser wird insbesondere gerügt, dass der EU die Zuständigkeit fehle, ein solches Werbeverbot auszusprechen.

Grünen klagen über Zigaretten-Lobby

BÄK und Grüne forderten unterdessen die Verhandlungsführer von Union und SPD auf, die EU-Richtlinie endlich umzusetzen und die Klage vor dem EuGH zurückzuziehen. "Auch die neue Bundesregierung steht in der Pflicht, besonders Kinder und Jugendliche vor dem Einstieg in den Tabakkonsum zu bewahren", sagte BÄK-Präsident Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe am 1. November in Berlin. Deshalb sei in Deutschland ein umfassendes Werbeverbot für Tabakprodukte nötig. Hoppe verwies auf Studien, denen zufolge Zigarettenwerbung sowohl den Einstieg in den Zigarettenkonsum als auch den Übergang vom Probieren zum regelmäßigen und gewohnheitsmäßigen Rauchen und damit die Festigung des Rauchverhaltens fördert.

Die Grünen-Politikerinnen Ulrike Höfken und Biggi Bender bezeichneten es als "fahrlässig, ein sinnvolles und erfolgreiches Instrument wie ein Tabakwerbeverbot nicht einzusetzen". Zugleich beklagen sie das offensive Vorgehen der Zigaretten-Lobby: Für kurzsichtige Industrieinteressen seien Union und SPD nun scheinbar bereit, Milliardenkosten im Gesundheitssystem in den Folgejahren in Kauf zu nehmen.

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