- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 19/2005
- Vorbeugen mit ...
Arzneimittel und Therapie
Vorbeugen mit Antioxidanzien?
Oxidativer Stress kann Krebs verursachen. Reaktive Sauerstoffspezies können Genmutationen auslösen, zu einer Fehlregulation der Apoptose führen und so die Karzinogenese fördern. Bedingt durch die Nahrungsaufnahme kommt vor allem der Gastrointestinaltrakt mit einem komplexen Gemisch aus Oxidanzien und Antioxidanzien in Kontakt, sodass sich oxidativer Stress vor allem im Magen-Darm-Bereich bemerkbar machen kann. Viele epidemiologische Beobachtungen weisen auch darauf hin, dass der reichhaltige Verzehr von Früchten und Gemüse mit einer geringen Krebsinzidenz im Gastrointestinaltrakt assoziiert ist.
Ob allerdings eine diätetische Supplementation einzelner oder mehrerer Antioxidanzien zu dem gleichen Ergebnis führt, wird kontrovers diskutiert. Es liegen Studien vor, die für einen Benefit einer präventiven Antioxidanzien-Einnahme sprechen, und es gibt Studien, in denen kein Nutzen für die Supplementation von Antioxidanzien gezeigt werden konnte. Eine Arbeitsgruppe versucht mithilfe einer systematischen Sicht und Metaanalyse der vorhandenen Studien diese widersprüchlichen Ergebnisse aufzuhellen und den möglichen Nutzen oder Schaden einer Supplementation von Antioxidanzien unter Evidenz-basierten Gesichtspunkten zu beurteilen.
Das Vorgehen: Cochrane Analyse
Mithilfe der Cochrane Collaboration Methode wurden alle randomisierten Studien erfasst, in denen die Supplementation von Antioxidation (Beta-Carotin, die Vitamine A, C und E, Selen; kombiniert oder als Einzelsubstanzen) gegen ein Plazebo im Hinblick auf die Inzidenz gastrointestinaler Tumoren verglichen wurde. Aus diesen Studien gingen die Häufigkeit von Magen-Darm-Tumoren, die Gesamtmortalität sowie unerwünschte Wirkungen hervor. Zur Auswertung kamen 14 randomisierte Studien von hoher Qualität mit den Daten von insgesamt 170.525 Probanden.
Die Heterogenität der Resultate war gering. Die ermittelten Ergebnisse wurden verschiedenen statistischen Auswertungen (Modell der festen Effekte [FEM] und Modell der zufälligen Effekte [REM]) unterzogen und als relative Risiken innerhalb eines 95%igen Konfidenzintervalls wiedergegeben.
Die Ergebnisse:möglicher Benefit durch Selen
Im Vergleich zum Plazebo zeigte die Supplementation von Beta-Carotin, Vitamin A, C oder E sowie von Selen – einzeln oder in Kombination – keine signifikanten Effekte auf die Inzidenz gastrointestinaler Tumoren (erfasst wurden Ösophagus-, Magen-, Pankreas-, Leber- und Darmtumore). Diese Aussage wurde sowohl im Modell der festen Effekte (FEM) als auch im Modell der zufälligen Effekte (REM) getroffen [FEM relatives Risiko 0,96; 95% KI 0,88–1,04; REM relatives Risiko 0,90; 95% KI 0,77–1,05].
In sieben hochwertigen Studien (n=131.727) zeigte das FEM einen signifikanten Mortalitätsanstieg unter der Supplementation von Antioxidanzien [relatives Risiko 1,06; 95% KI 1,02–1,10]. Die Studien von geringerer Qualität zeigten keine Auswirkung der präventiven Gabe von Antioxidanzien auf die Mortalität. Einige Kombinationen von Antioxidanzien erhöhten die Mortalität signifikant, so die Kombination von Beta-Carotin und Vitamin A mit einer 30%igen Erhöhung des relativen Risikos [relatives Risiko 1,29; 95%ige KI 1,14-1,45] und Beta-Carotin und Vitamin E mit einer 10%igen Erhöhung [relatives Risiko 1,10; 95%ige KI 1,01–1,20]. Die Gabe von Beta-Carotin alleine zeigte nur eine Tendenz zu einer erhöhten Mortalität [relatives Risiko 1,05; 95%ige KI 0,99–1,11].
In vier Studien (drei davon mit unklarer Methodik) konnte ein Benefit einer Selengabe gezeigt werden; die Supplementation von Selen senkte die Inzidenz gastrointestinaler Tumoren signifikant.
Die Autoren der Studie konnten also keine Beweise dafür finden, dass antioxidative Nahrungsergänzungsmittel gastrointestinale Krebserkrankungen verhindern können; sie scheinen im Gegenteil die Gesamtsterblichkeit zu erhöhen. Der potenzielle Nutzen von Selen sollte in adäquaten randomisierten Studien untersucht werden.
Kritische Wertung im Begleitkommentar
nalyse wurde die Supplementation definierter Antioxidanzien über einen bestimmten Zeitraum bei erwachsenen Probanden untersucht – mit dem Ergebnis, dass die Inzidenz gastrointestinaler Tumoren durch eine Antioxidanzien-Einnahme nicht beeinflusst wird. Viele Beobachtungsstudien zeigen indes, dass eine Ernährung, die per se reich an natürlichen Antioxidanzien ist und von Kind auf konsumiert wird, sehr wohl krebsvorbeugend sein kann. Dies stimmt mit anderen Beobachtungen überein, die zeigten, dass Vitamine und Nährstoffe in ihrem natürlichen Verbund wertvoller sind als die isolierten Stoffe.
Erschreckend erscheint den Kommentatoren der Hinweis, dass die Supplementation einiger Antioxidanzien zu einer erhöhten Mortalität führt. Überträgt man die rechnerisch ermittelte, leicht erhöhte Mortalitätsrate auf eine Million Probanden, so würden 9000 von ihnen vorzeitig aufgrund der Antioxidanzien-Einnahme sterben. Dieses Ergebnis spiegelt den Kommentatoren zu Folge einen momentanen, rechnerisch ermittelten Stand wieder und sei kein überzeugender Beweis für die Schädlichkeit einer Supplementation von Antioxidanzien. Es sei unwahrscheinlich, dass alle Nahrungsergänzungsmittel einen ähnlichen Effekt ausüben. Für die Zukunft erscheint es den Kommentatoren wichtig, ein Sicherheitsprofil für diejenigen Nahrungsergänzungsmittel zu erstellen, die einen erwiesenen Benefit aufweisen.
Dr. Petra Jungmayr, Esslingen
Quelle
Bjelakovic G., et al.: Antioxidant supple- ments for prevention of gastrointestinal cancers: a systematic review and meta- analysis. Lancet 364, 1219 – 1228 (2004).
Forman D., et al.: Vitamins to prevent can- cer: supplementary problems.
Lancet 364, 1193-1994 (2004).
Calcium zur Prävention
von Darmkrebs?
Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird Calcium eine mögliche Rolle bei der Prävention kolorektaler Tumore zugeschrieben. Epidemiologische Studien konnten dies bislang nicht signifikant bestätigen. Es scheint jedoch, dass Calcium das Wiederauftreten kolorektaler Adenome verhindern bzw. reduzieren kann. Eine neue Analyse der "Calcium Polyp Prevention Study" bestätigte dies. Da die meisten kolorektalen Karzinome aus Polypen bzw. aus Adenomen entstehen, könnte Calcium die Karzinogenese hemmen. Die bislang vorliegenden Daten sind indes noch nicht aussagekräftig genug, um eine Calciumsupplementation generell für die Prävention kolorektaler Tumoren zu empfehlen (Benamouzig R., et al.: Calcium supplementation for preventing colorectal cancer: where do we stand? Lancet 364, 1197–1198 [2004]).
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.