Arzneimittel und Therapie

"Wunderpille" zur Sekundärprävention?

Einer englischen Studie zufolge kann eine Kombination aus drei Medikamenten die Lebenserwartung herzkranker Patienten deutlich verlängern. So erhöhte die Einnahme von Acetylsalicylsäure, β-Blockern und Statinen die Überlebenschancen um mehr als 80%. Die zusätzliche Gabe eines ACE-Hemmers ergab keinen weiteren Benefit. Dasselbe gilt für andere Kombinationen oder Monotherapien, die zu wesentlich schlechteren Ergebnissen führten.

Zur Sekundärprophylaxe kardiovaskulärer Erkrankungen werden Lipidsenker, Antihypertonika und Plättchenaggregationshemmer teilweise in Kombination und teilweise als Monotherapien eingesetzt. Vor rund zwei Jahren erregte eine aus sechs Komponenten bestehende "Polypill" Aufsehen und wurde partiell enthusiastisch beurteilt. Es gab aber auch andere Meinungen, die in einer Kombination aus zwei Substanzen die optimale Lösung sehen. Was wirkt nun am besten? Mit dieser Frage befasste sich eine offene, prospektive Kohortenstudie in England, an der über 13.000 Patienten mit einer ischämischen Herzerkrankung teilnahmen.

Prospektive Kohortenstudie

Die Studie greift auf Daten aus 89 Allgemeinpraxen in England zurück und erfasst Informationen von 1,18 Millionen Patienten über einen Zeitraum von acht Jahren. Es wurden 13.029 Patienten ermittelt, bei denen erstmals eine ischämische Herzerkrankung diagnostiziert worden war. Von diesen Patienten waren bei Studienende 2266 verstorben. Sie bilden die "Fallgruppe", da die Gesamtmortalität als Studienendpunkt definiert war. Ihnen wurden 9064 nach Alter, Geschlecht, Komorbiditäten und Risikofaktoren angepasste Kontrollpatienten zugeordnet. Da die medikamentöse Therapie aller Patienten bekannt war, konnte mit Hilfe einer Fall-kontrollierten Analyse die Odds ratio für die Lebenserwartungen bzw. Gesamtmortalität in Abhängigkeit der Medikation ermittelt werden.

Bessere Ergebnisse

mit Mehrfachkombinationen Die beste Sekundärprävention wurde mit einer Kombination aus drei Medikamenten erzielt. So führte die Einnahme von Acetylsalicylsäure, einem β-Blocker und einem Statin zu einer 83%igen Reduktion der Mortalität (Odds ratio 0,17; 95%iges Konfidenzintervall 0,12 bis 0,23). Die Viererkombination aus Acetylsalicylsäure, einem β-Blocker, einem ACE-Hemmer und einem Statin ergab eine 75%ige Reduktion (Odds ratio 0,25; KI 0,18 bis 0,35). Für Statine, Acetylsalicylsäure und einen ACE-Hemmer wurde eine Reduktion um 71% (Odds ratio 0,29; KI 0,21 bis 0,41) errechnet.

Die Sekundärprophylaxe mit den jeweiligen Monosubstanzen führte zu einer weitaus geringeren Reduktion der Mortalität und lag zwischen 19 und 47% (Odds ratio für Acetylsalicylsäure 0,59, für Statine 0,53, für ACE-Hemmer 0,8 und für β-Blocker 0,81). Unterschiedliche Kombinationen mit zwei verschiedenen Medikamenten ergaben eine Reduktion der Mortalität zwischen 31 und 62%.

Eine neue Wunderpille?

Vor rund zwei Jahren wurde die Einnahme einer "Polypill" (Kombination aus Folsäure, Thiazid, ACE-Hemmer, β-Blocker, Statin und ASS) zur Primär- und Sekundärprävention für alle über 55-Jährigen propagiert, da dank synergistischer Effekte mit einem deutlichen Benefit zu rechnen sei. Auf den ersten Blick scheint obiges Studienergebnis diese Aussage zu unterstützen, da die Mehrfachkombinationen die Gesamtmortalität am stärksten senkten. Allerdings wurde der Nutzen nur für bereits erkrankte Patienten – also in der Sekundärprävention – nachgewiesen.

Ob mit dieser Kombinationstherapie auch eine effektive Primärprävention betrieben werden kann, ist nicht bekannt und aus dieser Studie auch nicht ableitbar. Kommentatoren geben ferner zu bedenken, dass die Einnahme der "Polypill" von allen über 55-Jährigen enorme Kosten verursacht und ganze Personengruppen einer Dauertherapie aussetzt. Sie weisen weiter darauf hin, dass der mögliche Nutzen einer "Polypill" auch mit nicht-medikamentösen Maßnahmen zur Primärprävention verglichen werden sollte.

Sollte allen über 55-Jährigen eine "Wunderpille" gegen ischämische Herzkrankheiten verordnet werden? Einer Studie zufolge kann eine Kombination aus drei Medikamenten die Lebenserwartung herzkranker Patienten deutlich verlängern.

Was ist die Odds ratio?

Während das relative Risiko (RR) bekannt ist, ist die Odds ratio (OR) als klinische Messgröße bisher eher ungebräuchlich. Odds ratio und relatives Risiko sind eng miteinander verwandt, aber dennoch nicht ganz dasselbe. Das relative Risiko beschreibt das Risiko, dass ein Effekt in einer Behandlungsgruppe auftritt, in Relation zur Kontrollgruppe. Die Odds ratio gibt an, um welchen Faktor die Chance für ein erwünschtes oder unerwünschtes Ereignis in der Behandlungsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe fällt bzw. steigt. Liegt die Odds ratio – in der vorliegenden Studie die Gesamtmortalität – bei 1, gibt es keinen Unterschied zwischen Verum- und Kontrollbehandlung, liegt die Odds ratio unter 1, mindert die Verumbehandlung gegenüber der Kontrollbehandlung die Chance für ein unerwünschtes Ereignis.

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