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DAZ Feuilleton
Parasiten – leben und leben lassen
Vom Beiesser zum Schmarotzer
Seine Ernährungsgewohnheiten wurden dem Medizinischen Blutegel fast zum Verhängnis: Vom Altertum bis in das 19. Jahrhundert hinein beim Blutschröpfen, aber auch gelegentlich in der Therapie von beginnender Venenentzündung erfolgreich angewandt, wurden die Populationen von Hirudo medicinalis in Mitteleuropa stark dezimiert. Neuerdings erfährt die Spezies wieder zunehmend Beachtung. Mittlerweile ist es aber auch möglich, das gerinnungshemmende Hirudin gentechnisch herzustellen.
Die Kieferegel, die wie der Regenwurm zu den Gliederwürmern gehören, sind mit 500 aquatisch, amphibisch oder terrestrisch lebenden Arten in 150 Gattungen weit verbreitet. Einige sind Räuber, andere leben ektoparasitisch und befallen insbesondere Wirbeltiere. Mitunter – wie im Fall des Medizinischen Blutegels – nützt die parasitische Ernährung anderen Lebewesen. So sahen es auch die Griechen: "Parasitos" bedeutet "Beiesser". So wurden ursprünglich Opferbeamte genannt, die an rituellen Gastmählern für Gottheiten teilnahmen.
Im Laufe der Zeit blieb es aber nicht beim rituellen Essen, sondern die Opferbeamten versuchten sich durch Schmeicheleien und derbe Späße Vorteile zu verschaffen. So bekamen sie Zugang zu den Tafeln wohlhabender Gastgeber. Parasiten im Sinne von Schmarotzern wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts fester Bestandteil der veterinär- und humanmedizinischen Terminologie: Man unterteilt sie in parasitische Protozoen (Einzeller), Würmer (viele, miteinander nicht verwandte Familien) und Arthropoden (Insekten, Spinnen). Viele Parasiten sind Krankheitserreger. Einzeller der Gattung Plasmodium verursachen die Malaria und richten weltweit den größten gesundheitlichen Schaden an.
Infektionsgefahr durch Haustiere
Zuweilen infizieren sich Menschen über den Kontakt mit Haustieren. Nicht in jedem Fall erkranken sie dabei. So werden vermutlich sechzig Prozent der Menschen im Lauf ihres Lebens mit Toxoplasma gondii infiziert. Endwirte dieses Einzellers sind Katzen, in deren Darm er parasitisch lebt. Andere Säuger und Vögel dienen ihm als Zwischenwirte.
In Europa gelangt Toxoplasma gondii meistens über Beutetiere in den Darm von Hauskatzen. Diese scheiden wiederum mit dem Kot widerstandsfähige Oozyten aus. Nach zwei bis vier Tagen sind diese Dauerstadien infektionstüchtig und werden wiederum durch Mäuse, Schweine oder andere domestizierte Säuger aufgenommen und gelangen über die Nahrungskette mitunter auch in den menschlichen Organismus. In dessen Zellen – insbesondere im Gehirn und in der Muskulatur – vermehren sie sich rasch. Dabei bilden sich Gewebezysten, die jahrelang infektiös bleiben können.
Ist das Abwehrsystem gesund, wird der Mensch nach mehrtägigem Fieber und Lymphknotenschwellungen für den Rest seines Lebens gegen Toxoplasma gondii immun. Eine Infektion während einer Schwangerschaft kann indessen einen Abortus verursachen oder aber beim Fötus Missbildungen und Gehirnschädigungen bewirken. Für HIV-Positive oder Transplantierte ist eine Erkrankung an Toxoplasmose lebensbedrohlich.
Hunde und Katzen können zudem beim Freigang oder aber durch das Verfüttern von rohem Fleisch von mannigfachen Parasiten befallen werden, die auch für den Menschen gefährlich oder zumindest lästig sind, zum Beispiel Zecken, Milben oder Flöhe. Während "die" Zecke (Holzbock, Ixodes ricinus) sich nicht in Wohnungen vermehrt, kann die Braune Hundezecke eine schwer zu bekämpfende Plage werden, weil sie sich auch in geschlossenen Räumen fortpflanzt.
Neben Band-, Peitschen- und Hakenwürmern können insbesondere Spulwürmer für Menschen ein Gesundheitsrisiko darstellen. Die Eier des Hundespulwurms (Toxocara canis) gelangen über Hundekot in Sandkästen und an andere Plätze, die von Menschen frequentiert werden. Eine Infektion verursacht Fieber, Asthma und zuweilen auch Entzündungen an der Netzhaut des Auges oder der Hirnhaut. Larven von Hakenwürmern können im infektiösen Stadium über die Fußsohlen in die menschliche Haut gelangen. Im Gewebe bohren sie Gänge, was wiederum juckende Entzündungen verursacht.
Prävention und Therapie
Seit Menschengedenken versucht man, Parasiten zu bekämpfen. Zuweilen mit Methoden, deren Erfolg fragwürdig bleiben muss: "Wenn man sich am 1. Mai nachts im Tau wälzt", sollten Flöhe vertrieben werden. Ein anderer Rat gegen die beißenden Schmarotzer: "Man legt am Charfreitag vor Sonnenaufgang einen Knopf von seinem Rocke unbeschrieen auf den Weg; wer ihn aufhebt, bekommt die Flöhe", ist in dem um 1900 publizierten Buch "Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart" zu lesen.
Aufgrund der in den 1920er-Jahren beginnenden Synthese von Antibiotika sind heute zwar zahlreiche Medikamente für die Therapie von parasitogenen Erkrankungen auf dem Markt, doch konnten bisher noch keine Impfstoffe für eine ausreichende Immunisierung gegen Einzeller und Wurmparasiten entwickelt werden. Gegenwärtig wird weltweit an der Entwicklung einer Immuntherapie gegen die Schistosomiasis oder Bilharziose gearbeitet. Sie steht nach der Malaria gleich an zweiter Stelle der parasitogenen Erkrankungen in subtropischen und tropischen Regionen. Nach WHO-Studien sind in 76 Ländern etwa 300 Millionen Menschen infiziert. Die im Körper produzierten Eier des Pärchenegels Schistosoma verursachen irreparable Gewebeschädigungen in Leber und Harnblase.
Museum
Naturhistorisches Museum, Pockelsstraße 10, 38106 Braunschweig, Tel. (05 31) 28 89 20, www.naturhistorisches- museum.de
Geöffnet: dienstags bis sonntags von 9.00 bis 17.00 Uhr.
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