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Arzneimittel und Therapie
Viel versprechend bei multipler Sklerose
Bei dem synthetischen Sphingosin-Myosin-Derivat FTY720 handelt es sich um ein 2-Amino-2-(4-octylphenethyl)-1,3-propandiol-hydrochlorid, das ursprünglich von dem Pilz Isaria sinclairii, einer Ascomyces-Art, produziert wird. Es inhibiert die Migration von Lymphozyten zu Entzündungsherden, es hemmt die Lymphozytenmobilität und verhindert so die Migration der T-Zellen aus den Lymphknoten innerhalb weniger Stunden.
Wirkung schon nach zwei Monaten
Die Therapievorteile von FTY720 zeigten sich bereits nach zwei Monaten und nahmen bis zum Ende der sechsmonatigen Behandlungszeit verglichen mit Plazebo kontinuierlich zu. Über 90% der Patienten schlossen die Studie ab. FTY720 hat in nur sechs Monaten sowohl im Hinblick auf die Anzahl klinischer Schübe als auch anhand der mittels Magnetresonanztomographie (MRT) ermittelten Parameter eine signifikante und beständige Wirkung gezeigt. Novartis hofft, dass die in der Phase-II-Studie beobachteten Vorteile im Rahmen des Phase-III-Studienprogramms mit größeren Patientenzahlen bestätigt werden.
Auf der Grundlage der positiven Phase-II-Studienergebnisse wird derzeit mit den Zulassungsbehörden das Phase-III-Studienprogramm für FTY720 diskutiert, das im vierten Quartal des Jahres 2005 an Zentren in Nordamerika und Europa gestartet werden soll.
Ergebnisse der Phase-II-Studie mit FTY720
Die Phase-II-Daten entstammen einer sechsmonatigen, plazebokontrollierten Doppelblindstudie, die an 32 Zentren in elf Ländern mit 281 Patienten durchgeführt wurde. Die Studienteilnehmer litten alle an schubförmig verlaufender multipler Sklerose, der häufigsten Form der Erkrankung. Im Rahmen der Studie wurden die Wirkung von FTY720 auf die magnetresonanztomografisch ermittelte Krankheitsaktivität und die Häufigkeit klinischer Schübe sowie die Verträglichkeit und Sicherheit des Medikaments während der sechsmonatigen Behandlungszeit untersucht. Den Studienteilnehmern wurde entweder FTY720 in einer Dosierung von 1,25 bzw. 5 mg oder Plazebo verabreicht.
Schubrate reduziert
Im Vergleich zur Plazebo-Gruppe wurde die Schubrate bei den Patienten, die 1,25 mg FTY720 erhielten, um 55% gesenkt. Bei 5 mg FTY720 konnte die Schubrate um 53% reduziert werden. Die Zeit bis zum ersten bestätigten Schub war bei beiden Gruppen unter FTY720 signifikant verlängert. Zudem blieben 86% der Patienten dieser beiden Gruppen, im Vergleich zu 70% der Patienten mit Plazebo, während sechs Monaten schubfrei.
Die entzündliche Krankheitsaktivität, die anhand der Gesamtzahl der Läsionen im MRT (Gadolinium unterstützt, T1-Gewichtung) ermittelt wurde, konnte während der sechsmonatigen Behandlung um bis zu 80% reduziert werden. Der Umfang neuer Krankheitsaktivität, der anhand der Anzahl neuer Läsionen im MRT (T2-Gewichtung) erfasst wurde, konnte zudem bei beiden mit FTY720 behandelten Gruppen gegenüber Plazebo um über zwei Drittel gesenkt werden. Der Einfluss von FTY720 auf die Anzahl klinischer Schübe und die MRT-Parameter zeigte sich bereits nach zwei Monaten und nahm im Gegensatz zu Plazebo bis zum Ende der sechsmonatigen Therapie kontinuierlich zu.
FTY720 schien im Allgemeinen gut verträglich zu sein. 91% der Patienten schlossen die sechsmonatige Behandlung ab und 98% dieser Patienten meldeten sich freiwillig zur Teilnahme an der laufenden Studienfortsetzung. Die am häufigsten verzeichneten Nebenwirkungen waren nicht gravierende Infektionen (z. B. Erkältungen), Magen-Darm-Beschwerden (Durchfall und Übelkeit), Störungen des Nervensystems (Kopfschmerzen) und Atemwegsbeschwerden (Kurzatmigkeit oder Husten). Insgesamt waren in der Gruppe mit 5 mg FTY720 häufiger Nebenwirkungen zu beobachten als in den Gruppen mit 1,25 mg FTY720 oder Plazebo.
FTY720 hält Lymphozyten im Lymphknoten
FTY720 weis einen neuartigen Wirkmechanismus auf: es ist ein Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor (S1P-R)-Agonist. Es unterscheidet sich von den derzeit zugelassenen Therapien, da es an die S1P-Rezeptoren auf der Oberfläche der Lymphozyten bindet. Bei multipler Sklerose greifen die im zentralen Nervensystem zirkulierenden Lymphozyten die Myelinscheide an, die die Nervenfasern umhüllt und schützt, die für die Signalübertragung im Körper verantwortlich sind.
Im Laufe der Zeit führt das zur Unterbrechung der Übertragung von elektrischen Nervenimpulsen, zur Zerstörung von Nervenzellen und zu Symptomen wie Müdigkeit, Kribbeln, Taubheitsgefühlen, Sehstörungen, beeinträchtigter Muskelkontrolle mit teilweisen oder vollständigen Lähmungen, sprachlichen oder mentalen Störungen. Infolge der Rezeptorbindung können die Lymphozyten nicht mehr auf die Moleküle reagieren, die ihnen signalisieren, zu den Entzündungsstellen im Körper zu strömen, und bleiben somit in den Lymphknoten. Die Lymphozyten bleiben jedoch funktionstüchtig und können in den Lymphknoten im Rahmen der Immunreaktion weiterhin aktiviert werden.
Prophylaxe von Abstoßungsreaktionen
Der Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor(S1P-R)-Agonist sorgt damit dafür, dass die Lymphozyten in den Lymphknoten festgehalten werden. Der neue Wirkmechanismus wurde zuerst in der Transplantationsmedizin zur Verhinderung von Abstoßungsreaktionen eingesetzt. Zirkulierende zytotoxische T-Zellen greifen das Endothel an, infiltrieren das fremde Gewebe und leiten so eine Abstoßungsreaktion ein. Unter einer Therapie mit FTY720 werden die Lymphozyten im sekundären lymphatischen Gewebe festgehalten, die Lymphozyten werden vom Transplantat weggeleitet.
Durch dieses so genannte homing nehmen die Anzahl an T- und B-Lymphozyten im Blut und im Transplantat deutlich ab. FTY720 schützt so das transplantierte Gewebe vor der Aktivität der T-Zellen, ohne allerdings die Aktivität des Organismus gegen Antigene zu unterdrücken, die Zytokinproduktion und Antikörperproduktion bleiben erhalten. Es handelt sich daher bei FTY720 eher um einen Immunmodulator und nicht um ein Immunsuppressivum im eigentlichen Sinne.
Kombination wurde gut vertragen
Vor allem werden durch Aktivierung der Sphingosin-1-phosphat-Rezeptoren sowohl Apoptose als auch Lymphozytenmobilität gehemmt. Es kommt zu keiner Potenzierung der Nebenwirkungen anderer Immunsuppressiva. Bei einer Kombinationstherapie mit Ciclosporin im Rahmen einer multizentrischen, randomisierten Dosisfindungsstudie mit 266 Nierentransplantations-Patienten zeigte sich, dass die meisten akuten Abstoßungsreaktionen milde verliefen und die Präparatekombination gut vertragen wurde. ck
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