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Arzneimittel und Therapie
Neues Somatostatin-Analogon Lanreotid
Das Somatostatin-Analogon Lanreotid (Somatuline Autogel®) ist zur Therapie von Patienten mit Akromegalie indiziert, wenn nach einer chirurgischen Behandlung und/oder Radiotherapie die Spiegel des Wachstumshormons (GH) und/oder des Insulin-like Growth Factor-1 (IGF-1) anormal bleiben oder bei Patienten, die aus anderen Gründen eine medikamentöse Behandlung benötigen.
Gutartiger Hypophysen-Tumor als Ursache
Der Begriff der Akromegalie (Vergrößerung an den Enden/Spitzen des Körpers) wurde zum ersten Mal von dem französischen Neurologen Piérre Marie benutzt, der 1886 über zwei Patienten berichtete. Die Erkrankung entsteht durch einen – gutartigen – Tumor der Hypophyse (Hirnanhangdrüse), der unkontrolliert vermehrt Wachstumshormon ausschüttet. Die Hypophyse liegt zwar unter dem Gehirn und ist mit diesem durch den so genannten Hypophysenstiel verbunden, gehört aber selbst nicht zum Gehirn. Die Sorge vieler Patienten mit einer Akromegalie, dass sie an einem "Gehirntumor" erkrankt sind, ist also unbegründet. In seltenen Ausnahmefällen kann eine Akromegalie auch eine andere Ursache haben.
Hormonstörung Akromegalie bleibt häufig unerkannt
Die Akromegalie ist selten. Jährlich werden etwa drei bis vier neue Erkrankungen pro eine Million Einwohner erwartet (Inzidenz), und von etwa einer Million Einwohner leben etwa 40 bis 70 Patienten mit dieser Erkrankung (Prävalenz). Weltweit leiden schätzungsweise 244.000 Menschen an Akromegalie.
Die Erkrankung wird oft erst sehr spät erkannt – am häufigsten etwa im Alter von 40 bis 50 Jahren – obwohl die Symptome schon lange vorher sichtbar geworden sind. Das Intervall zwischen Erkrankungsbeginn und Diagnosestellung beträgt auch heute noch durchschnittlich sieben bis zehn Jahre.
Vergröberung der Gesichtszüge
Äußerlich erkennt man die Erkrankung besonders an einer Vergröberung der Gesichtszüge mit wulstigen Lippen, hervorstehenden Augenbrauen und vermehrter Faltenbildung, großer Zunge, Verlängerung des Gesichtes durch Wachstum des Unterkiefers und an großen und plumpen Händen und Füßen. Außerdem wachsen aber auch praktisch alle inneren Organe, wie Eingeweide und Herz.
Kommt es schon in der Kindheit zum Exzess des Wachstumshormons, so entwickelt sich ein Hochwuchs (Gigantismus), der oft zunächst als besonders gute und kräftige Entwicklung des Kindes verkannt wird. Ohne frühzeitige Behandlung können Größen bis etwa 240 cm erreicht werden.
Die äußeren Zeichen werden häufig nicht als Ausdruck einer Krankheit erkannt. Deshalb wird die Diagnose oft erst sehr spät gestellt. Leider ist das Wachstum des Hypophysentumors dann oft schon weit fortgeschritten und die Behandlung schwer.
Zahlreiche Folgeerkrankungen
Auch andere Wirkungen des Wachstumshormons als die auf das Wachstum gerichteten haben Krankheitscharakter. Hierzu gehören besonders sein Einfluss auf den Stoffwechsel (z.B. Hemmung der Insulinwirkung mit Neigung zur Zuckerkrankheit) und Schädigung des Herzkreislauf-Systems.
Akromegalie-Patienten weisen typischerweise erhöhte Glucose-, glykolisierte Hämoglobin-, Insulin-, LDL-, Cholesterin- und Triglycerid-Spiegel auf. Weitere Komplikationen sind respiratorische Erkrankungen wie Obstruktionen der oberen Luftwege sowie Tumorerkrankungen, beispielsweise Dickdarmkarzinome.
Verkürzte Lebenserwartung
Unbehandelt verkürzt eine Akromegalie die Lebenserwartung um etwa zehn Jahre, vor allem aufgrund der zahlreichen Folgeerkrankungen: 30% der Patienten leiden an einer arteriellen Hypertonie, 20% an einer kardio-zerebrovaskulären Erkrankung, 20% an einem Diabetes mellitus und 55% an einer Schlafapnö. Diese Ko-Morbidität steigt mit der Höhe der Konzentration an Somatotropin (STH). Die Haupttodesursachen sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 60% der Patienten sterben die Patienten an einem kardiovaskulären Ereignis, bei 25% der Fälle sind respiratorische Erkrankungen Todesursache.
Operative Tumor-Entfernung
Schon sehr früh wurde versucht, den Hypophysentumor operativ zu entfernen. Die Hypophyse liegt aber an der Basis des Schädels recht versteckt und ist operativ bei dem früher üblichen Zugangsweg von oben durch die Schädeldecke schwer zu erreichen. Daher waren diese Operationen schwer und meist unvollständig.
Heute wird die Operation mit modernen Methoden von unten her durch die Nase (transnasal, transsphenoidal) viel schonender durchgeführt. Trotzdem führt auch jetzt noch die Operation nur bei etwa 50% der Patienten zu einer völligen Heilung unter weitgehender Schonung der anderen, wichtigen Funktionen der Hypophyse. Dies liegt jetzt vor allen Dingen daran, dass die Diagnose immer noch sehr spät gestellt wird und damit große Tumore vorliegen, die auch von erfahrenen Neurochirurgen nicht mehr vollständig entfernt werden können.
Therapie der zweiten Wahl ist die Bestrahlung, die jedoch nur langsam wirkt, so dass noch über Jahre hinaus zuviel Wachstumshormon ausgeschüttet wird. Hier besteht zudem ein großes Risiko, eventuell noch erhaltene andere Funktionen der Hypophyse langfristig zu schädigen.
Behandlung mit Somatostatin-Analoga
Eine Therapie mit Somatostatin-Analoga wie dem neuen Lanreotid und dem schon länger verwendeten Octreotid kann die Zeit bis zur kurativen chirurgischen Resektion überbrücken. Weitaus häufiger werden diese Arzneimittel aber zur langfristigen Therapie nach einer Operation oder Bestrahlung eingesetzt. Somatostatin ist ein natürliches Molekül, das die Sekretion von Somatotropin aus der normalen Hypophyse und auch aus den meisten Wachstumshormon sezernierenden Tumoren hemmt.
Neues Somatostatin-Analogon Lanreotid
Lanreotid ist wie Octreotid ein lang wirksames Oktapeptidanalogon des natürlichen Somatostatins, das einmal monatlich subkutan injiziert werden muss. Wie Somatostatin hemmt Lanreotid verschiedene endokrine, neuroendokrine, exokrine und parakrine Funktionen. Es besitzt eine hohe Bindungsaffinität zu den menschlichen Somatostatin-Rezeptoren (SSTR) 2, 3 und 5 und eine geringe Affinität zu den Rezeptoren SSTR 1 und 4. Die Aktivität an den Rezeptortypen SSTR 2 und 5 wird als der primäre Wirkmechanismus für die Hemmung der GH-Sekretion angesehen.
Lanreotid zeigt wie Somatostatin eine allgemeine exokrine antisekretorische Wirkung. Es hemmt die Basalsekretion von Motilin, von GIP (gastrointestinales Polypeptid, das die Magensaft- und Salzsäure-Sekretion hemmt) und von pankreatischem Polypeptid, hat jedoch keine bedeutenden Auswirkungen auf die Bindung von Sekretin oder die Gastrinausscheidung. Bei Akromegalie-Patienten in der Langzeittherapie führt Lanreotid zur Senkung der Prolaktinspiegel.
Einmal monatlich tief subkutan
Somatuline Autogel® ist in Fertigspritzen in den drei Dosisstärken mit 60 mg, 90 mg und 120 mg erhältlich. Für Patienten, die erstmals mit einem Somatostatin-Analogon behandelt werden, wird eine Anfangsdosierung von 60 mg Lanreotid alle 28 Tage empfohlen. Danach sollte für alle Patienten die Dosis je nach Ansprechen des Patienten (beurteilt anhand der Besserung der Symptome und/ oder einer Reduktion der GH- und/oder IGF-1-Spiegel) angepasst werden. Wenn die gewünschte therapeutische Wirkung nach drei Monaten nicht erreicht ist, kann die Dosis erhöht werden.
Wenn eine vollständige therapeutische Wirkung erreicht wurde (GH-Spiegel niedriger als 1 ng/ml, normaler IGF-1-Spiegel und/oder Verschwinden der Symptome), kann die Dosis verringert werden. Die Symptome, die GH- und IGF-1-Spiegel sollten dauerhaft überwacht werden.
Blutzuckerspiegel kontrollieren
Da Lanreotid wie Somatostatin die Insulin- und Glukagon-Sekretion hemmt, kann nach Gabe des Arzneimittels eine Hypo- oder Hyperglykämie auftreten. Der Blutzuckerspiegel sollte daher zu Beginn der Lanreotid-Behandlung oder bei Dosisänderung sorgfältig kontrolliert und bei Diabetikern die Behandlung entsprechend angepasst werden. Bei insulinabhängigen Patienten kann der Insulinbedarf sinken.
Milde Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungen sind vorwiegend gastrointestinal. Die häufigsten Nebenwirkungen in klinischen Studien waren Diarrhö, Schmerzen im Bauchraum, Nausea, Erbrechen, Dyspepsie, Flatulenz, Cholelithiasis und Kopfschmerzen. Diese Reaktionen waren gewöhnlich mild und vorübergehend. Die gastrointestinalen Wirkungen von Lanreotid können die intestinale Resorption gleichzeitig angewendeter Arzneimittel herabsetzen.
Während der Behandlung von Akromegaliepatienten mit Lanreotid wurde ein leichtes Absinken der Schilddrüsenfunktion beobachtet, obwohl eine klinisch manifeste Hypothyreose selten ist (< 1%). Falls klinisch erforderlich, sollten Schilddrüsenfunktionstests durchgeführt werden. Lanreotid kann die Motilität der Gallenblase verringern, daher wird eine Sonographie der Gallenblase zu Beginn der Behandlung und danach in regelmäßigen Abständen empfohlen. Falls Gallensteine auftreten, sind sie in der Regel symptomlos. Gallensteine mit Symptomen sollten wie medizinisch erforderlich behandelt werden. hel
Steckbrief: Lanreotid Handelsname/Hersteller:
Somatuline Autogel (Ipsen Pharma GmbH, Ettlingen) Einführungsdatum: 1. Juli 2005 Zusammensetzung: Somatuline Autogel® 60, 90 bzw. 120 mg: Eine 0,3 ml-Fertigspritze enthält 60 bzw. 90 mg Lanreotid (als Acetat), eine 0,5 ml-Fertigspritze enthält 120 mg Lanreotid (als Acetat). Sonstige Bestandteile: Wasser für Injektionszwecke. Packungsgrößen, Preise und PZN: Somatuline Autogel® 60 mg: 1 Fertigspritze, 1192,25 Euro, PZN 1007688; Somatuline Autogel® 90 mg: 1 Fertigspritze, 1980,82 Euro, PZN 1007702; Somatuline Autogel 120 mg: 1 Fertigspritze, 2518,48 Euro, PZN 1007725. Stoffklasse: Hypophysen-, Hypothalamushormone, andere regulatorische Peptide und ihre Hemmstoffe; Somatostatin-Analogon, wachstumshemmendes Hormon Indikation: Somatuline Autogel® ist indiziert zur Therapie von Patienten mit Akromegalie, wenn nach einer chirurgischen Behandlung und/oder Radiotherapie die Spiegel des Wachstumshormons (GH) und/oder des Insulin-like Growth Factor-1 (IGF-1) anormal bleiben oder bei Patienten, die aus anderen Gründen eine medikamentöse Behandlung benötigen. Dosierung: Anfangsdosierung: 60 mg Lanreotid alle 28 Tage. Danach sollte für alle Patienten die Dosis je nach Ansprechen des Patienten angepasst werden. Wenn die gewünschte therapeutische Wirkung nach drei Monaten nicht erreicht ist, kann die Dosis erhöht werden. Wenn eine vollständige therapeutische Wirkung erreicht wurde, kann die Dosis verringert werden. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Lanreotid oder verwandte Peptide. Nebenwirkungen: sehr häufig: Kopfschmerz, Diarrhö und weiche Stühle, Schmerzen im Bauchraum, Nausea, Erbrechen, Dyspepsie, Flatulenz, Cholelithiasis; häufig: Schwindel, Hypo- oder Hyperglykämie, Appetitlosigkeit, Obstipation, Sinusbradykardie, erhöhter Bilirubinspiegel, Müdigkeit, Reaktionen an der Injektionsstelle. Wechselwirkungen: Die gastrointestinalen Wirkungen von Lanreotid können die intestinale Resorption gleichzeitig angewendeter Arzneimittel herabsetzen. Die gleichzeitige Anwendung einer Lanreotid-Injektion mit Ciclosporin kann die Ciclosporin-Blutspiegel vermindern. Somatostatin-Analoga können möglicherweise die metabolische Clearance von Substanzen herabsetzen, für die bekannt ist, dass sie von Cytochrom P450-Enzymen metabolisiert werden. Dies kann mit der Unterdrückung des Wachstumshormons in Zusammenhang stehen. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass Lanreotid diesen Effekt haben könnte, müssen andere Arzneimittel, die im Wesentlichen über CYP3A4 metabolisiert werden und die einen niedrigen therapeutischen Index besitzen (z.B. Terfenadin) mit Vorsicht angewendet werden. Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Lanreotid hemmt wie Somatostatin und seine Analoga die Insulin- und Glukagon-Sekretion. Daher kann bei Patienten, die mit Somatuline Autogel® behandelt werden, Hypo- oder Hyperglykämie auftreten. Während der Behandlung von Akromegaliepatienten mit Lanreotid wurde ein leichtes Absinken der Schilddrüsenfunktion beobachtet. Lanreotid kann die Motilität der Gallenblase verringern, daher wird eine Sonographie der Gallenblase zu Beginn der Behandlung und danach in regelmäßigen Abständen empfohlen. Lanreotid kann bei Patienten ohne vorbestehendes Herzproblem zu einem Absinken der Herzfrequenz führen.
Akromegalie
Eine Akromegalie entsteht durch einen – gutartigen – Tumor der Hypophyse (Hirnanhangdrüse), der vermehrt und unkontrolliert Wachstumshormon ausschüttet. Die Hypophyse liegt zwar unter dem Gehirn und ist mit diesem durch den so genannten Hypophysenstiel verbunden, gehört aber selbst nicht zum Gehirn. Die Sorge vieler Patienten mit einer Akromegalie, dass sie an einem "Gehirntumor" erkrankt sind, ist also unbegründet. In seltenen Ausnahmefällen kann eine Akromegalie auch eine andere Ursache haben.
Die Akromegalie ist eine seltene Erkrankung. Jährlich werden etwa drei bis vier neue Erkrankungen pro eine Million Einwohner erwartet (Inzidenz), und von etwa einer Million Einwohner leben etwa 40 bis 70 Patienten mit dieser Erkrankung (Prävalenz).
Die Erkrankung wird oft erst sehr spät erkannt – am häufigsten etwa im Alter von 40 bis 50 Jahren – obwohl schon lange vorher die Symptome der Akromegalie sichtbar geworden sind. Das Intervall zwischen Erkrankungsbeginn und Diagnosestellung beträgt auch heute noch durchschnittlich sieben bis zehn Jahre.
60% der Patienten sterben an einem kardiovaskulären Ereignis, in 25% der Fälle sind respiratorische Erkrankungen Todesursache. Krebserkrankungen – besonders Dickdarmkrebs – treten möglicherweise häufiger auf.
Praxistipp: Die richtige Injektionstechnik
Somatuline Autogel® sollte tief subkutan in den oberen äußeren Quadranten des Gesäßes injiziert werden. Die Haut sollte dabei nicht gefaltet werden. Die Injektionsnadel sollte zügig in ihrer gesamten Länge senkrecht zur Haut eingeführt werden. Die Injektionen sollten abwechselnd in die linke und rechte Gesäßhälfte gegeben werden.
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