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- DAZ 28/2005
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Zukunftschance Gendiagnostik
Ein Betätigungsfeld (auch) für Apotheker?
Dies wäre allerdings für mich auch schon Grund genug, mich näher mit den Problemen der Gendiagnostik auseinanderzusetzen, und tatsächlich habe ich das auch getan. Bei dieser Gelegenheit fiel mir auf, dass Gendiagnostik – ganz anders als mein erster Eindruck – sehr wohl ein Thema für uns Apothekerinnen und Apotheker sein sollte, weil sich mit dieser Technologie ganz genuine pharmazeutische Probleme angehen lassen. Ganz kurz – was ist Gendiagnostik und wozu kann man sie einsetzen?
Wie der Name schon sagt, kann man mit Hilfe der Gendiagnostik Veränderungen im Genom eines Menschen erkennen, die für das Auftreten einer bestimmten Krankheit verantwortlich oder mitverantwortlich sind. Fast alle Krankheiten haben ein genetisches Korrelat, so dass sich die Ursachen in den beteiligten Genen finden und nachweisen lassen. In den meisten Fällen ist eine derartige Diagnostik jedoch nicht erforderlich, denn Krankheiten kann man in aller Regel auch "konventionell" diagnostizieren.
Eine zweite Möglichkeit, Gendiagnostik einzusetzen besteht darin, Krankheitsrisiken zu diagnostizieren, denn nicht selten sind für den Einzelnen Eigenschaften in den Genen angelegt, die sie oder ihn für eine Krankheit stärker prädisponieren, als das für andere der Fall ist.
Ein Muss: verantwortungsvoller Umgang mit Informationen
In dieser Möglichkeit liegt zweifellos ein Problem der Gendiagnostik. Denn Risiken können, müssen aber nicht eintreten, und so erfordert der Umgang mit einer solchen Diagnostik und den daraus gewonnenen Informationen einen besonders verantwortungsvollen Umgang. Für mich steht außer Frage, dass solche Informationen natürlich unter das Arztgeheimnis fallen.
Gendiagnostik bietet aber auch die Möglichkeit, arzneimittelrelevante Informationen aus dem individuellen Aufbau von Genen abzulesen. Diese Informationen liegen vor allem in den Genen, die für Proteine kodieren, die die Bioverfügbarkeit und den Metabolismus der eingenommenen Arzneimittel beeinflussen. Das sind nach heutigem Wissensstand Wirkstoffpumpen wie das P-Glykoprotein und eine Reihe von Cytochrom-P450-Enzymen. Sind diese Gene in bestimmter Weise verändert, verhalten sich Medikamente im Organismus der Betroffenen ganz anders, als dies für die ganz große Mehrzahl der Bevölkerung der Fall ist. Oft werden diese Unterschiede noch viel relevanter, wenn mehrere Medikamente gleichzeitig eingenommen werden. Wie wir alle wissen, kann dies Wirksamkeitsverlust und Arzneimittelunverträglichkeiten zur Folge haben.
So etwas muss uns Apothekerinnen und Apotheker doch interessieren, betrifft es doch Teile unserer genuinen Kernkompetenzen: Arzneimittelsicherheit und Arzneimittelverträglichkeit. Wir müssen uns daher, wie ich meine, für Gendiagnostik interessieren, gerade auch, weil diese neuen diagnostischen Verfahren die Möglichkeit bieten, Risiken für Probleme aufzuzeigen, die dann relevant werden, wenn Arzneimittel eingenommen werden.
Wegen der hohen Anforderungen an den Umgang mit gendiagnostischen Daten bereitet die Bundesregierung derzeit ein "Gendiagnostikgesetz" vor. In diesem Gesetz ist ein strikter "Arztvorbehalt" für diese Art der Diagnostik vorgesehen. Diesen Arztvorbehalt halte ich auch für uneingeschränkt berechtigt, solange mit Hilfe der Gendiagnostik Krankheiten und Krankheitsrisiken erhoben werden. Ich meine aber, dass Apothekerinnen und Apotheker sich dafür einsetzen sollten, den Arztvorbehalt auf einen "Arzt-/Apothekervorbehalt" aufzuweiten, wenn mit Hilfe gendiagnostischer Verfahren nach Risiken für die Arzneimittelsicherheit gesucht wird. Als Apothekerinnen und Apotheker sollten wir darauf bestehen, alle technischen Möglichkeiten einsetzen zu können, die dazu beitragen können, den Einsatz von Arzneimitteln so sicher und so verträglich wie möglich zu machen. Dazu müssen wir uns "einmischen" und aktiv an der Diskussion zu einem neuen Gesetz teilnehmen.
Ähnlich denken erfreulicherweise auch die Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker und die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft, die am 6. Mai 2005 eine gemeinsame Verlautbarung zu diesem Thema publiziert haben (http://www.dphg.de/read_news/?detail=43).
Will die Apothekerschaft ernsthaft diese faszinierenden Möglichkeiten moderner Forschung für die Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich der Arzneimittelsicherheit einfordern, sind politische, fachliche wie organisatorische Aktivitäten von Nöten.
- Den Politikern ist über die Standesvertretungen ebenso wie über persönliche Ansprache der Volksvertreter klarzumachen, dass mit Hilfe moderner "Diagnostik", nicht ausschließlich Krankheiten oder Krankheitsrisiken aufgedeckt werden können, sondern dass auch – und gerade auch – arzneimittelrelevante Informationen aufgezeigt werden können, die selbstverständlich (auch) in den Kompetenzbereich der Apothekerschaft fallen sollten.
- Voraussetzung für Kompetenz in diesem Bereich – und darum muss sich schließlich jeder Einzelne kümmern, der in diesem Feld aktiv werden will – ist allerdings eine intensive fachliche Beschäftigung mit dem Thema.
- Schließlich sind aber auch diejenigen gefordert, die in Form elektronischer Hilfsmittel Expertensysteme erarbeiten, die in der Lage sind, der Apothekerschaft qualifizierte Entscheidungsoptionen bei einschlägigen Testergebnissen anzubieten.
Noch haben wir die Zeit, proaktiv tätig zu werden. Wir sollten diese Zeit nutzen.
Prof. Dr. Theo Dingermann, Institut für Pharmazeutische Biologie, Biozentrum, Marie-Curie-Str. 9, 60439 Frankfurt, Dingermann@em.uni-frankfurt.de
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