Prisma

Schrittmacher für die Seele

Wenn das Herz stolpert, kann es mithilfe eines Schrittmachers wieder in den Takt gebracht werden. Dass diese Methode auch bei einer stolpernden Seele funktionieren soll, ist eigentlich kaum vorstellbar. Dennoch scheint es zu funktionieren. Die so genannte Vagusnerv-Stimulation, die derzeit an der Universität Bonn untersucht wird, verspricht Hilfe bei Depressionen.

10 bis 20 Prozent aller Menschen erkranken im Lauf ihres Lebens an einer Depression. Meist kann durch Psychotherapie und/oder Antidepressiva eine vollständige Genesung erreicht werden, bei jedem fünften Betroffenen besteht die Krankheit jedoch monate- oder jahrelang fort. Diesen Patienten hilft möglicherweise die Vagusnerv-Stimulation (VNS), die ursprünglich zur Behandlung bestimmter Formen der Epilepsie entwickelt wurde. Bei der VNS wird der 10. Hirnnerv – der Vagusnerv – mit einem Pulsgenerator elektrisch gereizt.

Das dafür benötigte Gerät ist etwa so groß wie eine Taschenuhr. Es wird in einer Operation unter den Brustmuskel implantiert und über kleine Platinelektroden mit dem Vagusnerv verbunden. Alle fünf Minuten reizt dieser Stimulator für 30 Sekunden den Vagusnerv. Über einen Sender lässt sich das Gerät individuell programmieren. Patienten berichten lediglich über milde Nebenwirkungen, darunter Heiserkeit, eine leichte Veränderung der Stimmhöhe oder ein Kribbelgefühl im Halsbereich. Sie treten nur während der Stimulation auf und verschwinden danach wieder.

Ausgehend von der Entdeckung, dass die VNS in Studien mit Epilepsiepatienten einen positiven Effekt auf deren Stimmungslage hatte, wird die Methode derzeit bei der Therapie von schweren Depressionen erprobt. Amerikanische Pilotstudien hierzu verliefen bereits viel versprechend. Nun wird die VNS auch hierzulande geprüft. Die Bonner Uniklinik für Psychiatrie und Psychotherapie nimmt momentan an einer internationalen Untersuchung zur Therapie von Depressionen mit der VNS teil. Ob und wann die VNS für Depressionspatienten zur Verfügung steht, ist aber noch offen. Ral

Quelle: Pressemitteilung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 11.1.2005

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