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Keine Kinder ohne wirtschaftliche Sicherheit

Bundesfamilienministerin Renate Schmidt hat mit ihrem "Familienatlas 2005" Anlass zu einer breiten familien- und wirtschaftspolitischen Diskus-sion gegeben. Die Ergebnisse der Untersuchung, die von der Prognos AG in Kooperation mit dem Ministerium und der Wochenzeitung DIE ZEIT erstellt wurde, passen – vielleicht glücklicherweise – auf kein parteipolitisches Aushängeschild. Im besten Fall können sie aber den Kommunen Impulse für ihre künftige Regionalpolitik geben.

 

Keine Standardrezepte

Dabei gibt es zwar keine Standardrezepte, die für alle Regionen gelten. Doch lässt sich generell festhalten: Ohne gute wirtschaftliche Perspektiven halten sich die Deutschen mit dem Kinderkriegen zurück – da helfen auch die besten Kinderbetreuungsmöglichkeiten nichts. Das zeigt sich derzeit vor allem in vielen Regionen im Osten.

Singlestädte

Aber auch in vielen Großstädten hapert es mit der demographischen Entwicklung. Hier liegen die Hemmnisse im städtisch geprägten Lebensstil, der mehr auf Studenten und berufstätige Singles zugeschnitten ist – und in anderen familienfeindlichen Bedingungen wie hohen Mieten, starker Verkehrsbelastung und erhöhten Kriminalitätsraten.

Kinder als Wirtschaftsfaktor

Andererseits gilt aber auch für ganz Deutschland: Langfristig sind diejenigen Regionen wirtschaftlich benachteiligt, die kein kinder- und familienfreundliches Klima schaffen. Denn, so Schmidt: "Ohne junge Familien gibt es keinen Fachkräftenachwuchs, keine neuen Unternehmen und keine Innovationen."

Keine Rückkehr an den Herd

Auffällig sind übrigens auch die hohen Geburtenraten in Süddeutschland bei gleichzeitig schlechtem Betreuungsangebot. Dieses Ergebnis ist zwar eine Steilvorlage für die Anhänger einer konservativen Politik, getreu dem Motto "Die Frau gehört an den Herd – und kleine Kinder sind am besten bei Mama aufgehoben". Doch es wäre fatal, die Kinderbetreuung im Westen nicht weiter auszubauen und im Osten verkümmern zu lassen. Unsere Gesellschaft kann es sich nicht leisten, auf die Qualifikationen von Frauen zu verzichten. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollte ein Grundrecht jeder Frau sein (selbstverständlich aber keine Zwangsverpflichtung).

Karriere nur mit Ganztagsbetreuung

Im Apothekenbereich sind die Wiedereinstiegschancen für Mütter durch den hohen Teilzeitanteil bereits recht gut. Aber um als Frau in der Apotheke weiterzukommen – zum Beispiel als Filialapothekerin – ist mehr als eine Teilzeitstelle erforderlich. Die dazu nötige Ganztagsbetreuung für Klein- und Schulkinder fehlt vielerorts noch. Das betrifft auch Alleinerziehende, die eine Vollzeitstelle brauchen, um ausreichend zu verdienen.

Kommunalen Finanzausgleich neu regeln

Leider ist es zurzeit nicht so, dass sich ein Ausbau von Kinderbetreuungskapazitäten für die Kommunen direkt in Form erhöhter Steuereinnahmen auswirken würde. Zu diesem Schluss kam kürzlich das DIW Berlin (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung). Die DIW-Experten schlagen deshalb vor, die Kinderbetreuung im kommunalen Finanzausgleich stärker als bisher zu berücksichtigen. Damit hätten Städte und Gemeinden einen stärkeren Anreiz, sich für familienfreundliche Rahmenbedingungen einzusetzen.

 

Dr. Sigrid Joachimsthaler

 

Quellen:

FTD und taz vom 21. Januar 2005, www.bmfsfj.de, www.diw.de

 

Familienatlas 2005 

 

Der Familienatlas klassifiziert alle 439 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland nach ihrer Familienfreundlichkeit. Die Unterteilung erfolgt in acht Gruppen, die jeweils ähnliche Bedingungen für Familien bieten:

 

A Wo es sich als Familie gut leben lässt (z. B. LK Harburg, Kreis Berchtesgadener Land) B Klassische Mittelstandsregionen (z. B. Main-Taunus-Kreis, Alb-Donau-Kreis) C Regionen mit "verdeckten Problemen" (z. B. Kreis Goslar, LK Gießen) D Die "Unauffälligen" (z. B. LK Osnabrück, LK Aachen) E Singlestädte als biografische "Durchlaufstationen" (z. B. Düsseldorf, Heidelberg) F "Refugien" für Familien in Ostdeutschland (z. B. LK Potsdam-Mittelmark, Kreis Annaberg) G Fehlende Perspektiven für Familien (z. B. Neubrandenburg, Altmarkkreis Salzwedel) H Städte im Strukturwandel (z. B. Kiel, Gelsenkirchen)

Gemessen wurde die Familienfreundlichkeit mithilfe von 16 Indikatoren. Diese sind folgenden fünf Kategorien zugeordnet:

1. Demografische Entwicklung (z. B. Geburtenraten und Familienzu-/abwanderung) 2. Kinderbetreuungsinfrastruktur 3. Bildungs- und Arbeitsmarkt 4. Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Teilzeitarbeit und andere Erwerbsmöglichkeiten für Frauen) 5. Sicherheit und Wohlstand (z. B. Kriminalitäts-, Verkehrs- und Armuts- risiken).

Der "Familienatlas 2005" kann kostenlos heruntergeladen werden unter www.prognos.com/familienatlas. Bestellmöglichkeiten im Internet unter www.bmfsfj.de ;
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