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Spitzenpolitiker mahnen rasche Gesundheitsreform an

BERLIN (ks). Lange haben Union und SPD erklärt, Gesundheitsprämie und Bürgerversicherung seien zwei sich gegenseitig ausschließende Reformkonzepte. Tatsächlich fällt es schwer, sich eine sinnvolle Kombination der beiden Modelle vorzustellen. Doch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) kann keine weiteren vier oder gar fünf Jahre warten. Eine Reform der Finanzierungsgrundlagen muss rasch kommen Ų dessen ist sich die große Koalition bewusst. Innerhalb eines halben Jahres will man eine gemeinsame Lösung finden. Spitzenpolitiker beider Parteien zeigten sich am vergangenen Wochenende zuversichtlich, dass dies klappen wird.

Der Fraktionsvorsitzende der Union, Volker Kauder, bekräftigte, dass die Reform der GKV-Finanzierung im ersten Halbjahr 2006 präsentiert werden soll. Sein SPD-Kollege Peter Struck und er seien sich einig: "Das Thema Gesundheitsreform ist Chefsache". Kauder betonte, dass Gesundheitspolitik die großen Wachstumschancen der Branche fördern müsse. "Das gelingt nur, wenn die Versicherungsbeiträge nicht ständig die Lohnkosten in die Höhe treiben." Kernelemente einer Reform sind aus Sicht der Union mehr Wettbewerb sowie mehr Transparenz im Abrechnungssystem und auf der Leistungsseite. Sicher ist Kauder zufolge eines: "Eine Bürgerversicherung wird es nicht geben".

Röttgen: Vernünftige Synthese möglich

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Norbert Röttgen, gab sich ebenfalls optimistisch: Die Gesundheitsreform werde die erste Bewährungsprobe der großen Koalition sein – "da dies alle wissen, werden wir sie bestehen". Einen Aufschub der Reformen könne sich die große Koalition nicht leisten. Röttgen glaubt daran, dass SPD und Union zu einer "vernünftigen Synthese" kommen können: "Ich sehe nicht, dass die Modelle sich völlig gegenseitig ausschließen". Ein Vorschlag der Union sei beispielsweise, die Versicherung der Kinder aus Steuermitteln zu finanzieren. Dass dadurch die Finanzierungslast auch von den nicht gesetzlich Versicherten mitgetragen werde, komme der Vorstellung der Sozialdemokraten entgegen.

Haushaltsprobleme erfordern robuste Sicherungssysteme

Auch Finanzminister Peer Steinbrück ist der Auffassung, dass die Gesundheitsreform eine der "wichtigsten Aufgaben für 2006" ist. Die Haushaltsprobleme könne man nur lösen, wenn auch die sozialen Sicherungssysteme "robuster" gemacht würden. Steinbrück: "Auf längere Sicht kann sich ihre Finanzierung nicht in so starkem Maße wie derzeit auf das Normalarbeitsverhältnis stützen." Es sei bedauerlich, dass man sich in den Koalitionsvereinbarungen nicht auf eine Gesundheitsreform habe einigen können. Die nun anstehende Konsensfindung sei eine große Herausforderung: "Wir wollen keine Beitragserhöhungen, keine Leistungskürzung, und wir wollen den Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen an die GKV auf Null zurückfahren". Daher brauche man Reformen im System, mehr Effizienz, mehr Wettbewerb der Leistungsanbieter – "und wohl auch ein neues Verhältnis zwischen GKV und PKV", so der Finanzminister.

Lauterbach: Weg zur Bürgerversicherung nicht verbauen

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Annette Widmann-Mauz, und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprachen sich ebenfalls für eine rasche Einigung aus. "Es muss aber zu einem Mischmodell kommen, welches den Übergang in eine komplette Bürgerversicherung zu einem späteren Zeitpunkt nicht verbaut", sagte Lauterbach. Auch ein Mischmodell müsse die Frage beantworten, wie die Einkommensstarken, Selbstständigen und Beamten beteiligt werden. Widmann-Mauz ist wie die Fraktionschefs der Ansicht, dass die Parteispitzen die Grundsatzentscheidungen zur Gesundheitsreform treffen müssen. Dabei sei es sinnvoll, Wissenschaftler einzubeziehen und zu schauen, wie neue Modelle im Ausland funktionierten.

FDP warnt vor Mischsystem

Der FDP-Gesundheitspolitiker Daniel Bahr warnte indessen vor einer Mischform aus Bürgerversicherung und Gesundheitsprämie. Eine solche könne letztlich nur ein "Formelkompromiss" sein und die Schwierigkeiten im Gesundheitswesen nicht lösen.

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