Kommentar

Frei und doch geregelt

Nach der Freigabe der OTC-Preise und anderen Neuerungen des GMG hatten viele befürchtet und einige gehofft, nun würden für Arzneimittel praktisch überhaupt keine gesetzlichen Schranken mehr gelten. Urteile wie vom Oberlandesgericht Naumburg schienen dies zu bestätigen. Dabei wurde die Gewährung von Gutscheinen aufgrund des Kaufes verschreibungspflichtiger Arzneimittel zugelassen, wenn diese bei nicht preisgebundenen Artikeln eingelöst wurden. Nach verschiedenen anderen Gerichten hat nun auch das Landgericht Osnabrück diese Sichtweise verworfen und deutlich gemacht, dass eine solche Unterscheidung in zwei getrennte Geschäfte "lebensfremd" ist. Dies spricht für eine realistische Sichtweise der Osnabrücker Richter, denn auch in anderen Lebensbereichen sind heute Kopplungsgeschäfte üblich, zum Beispiel bei Handyverträgen. Für Kunden und auch für Gerichte sollte eine Gesamtbetrachtung solcher Verträge selbstverständlich sein. Das Landgericht Berlin hat zudem den Absolutheitsanspruch der Preisbindung gestärkt und die Existenz einer Geringsfügigkeitsschwelle für Nachlässe an die Kunden negiert.

Doch sind die Osnabrücker Richter noch einen Schritt weiter gegangen. Sie sehen das Zuwendungsverbot des Heilmittelwerbegesetzes nach der Abschaffung des allgemeinen Rabattgesetzes als verschärfte Regel für einen besonderen Bereich. Demnach ist die Preisbildung auch für rezeptfreie Arzneimittel keineswegs ungeregelt, sondern einer strengen Norm unterworfen. Die Wahl des Preises ist zwar frei, aber die Werbung mit Preisnachlässen für ausdrücklich genannte Arzneimittel ist nach dieser Interpretation unzulässig.

Der Blick auf manche Apothekenwerbung, insbesondere im Internet, zeigt, dass dies bisher offenbar nicht überall so gesehen wird. Doch interessanter als manche Auslegungsfrage erscheint der gesetzgeberische Hintergrund. Denn offenbar erkennt das Heilmittelwerbegesetz weiterhin - und sogar deutlicher als zuvor - die Besonderheit der "Ware" Arzneimittel an. Auch die "nur" apothekenpflichtigen Arzneimittel verdienen und erhalten einen besonderen gesetzlichen Schutz - und dies offenbar ganz bewusst im Gegenzug zur Preisfreigabe. Das GMG war demnach keine Zwischenstation auf dem Weg des Arzneimittels zur ganz normalen Konsumware.

Thomas Müller-Bohn

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