Kommentar

Das sticht

"Keine Sorge, Akupunktur hilft gegen Kopfschmerzen, egal wohin man sticht" – das ist der Text zu einem Cartoon aus der "Welt" vom 20. April. Er bringt sehr vereinfacht ein Teilergebnis zweier Modellprojekte auf den Punkt, bei denen die Wirksamkeit von Akupunktur zur Behandlung von Rücken-, Knie- und Kopfschmerzen in breit angelegten Studien über fünf Jahre untersucht wurde. Zentrales Ergebnis ist: Echte Akupunktur (Nadeln an den "richtigen" Stellen) und Scheinakupunktur (pieksen an bewusst falschen Punkten) zeigen eine in etwa gleich gute Wirkung bei der Behandlung von chronischen Rückenschmerzen und Schmerzen des Kniegelenks. Wissenschaftlich gesehen ist damit der Wirksamkeitsnachweis nicht erbracht, denn Verum und Placebo sind gleich. Aber in beiden Fällen waren die echte und die Schein-Akupunktur der Standardtherapie deutlich überlegen. Für Verbraucherschützer ist das "eine Niederlage der Schulmedizin" (Stefan Etgeton). Bei Kopfschmerzen und Migräne gab es wiederum keine Unterschiede zwischen Akupunktur und Standardtherapie.

Diese Ergebnisse führten dazu, dass sich der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zum Beschluss durchrang, eine Akupunkturbehandlung für gesetzlich Versicherte mit chronischen Rücken- oder Knieschmerzen grundsätzlich als Regelleistung der Kassen zuzulassen. Das ist in der heutigen Zeit der knappen Kassen, der evidenzbasierten Medizin und des weichen Ergebnisses höchst bemerkenswert. Denn - und das räumt G-BA-Chef Hess selbst ein - ein eindeutiger Nachweis der Überlegenheit der echten Akupunktur liegt nicht vor. Die Ergebnisse zeigen nur, dass Pieksen, egal ob an der richtigen oder falschen Stelle, besser sein soll als die Standardtherapie. Um wie viel besser, geht aus der vorliegenden Meldung nicht hervor. Da könnte ich mir doch vorstellen, dass die Anhänger so manch anderer alternativen Therapiemethode neidvoll hinschauen und überlegen, wie sie mit ähnlich schwachen Ergebnissen ihre Methode in den Status der Kassenleistung erheben könnten. Zur Erinnerung: Die Bioresonanz- und die Ozontherapie hat der G-BA negativ beschieden.

Für mich ist die Entscheidung insgesamt nur schwer nachvollziehbar und inkonsequent. Während wirksame, aber nicht rezeptpflichtige Phytos keine Kassenleistung mehr sind, wird eine Methode mit zweifelhaften und weichen Ergebnissen in Zukunft von der Kasse bezahlt. Eigentlich könnte die Homöopathie demnach schon längst Kassenleistung sein. Vielleicht sollte man alternative Methoden besser dem Wettbewerbskatalog der Krankenkasse überlassen.

Peter Ditzel

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