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TI: Strukturen im Gesundheitswesen bereiten den Weg für Korruption
Das nun auch auf deutsch erschienene "Jahrbuch Korruption" befasst sich in einem zusätzlichen Kapitel mit den Problemen des deutschen, österreichischen und schweizerischen Gesundheitssystems. Die Quintessenz: Vor allem die verkrusteten und intransparenten Strukturen öffnen hierzulande Tür und Tor für Betrügereien. TI setzt daher weniger auf das "Herumkurieren an Symptomen", als auf die Behebung dieser strukturellen Mängel. Die hohe Dunkelziffer bei Korruptionsdelikten macht es schwer, den durch Betrügereien entstandenen Schaden zu beziffern. TI-Vorstand Anke Martiny geht jedoch davon aus, dass dem System jährlich ein zweistelliger Milliardenbetrag verloren geht.
Die ehemalige Präsidentin der hessischen Apothekerkammer und künftige Vorsitzende der TI-Arbeitsgruppe Gesundheit Gabriele Bojunga ist sicher: "Wenn wir die Einfallstore für Betrug und Korruption im Gesundheitswesen schließen könnten, bräuchten wir kein zusätzliches Geld im System". Doch dies dürfte ein schwieriges Unterfangen sein. Denn für die deutschen TI-Gesundheitsexperten liegen die hiesigen Missstände vor allem in den seit Jahrzehnten gewachsenen undurchsichtigen Strukturen der Selbstverwaltungsorganisationen und der Aufsichtsbehörden begründet:
So gibt es nicht nur das Bundesgesundheitsministerium, sondern auch 16 Länderministerien. Weiterhin existiert in jedem Bundesland mindestens eine Kammer für die freien Heilberufe, hinzu kommen die kassen- und kassenzahnärztliche Vereinigungen - alle diese Organisationen haben zudem eine Dachorganisation auf Bundesebene. Nicht zuletzt mischen mehr als 250 Krankenkassen und diverse Industrieverbände im deutschen Gesundheitswesen mit. Für den Einzelnen - sei er Apotheker, Arzt oder Versicherter - sind diese Strukturen kaum zu durchschauen, geschweige denn zu verändern. Zugleich sind die Tore für Abrechnungsbetrügereien weit geöffnet. Da die Krankenkassen in die meisten versichertenbezogenen Daten keinen Einblick haben, fällt die Kontrolle schwer.
ABDA: Musterbeispiel der Intransparenz
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) ist für Bojunga ein Musterbeispiel der Intransparenz. So weigere sich der Apotheker-Dachverband beharrlich zwei verschiedene Haushalte aufzustellen - einen für die von ihr vertretenen Körperschaften und einen für die Wirtschaftsverbände. Wolle man genauere Auskünfte zur finanziellen Organisation der ABDA haben, so müsse man sich auf Aussagen verlassen, die weder Hand noch Fuß haben, beklagte Bojunga. Angesichts des "Wildwuchses an Funktionärsherrschaft" fordert TI eine durchgreifende Professionalisierung der Selbstverwaltungsorganisationen.
Ziel ist, Transparenz in die Entscheidungsprozesse und das Geschäftsgebaren der Organisationen und ihrer Funktionäre zu bringen. Auch müsse man Funktionäre und Entscheidungsträger der Selbstverwaltung wie Amtsträger behandeln, um zu vermeiden, dass zwielichtige Machenschaften durch das strafrechtliche Netz fallen. Nicht hinnehmbar sei zudem, dass niedergelassene Ärzte in ihrem Verhältnis zu Warenanbietern juristisch anders behandelt werden müssen als Klinikärzte, wenn es um Bestechlichkeit und Vorteilsannahme geht - Stichwort: Ratiopharm.
Einflussnahme durch die Industrie
Der große Einfluss der Pharmaindustrie ist für TI ein weiteres Problem: Angesichts eines weitgehend gesättigten Gesundheitsmarktes und einem Mangel an echten Innovationen versuche die Industrie ihr Geschäft mit Scheininnovationen zu machen. Um diese etablieren zu können, komme es immer wieder zu Manipulationen und Fälschungen klinischer Studien, beklagte der TI-Arzneimittelexperte Peter Schönhofer. Zudem missbrauche die Industrie die ärztliche Fortbildung zu Werbezwecken und mache in Selbsthilfegruppen organisierte Patienten zu "Marketingagenten". Selbst unter den Experten, die für die Erstellung von Leitlinien verantwortlich sind, finden sich nicht selten schwarze Schafe. Wenn es darum gehe, Verwebungen mit der Industrie publik zu machen, sei Deutschland ein "Entwicklungsland", erklärte Schönhöfer.
TI fordert daher die Offenlegungspflicht von Finanzierungen und Beziehungen zu Sponsoren, sowie die Registrierung gesponserter klinischer Studien. Die Einführung einer Positivliste und einer echten vierten Hürde bei der Arzneimittelzulassung zählen ebenfalls zum TI-Forderungskatalog. Auch die großen generischen Hersteller und ihre Einflussnahme über gesponserte Praxissoftware sind TI im Dorn im Auge. Bojunga berichtete, dass derartige Software mittlerweile auch im Apothekenbereich angeboten wird. Es sei zudem zu beobachten, dass die Bestechung bereits eine Stufe früher beginnt - nämlich beim Hersteller der Software. Auch wer eine vermeintlich unabhängige Software kaufe, sei nicht davor gefeit, dass ein Arzneimittelhersteller seine Finger im Spiel hatte.
Arzneimittelfälschungen im Fokus
Zu den weiteren Forderungen von TI gehört die Einführung von fälschungssicheren Arzneimittelverpackungen. Immer wieder fänden sich auch im deutschen Markt Arzneimittelfälschung, häufig umverpackte Medikamente, die zunächst als Spenden und für wenig Geld an bedürftige Länder gingen.
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