Kommentar

Alles korrupt?

Milliardenschäden durch Korruption im Gesundheitswesen – so oder ähnlich lauteten in der vergangenen Woche Überschriften in Tageszeitungen, die sich mit dem von der Organisation "Transparency International" (TI) vorgelegten Bericht über Korruption im Gesundheitswesen befassten. Welche Machenschaften sind hier ans Tageslicht gekommen? Welche Korruptionsaffären wurden aufgedeckt?

Beim genaueren Hinschauen zeigt sich, dass sich der Bericht von TI wohl nicht so sehr auf einzelne Korruptionsfälle stützt, sondern eher Strukturen angreift, die zu Korruption verleiten könnten. TI fragt in seinem Report, welchen Anteil an den hohen Gesundheitskosten Misswirtschaft, Betrug und Korruption in unserem Gesundheitswesen haben - ohne spürbare Verbesserungen beim Gesundheitszustand.

Als Antwort hierauf nennt TI zahlreiche mögliche Ursachen, die vereinzelt durchaus in unserem Gesundheitssystem bekannt geworden sind, z. B. von Forschern manipulierte Ergebnisse, verschwiegene Arzneimittelrisiken bei neuen Präparaten, Handel mit Versichertenkarten, manipulierte Software für Ärzte, bestochene Ärzte und vieles mehr. Alles in allem soll die Korruption im Gesundheitswesen letztlich zu milliardenschweren Verlusten führen.

Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Genau darin dürfte das Problem für TI liegen: Der Nachweis der Korruption, des Betrugs im Gesundheitswesen ist extrem schwer und gelingt nicht immer. Sicher gibt es vereinzelt die aufgeführten Beispiele, es wird schon mal manipuliert und korrumpiert - doch wie weist man das nach? Sicher hat man schon mal das Gefühl, dass ein Arzt zu vorschnell krankschreibt, dass er Leistungen abrechnet, die nicht erbracht wurden, dass er bevorzugt ein Präparat abgibt, wofür sich dann der Pharmahersteller auf bestimmte Weise erkenntlich zeigt, oder dass schon mal ein Apotheker eine Krankenkasse betrogen hat. Schwarze Schafe - die Mehrheit arbeitet korrekt. Das Problem ist der Nachweis, in welchem Ausmaß dies vorkommt. Da tut sich auch TI schwer.

Ungeachtet der populistischen Formulierungen: Es ist richtig, auf strukturelle Mängel im Gesundheitswesen, auf Felder der Intransparenz und damit mögliche Quellen der Korruption aufmerksam zu machen. Hier ist sicher noch Luft im System. Ob es wiederum soviel Luft ist, dass die Kostenentwicklung in Schach gehalten werden könnte, wage ich zu bezweifeln.

Peter Ditzel

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