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- AZ 30/2006
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Der Fall DocMorris/Hecken: Staatsanwaltschaft bügelt Strafanzeigen ab
So schnell können Staatsanwälte sein! Innerhalb von kaum mehr als 24 Stunden hat der Saarbrücker Oberstaatsanwalt Raimund Weyand die Strafanzeigen mehrerer Apotheker gegen den saarländischen Minister für Justiz, Gesundheit und Soziales, Josef Hecken, wegen fehlenden "Anfangsverdachts" abgelehnt. Lapidare Begründung: Es bestehe kein Anlass, strafprozessuale Schritte gegen den "Beanzeigten" zu betreiben. Dabei war die Strafanzeige von Rechtsanwalt Dr. Heinz-Uwe Dettling, einem ausgewiesenen und anerkannten Kenner des geltenden Apotheken- und Arzneimittelsrechts, mit umfangreichem Material unterfüttert und juristisch durchaus subtil begründet.
Nichtige Betriebserlaubnis?
Nach Auffassung Dettlings hat sich Hecken mit seiner Erteilung einer "offenkundig und schwerwiegend gesetzeswidrigen und damit nichtigen Erlaubnis" an die niederländische Versandapotheke für ihre DocMorris-Apotheke in Saarbrücken der Beihilfe zum Betrieb einer Apotheke ohne die erforderliche wirksame Erlaubnis strafbar gemacht. Die erteilte Erlaubnis leide an einem besonders schwerwiegenden Fehler und sei daher nach § 44 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz nichtig. Die Erteilung einer Apothekenbetriebserlaubnis setzt nämlich voraus, dass der Antragsteller die "deutsche Approbation als Apotheker" besitzt oder Angehöriger eines der übrigen EG-Mitgliedstaaten ist und seine pharmazeutische Ausbildung dort mit einem Diplom abgeschlossen hat.
Apotheken können von Gesellschaften nach § 8 Satz 1 Apothekengesetz nur in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft oder einer Offenen Handelsgesellschaft betrieben werden. Dabei müssen sämtliche Gesellschafter Apotheker sein.
Rechtswidrigkeit "auf die Stirn geschrieben"
In offenkundigem Widerspruch dazu handelt es sich bei DocMorris nicht um eine "natürliche Person, die über eine deutsche Approbation als Apotheker oder einen entsprechenden europäischen Abschluss" verfügt. Vielmehr wird das Versandunternehmen in Form einer apothekenrechtlich unzulässigen Kapitalgesellschaft, nämlich einer (niederländischen) Aktiengesellschaft, betrieben. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist der von Hecken erteilten Betriebserlaubnis, so Dettling, die Rechtswidrigkeit "auf die Stirn geschrieben". Allein der Hinweis des zuständigen Ministers auf das wie auch immer geartete Rechtsgutachten eines "renommierten Rechtswissenschaftlers" ändert daran nichts.
Andernfalls würde die grundgesetzlich verankerte Bindung der Exekutive (und dazu gehört auch ein Justizminister) an Recht und Gesetz zur Disposition von bezahlten Rechtsgutachtern gestellt. Um die beliebige Missachtung von Gesetzen unter Hinweis auf angebliches höherrangiges (Europa-)Recht zu verhindern, steht das so genannte "Verwerfungsmonopol" von Gesetzesbestimmungen allein dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof zu. Nur diesen beiden Gerichten obliegt es, verbindlich festzustellen, ob eine Rechtsnorm verfassungs- oder europarechtswidrig ist. Aus der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz folgt deshalb, dass auch ein saarländischer Minister deutsches Apothekenrecht erst dann ignorieren darf, wenn der Europäische Gerichtshof feststellen sollte, dass die betreffende Norm gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt.
Rechtsgutachten: Die große Unbekannte
Diesen verfassungsrechtlich vorgegeben Weg hat Hecken unter Hinweis auf ein bis dato unter Verschluss gehaltenes "umfängliches Rechtsgutachten", dessen Verfasser ebenfalls im Dunkeln bleibt, offenkundig verlassen. Dies gilt um so mehr, als in der Vergangenheit nicht nur vom Bundesverfassungsgericht, sondern auch in mehreren - veröffentlichten - Rechtsgutachten die Verfassungsmäßigkeit und europarechtliche Zulässigkeit des Fremdbesitzverbotes bei Apotheken festgestellt worden war. Die verfassungsrechtlich vorgegebene Pflicht Heckens wäre es gewesen, den Antrag von DocMorris auf Erteilung einer Betriebserlaubnis abzulehnen. Der niederländische Versender hätte dann die Möglichkeit gehabt, diese Entscheidung und damit das apothekenrechtliche Fremdbesitzverbot gerichtlich überprüfen zu lassen.
Strafrechtlich relevante Beihilfe?
Strafrechtlich relevant könnte das Verhalten Heckens im Hinblick auf § 23 ApoG sein. Ist die offensichtlich rechtswidrige Betriebserlaubnis nämlich tatsächlich "nichtig", so wird die saarländische DocMorris-Apotheke nunmehr ohne die erforderliche Betriebserlaubnis betrieben. Spätestens seit es Hecken "sehenden Auges" unterlässt, diesem Umstand Rechnung zu tragen, z.B. durch "Rücknahme" der nichtigen Betriebserlaubnis, scheint es nicht abwegig, ihn in strafrechtlich relevanten Gefilden zu sehen.
Staatsanwalt sieht sich "instrumentalisiert"
Es muss daher erstaunen, mit welcher Eile und Nonchalance die Staatsanwaltschaft Saarbrücken die Strafanzeigen gegen den ihr gegenüber weisungsbefugten Minister vom Tisch wischt und einen Anfangsverdacht gegen Hecken verneint. So dürr die rechtliche Begründung des Oberstaatsanwalts ausfällt, so bizarr seine weiteren Anmerkungen in der Mitteilung an die Anzeigenerstatter (vgl. unten).
Doch damit nicht genug. Obwohl die Anzeigenerstatter inzwischen gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft eingelegt haben, stellte Weyand - jetzt in seiner Funktion als Pressesprecher (!) der Staatsanwaltschaft - gegenüber dem Saarländischen Rundfunk lapidar fest, dass die Staatsanwaltschaft "für die Gewinninteressen einer Berufsgruppe instrumentalisiert werde". Und weiter: "Die Strafanzeigen gegen Gesundheitsminister Hecken werden keine Verfahren nach sich ziehen." Das nennt man wohl vorausschauende Öffentlichkeitsarbeit: Ein Pressesprecher weiß schon vorab, wie sein Generalstaatsanwaltschaft entscheiden wird.
Das Schreiben der Staatsanwaltschaft: Wenn ein OStA nach Ursachen forscht...
"Ihr Schreiben veranlasst mich im Übrigen zu einigen ergänzenden Anmerkungen, Ihre – bezeichnenderweise anonym bleibende – Mandantschaft verfolgt mit der mir übermittelten Eingabe ersichtlich nicht das Ziel, ein erkanntes strafrechtlich relevantes Unrecht der Verfolgung durch die Ermittlungsbehörden zuzuführen. Vielmehr stehen ganz offenkundig rein materiell begründete Eigen- bzw. Gruppeninteressen im Mittelpunkt der "Anzeige". Ihre anonymen Auftraggeber sehen anscheinend durch die erfolgte Genehmigung eigene Einnahmequellen (oder solche ihres Berufsstandes) gefährdet, die sie schützen wollen, wobei sie zu diesem Schutz den Versuch unternehmen, Strafverfolgungsorgane zu instrumentalisieren. Es ist indes nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, als eine Art "Superkontrollinstanz" missliebige Verwaltungsakte in der hier wohl gewünschten öffentlichkeitswirksamen Form auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen oder gar politische Entscheidungen zu bewerten.
Aus dem Ablehnungsbescheid von Oberstaatsanwalt (OStA) Weyand an den Anzeigenerstatter
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