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- AZ 30/2006
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Kommentar
Infam
Josef Hecken (CDU), saarländischer Minister für Justiz, Gesundheit und Soziales – diesen Namen wird man sich merken müssen. Der nächste Wahltag kommt bestimmt. Mit welcher Unverfrorenheit, ja Infamie sich hier ein auf die Landesverfassung vereidigter Minister an tragenden Verfassungsgrundsätzen vergeht, ist starker Tobak. Wo leben wir eigentlich? Ein Justizminister, der sich mittels eines dubiosen, geheim gehaltenen und von Steuergeldern bezahlten Gutachtens (Autor unbekannt) von Recht und Gesetz freikaufen zu können meint, erschüttert das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit. Wenn sein Verhalten Schule macht - dann gute Nacht Deutschland! Es ist die Gemengelage aus langfristigen Strategien zur Aufmischung der Arzneimitteldistribution, politischer Blauäugigkeit und gegenseitig willfährigen Netzwerken und Seilschaften, die so beunruhigen muss.
Josef Hecken hat von seinen niederländischen Schützlingen (oder ist es eher umgekehrt?) viel gelernt: Permanenter Rechtsbruch kombiniert mit PR entfaltet über kurz oder lang auch normative Wirkung. Dies hat bei der Etablierung des Versandhandels mit Arzneimitteln funktioniert und so soll jetzt auch das Fremdbesitzverbot bei Apotheken zu Fall gebracht werden. Dabei überschreiten die Akteure in einer Art juristischem Guerillakrieg bewusst, zielgerichtet und nadelstich–artig so lange geltende Gesetze, bis das bestehende Versorgungssystem sturmreif geschossen ist. Das Saarland scheint für diese Taktik – siehe Verblisterung – ein besonders fruchtbares Terrain zu sein – auch wenn die jetzt unmittelbare Beteiligung eines Ministers an diesem Treiben eine neue Qualität darstellt.
Ob die Gegenkräfte ausreichen, den rechtsstaatswidrigen Angriffen Paroli zu bieten? Liest man die überheblichen und vor Selbstsicherheit triefenden Presseerklärungen des saarländischen Gesundheitsministers ("Das Mehr- und Fremdbesitzverbot ist mit der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar"), so kann auf Einsicht kaum gehofft werden. Auch die Weigerung der Staatsanwaltschaft Saarbrücken, Strafanzeigen gegen "ihren" Justizminister differenziert zu beurteilen, lässt nichts Gutes ahnen. Aber es gibt auch ermutigende Zeichen: Zum Beispiel, dass alle sieben saarländischen Pharmazierätinnen und Pharmazieräte nicht kuschen, sondern ankündigen, ihre Tätigkeit so lange ruhen zu lassen, bis das Ministerium im Apothekenrecht wieder zu rechtsstaatlichen Verfahren zurückkehrt. Zur Nachahmung empfohlen! Ihrer Zivilcourage gilt unsere Unterstützung.
Christian Rotta
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