Kieler Gesundheitsforscher mahnt "ehrliche Diskussion" um die Zukunft der GKV an

Jedem im Gesundheitswesen ist klar: Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen wird auf Dauer nicht ausreichen, um alle Patienten am medizinischen Fortschritt teilhaben zu lassen. Leistungsausgrenzungen sind jedoch unpopulär und so vermeidet die Politik das Thema tunlichst.

In den Augen des Kieler Gesundheitsforschers Prof. Fritz Beske ist die Diskussion um eine Neubestimmung des GKV-Leistungskatalogs aber unausweichlich. Um diese anzustoßen hat Beske nun ein "Handlungskonzept" mit konkreten Vorschlägen vorgelegt. Bei begrenzten Mitteln gibt es nur zwei Möglichkeiten, um politisch gewollte neue medizinische Leistungen in der GKV umzusetzen: Entweder mehr Geld ins System oder aber bestehende Leistungen kürzen, erklärte Beske bei der Vorstellung seiner neuesten Studie am 6. Dezember in Berlin. Die Große Koalition plant in ihrem aktuellen Reformgesetz allerdings, die Leistungen der GKV auszuweiten, ohne im Gegenzug Einnahmeerhöhungen oder die Streichung anderer Leistungen vorzusehen. Dies kann in Beskes Augen nicht gut gehen.

Streichung von Vorsorge- und Präventionsleistungen Der langjährige Politikberater und Mediziner schlägt in seiner Studie vor, manche Leistungen ganz aus dem Leistungskatalog herauszunehmen, weil sie nicht im engeren Sinn zur Versorgung im Krankheitsfall gehörten. Dazu zählt er versicherungsfremde Leistungen wie beispielsweise medizinische Vorsorgeleistungen, Mutter/Vater-Kind-Kuren, Mutterschaftsgeld, häusliche Krankenpflege, Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch. Auch die Patientenberatung und -information, die Selbsthilfeförderung und die Primärprävention sind für Beske keine Aufgaben, die die GKV zu finanzieren hat. Andere Leistungen sollten in engeren Grenzen gewährt werden, beispielsweise Heil- und Hilfsmittel oder medizinische Rehabilitation. Um in die Zuzahlungsregelung mehr Effizienz zu bringen, schlägt Beske vor, für jedes Arzneimittel eine feste Zuzahlung von 5 Euro zu erheben - zuzüglich 10 Prozent der Differenz zum Gesamtpreis des Präparates. Maximal sollen 20 Euro fällig werden. Die psychotherapeutische Behandlung will der Mediziner in die Wirtschaftlichkeits- und Plausibilitätsprüfung einbeziehen und pro Sitzung eine Zuzahlung von zehn Euro verlangen. Die Integrierte Versorgung will Beske aus dem SGB V herausnehmen. Statt dessen sollte sie von den Krankenkassen im Rahmen ihrer freien Verfügungsmittel gefördert werden, die sie nach Beskes Konzept als "Verwaltungs- und Förderpauschale" erhalten (10 Prozent ihrer jeweiligen Gesamtausgaben).

Bezifferbares Einsparvolumen von 4 Milliarden Euro Nicht zuletzt spricht sich Beske dafür aus, eine Standardversorgung zu definieren, die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Alles Weitere sollten Versicherte als Wunschversorgung privat finanzieren. Für mehr Transparenz sollen die Patientenquittung und die Kostenerstattung - zumindest im Rahmen der Wunschleistungen sorgen. Insgesamt, so Beske, ließen sich durch Leistungskürzungen und einige strukturelle Umgestaltungen des Leistungskataloges 4 Milliarden Euro sparen. Hinzu komme ein noch nicht bezifferbares Einsparpotenzial infolge der Veränderungen bei der Heil- und Hilfsmittelversorgung sowie der Psychotherapie.

Undurchsichtigen Einschränkungen vorbeugen Dass seine Anregungen von Gesundheitspolitikern rasch aufgenommen werden, glaubt Beske allerdings nicht. Noch sei der GKV-Leistungskatalog ein Tabuthema. Aber: "Die Vorschläge sind eine Arbeit für die Halde." Zumindest soll seine Studie eine faktenbasierte öffentliche Diskussion über das, was die Solidargemeinschaft tragen will, anregen. Diese ist Beske zufolge dringend notwendig, um undurchsichtigen Leistungseinschränkungen zuvorzukommen. Ablehnend steht er beispielsweise der Herausnahme privater Unfälle aus dem Leistungskatalog gegenüber..

Die Studie ist als Band 107 der IGSF-Schriftenreihe erschienen und kann für 10 Euro zuzüglich Versandkosten bestellt werden. Telefon: 0431/ 800 600, E-Mail: info@igsf-stiftung.de.

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