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Kampagne gegen Arzneimittel in Hessen: AOK und KV Hessen warnen Patienten vor Ar
Die AOK Hessen und die Kassenärztliche Vereinigung Hessen starteten bereits Ende Oktober eine "Kampagne zur Erhöhung der Versorgungsqualität". Die Kooperationspartner erhoffen sich von dieser Kampagne eine Stärkung der Informationssouveränität für Patienten und Ärzte, was zur qualitativen Erhöhung der Versorgung führen soll. Nach Meinung der AOK Hessen herrscht derzeit eine Informationshoheit der Pharmaindustrie, die eine unabhängige Therapieplanung für Ärzte und Patienten erschwere. Bei der Kampagne gehe es nicht um den "Werbespot für ein Heuschnupfenmittel im Fernsehen, vielmehr geht es um die Art von Werbung, die der Verbraucher gar nicht als solche erkennt", erläutert Peter Litzinger, Leiter der Hauptabteilung Medizinproduktepflege und Zahnärzte bei der AOK Hessen. Dr. Harald Herholz, Leiter der Abteilung Qualitätssicherung bei der KV Hessen, spricht in diesem Zusammenhang den hohen Vertriebsdruck in der Pharmabranche an, der sich negativ auf die niedergelassenen Kassenärzte auswirke: "Da kommt auf sechs Ärzte ein hauptamtlicher Außendienstmitarbeiter der Pharmaindustrie. Sie können sich vorstellen, wie groß da der Absatzdruck ist, der auf Ärzte ausgeübt wird."
Auch durch geschickte Studiendesigns und deren Kommunikation könne die tatsächliche Wirksamkeit von Arzneimitteln nicht immer sofort erkannt werden. Laut Herholz führt dies zu der Annahme, dass ein Präparat um ein Vielfaches wirkungsvoller sei als es faktisch der Fall sei.
Versicherte verunsichert
In dem an AOK-Versicherte versandten Schreiben wird dargestellt, dass Patienten die Wirkung von Medikamenten überschätzten. Die AOK weist darauf hin, dass "Pillen" Nebenwirkungen haben und gefährliche Komplikationen verursachen können und sich bei vielen Erkrankungen gute Erfolge auch durch andere Maßnahmen als Arzneimittel erzielen lassen – und das ohne Nebenwirkungen. Als Tipps nennt das AOK-Schreiben: "Nicht jeder Praxisbesuch muss mit einem Rezept enden!" Man sollte dem Arzt auch sagen, wenn man ein Medikament nicht eingenommen habe und man könne selbst eine Menge tun, damit es einem besser gehe. Der Abschlusssatz im AOK-Schreiben: "Natürlich sind Medikamente ein wichtiger Teil der Behandlung bei einer Reihe von Erkrankungen. Aber sie wirken nicht immer und längst nicht bei jedem Patienten. Nur Sie und Ihr Arzt können gemeinsam entscheiden, ob ein Medikament wirklich sinnvoll und notwendig ist."
"Gerade ältere und chronisch kranke Patienten kommen mit diesem Schreiben in die Apotheken und sind wegen des Briefes ihrer Krankenkasse total verunsichert. Wir müssen sie nun davon überzeugen, dass sie keinesfalls eigenmächtig eines der Arzneimittel absetzen sollen", so der Vorsitzende des Hessischen Apothekerverbandes, Dr. Peter Homann. Weshalb die Kassenärztliche Vereinigung (KV) diese Kampagne auch noch unterstütze und damit das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient untergrabe, könne der Apothekerverband ebenso wie zahlreiche niedergelassene Ärzte nicht nachvollziehen.
Eine kürzlich in der Ärztezeitschrift "Archives of Internal Medicine" veröffentlichten Studie bei Herzinfarktpatienten und Diabetikern aus den USA hatte folgendes Ergebnis: Fast jeder achte Infarktpatient setzte die üblichen drei Medikamente schon im ersten Monat nach der Krankenhausentlassung ab. Und jeder fünfte hielt mindestens ein Arzneimittel für entbehrlich. Das hatte zur Folge, dass jeder zwölfte Todesfall eines Totalverweigerers im ersten Jahr nach der Akutbehandlung vermeidbar gewesen wäre.
Mit Arzneimitteln sparen
"Es gibt überhaupt keine Diskussion darüber, dass durch die Arzneimitteltherapie die Lebensqualität der Patienten erheblich verbessert wird und teure Krankenhausaufenthalte vermieden werden können", so Homann. Gerade bei Arzneimitteln sei Geiz nicht geil. Hier könne das Motto nur lauten: Mit dem Arzneimittel und nicht an dem Arzneimittel sparen.
Wenn die AOK Kosten einsparen wolle, wären die Apotheker ihr dabei gerne behilflich. Ein Beispiel sei der Hausarzt-/Hausapothekenvertrag mit der Barmer Ersatzkasse, wo das Zusammenspiel zwischen Arzt, Patient und Apotheke hervorragend funktioniere. Dadurch könne die Kasse nicht nur bei Doppelverordnungen von Arzneimitteln, sondern auch bei nicht notwendigen Doppeluntersuchungen bei verschiedenen Ärzten Geld sparen. "Allerdings hat die AOK von dieser bereits seit dem Jahr 2004 bestehenden Möglichkeit bisher noch keinen Gebrauch gemacht", ergänzte Homann.
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