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Großbritannien: Ruf nach dem Apotheker

LONDON (jr). Im Bemühen, die Kosten des Gesundheitswesens zu senken, übertrug das britische Gesundheitsministerium die Versorgung von Patienten mit Medizinalsauerstoff von Apotheken auf Anbieter der freien Wirtschaft. Nach landesweiten Engpässen, die bereits Tote forderten, verlangen Patienten nun den Service aus der Apotheke zurück.

Als im Februar die ersten britischen Patienten über die landesweit unzureichende Versorgung mit Medizinalsauerstoff klagten, war es für Alice Broderick bereits zu spät. Laut Presseberichten starb die dreiundsechzigjährige Frau aus Carlisle während der achtstündigen Wartezeit, obgleich zuvor ein Notruf abgegeben worden war, der die Dringlichkeit der Belieferung hervorgehoben hatte.

Vorausgegangen war die Entscheidung des Gesundheitsministeriums, die zuvor den Apotheken vorbehaltene Sauerstoffversorgung zum 1. Februar 2006 privaten Unternehmen zu übertragen. Während Apotheker die Umstellung bereist im Vorfeld kritisiert hatten, argumentierte die Regierung vor allem mit zu erzielenden Einsparungen für das angeschlagene Gesundheitswesen und mit Zeitersparnissen für Apotheker, die wiederum anderen Servicebereichen zugute kommen sollten. Indessen ist die Versorgung mit Sauerstoff in Teilen des Landes für viele der unter Atemschwierigkeiten durch beispielsweise Emphyseme oder zystische Fibrose leidenden Patienten zu einem schwierigen Unterfangen geworden. Apotheker Geoff Shakelton aus Abergavenny erklärte: "In einem Fall hatten Verwandte eines todkranken Patienten an zwei Tagen zwei Mal zwölf Meilen zu fahren, um den bereits drei Tage zuvor erbetenen Sauerstoff zu erhalten". Simon Coleback von der Vereinigung unabhängiger Apotheken Numark beschrieb das neue System als ein "komplettes Durcheinander". Es sei ohne angemessene Überlegungen oder die Planung einer Übergangszeit oder Konsultation mit denen, die den Service am besten verstehen, den Apothekern, eingeführt worden.

Von der Umstellung betroffene Patienten verlangen nun in öffentlichen Stellungnahmen ein Selbstbestimmungsrecht, das ihnen den Rückgriff auf den Apothekenservice ermöglicht. Obwohl Apotheken die Bereitstellung von Sauerstoff bereits seit Februar nicht mehr abrechnen dürfen, wurden noch hunderte Notfalllieferungen durch sie vorgenommen, um die landesweit auftretenden Engpässe zu überbrücken. Neben Patienten fordern vor allem auch die Apotheker des Landes das Überdenken der Ministeriumsentscheidung, um zumindest die parallele Versorgung durch Privatfirmen und Apotheker zu erzielen. Mit einer großen Unterschriftenaktion unter dem Motto "Choice in Oxygen" rief das größte britische Apothekenmagazin Chemist&Druggist zur Unterstützung der Apotheker auf.

Rückhalt gibt neben Handelsorganisationen, Apothekenketten und Großhändlern vor allem auch das Pharmaceutical Services Negotiating Committee (PSNC) als Interessenvertreter der Apotheker des Vereinigten Königreichs. "Wir haben das Gesundheitsministerium angerufen, Apothekern zu erlauben, die Bereitstellung des lebenswichtigen Services fortzusetzen", erklärte Sue Sharp, Hauptgeschäftsführerin des PSNC, und fügte hinzu "die zweiwöchige Umsetzung der neuen Regelungen zeigt den Nutzen des vorherigen Systems auf. Wir sind nicht überzeugt, dass wir nur vorübergehende Störungen gesehen haben". In Wales gab Gesundheitsminister Brian Gibbons indessen bekannt, dass Apotheker zumindest bis Ende März zur Absicherung der Sauerstoffversorgung herangezogen werden dürfen.

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